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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Jetzt beginnen die Erfolge, die Suworvw zum gefeierten Helden Ru߬
lands machten, die Schlachten von Fockschani und vom Rymnik 1789 und
die Erstürmung von Ismail. In der ersten Schlacht sollte er gemeinsam mit
der östreichischen Armee unter dem Prinzen von Koburg operiren, aber er wich,
weil er die östreichische Langsamkeit scheute, jeder vorhergehenden Unterredung
mit den östreichischen Feldherrn aus, und begann die Schlacht aus eigne Hand^
Diese Eigenmächtigkeit ließ Koburg, weil er seinen Verbündeten wirtlich ehrte,
nicht blos hingehn. sondern er ward von da an sein treuster Freund. Die '
heldenmüthige Erstürmung von Ismail 1790 gab ihm auch gegen Potemkin
ein stärkeres Selbstgefühl und er wagte dem allmächtigen Günstling offen zu
trotzen, was er freilich bald zu bereuen Ursache hatte, denn die Kaiserin, die
gttgen ihn eingenommen war, schickte ihn nach Finnland, wo er seinen un¬
gestüme" Thatendrang in gezwungener Unthätigkeit verzehren mußte. Erst die
polnischen Unruhen gaben ihm wieder Gelegenheit, den wahren Schauplatz
seines Wirkens zu finden.

Die polnischen Angelegenheiten werden sehr ausführlich und im Ganzen
geistvoll, wenn auch von einem sehr einseitigen Standpunkt dargestellt. Daß
der Verfasser die zweideutige Politik Preußens bitter verurtheilt, wollen wir
ihm nicht verargen, ebenso wenig seine Geringschätzung gegen den polnischen
Nationalcharakter, der, stets zu einem heftigen Anlauf bereit, sobald es eine
dauernde Anstrengung galt, erschlaffte. Aber daß er von der Konstitution
von 1791 nur die Schattenseiten hervorhebt, und den wichtigen Fortschritt
verkennt, den sie, ehrlich durchgeführt, in der nationalen Entwicklung herbei-
geführt haben würde, ist doch gar zu russisch.

Suworow war in seiner Unthätigkeit allmülig so wild geworden, daß er
schon ernstlich daran dachte, in fremden Dienst zu treten. Für die Intrigue
war er nicht gemacht und wenn ihn für einen Augenblick Ossian. der ins
Russische übersetzt und ihm zugeeignet war, so begeisterte, daß er in seiner
Manier Briefe schrieb, so konnte doch dieser Trost nicht lange anhalten. Aber
als die Zeit der Intrigue vorüber war, und es auf ein ernst durchgreifendes
Handeln ankam, mußte man sich wieder des Helden von Ismail erinnern.
Die Darstellung dieser Begebenheiten bleibt den, folgenden Band vorbehalten.

Der Verfasser dieser Monographie hat in früherer Zeit eine Geschichte
der polnischen Jnsurection von 133t geschrieben. Seitdem sind ihm wichtige
Beiträge zum Verständniß der militärischen Operationen zugegangen, die er
nun gesammelt dem Publicum mittheilt. Das Wichtigste darunter ist das
Tagebuch des Feldmarschall Diebitsch, die Anklageschrift des General Toll,
Chef des Generalstabs) gegen seinen zweiten Oberbefehlshaber Paskewitsch
und die Antwort desselben. Es ergibt sich daraus, daß Diebitsch ein besserer
General war, aber vom Glück weniger begünstigt, während Paskewitsch, der


Jetzt beginnen die Erfolge, die Suworvw zum gefeierten Helden Ru߬
lands machten, die Schlachten von Fockschani und vom Rymnik 1789 und
die Erstürmung von Ismail. In der ersten Schlacht sollte er gemeinsam mit
der östreichischen Armee unter dem Prinzen von Koburg operiren, aber er wich,
weil er die östreichische Langsamkeit scheute, jeder vorhergehenden Unterredung
mit den östreichischen Feldherrn aus, und begann die Schlacht aus eigne Hand^
Diese Eigenmächtigkeit ließ Koburg, weil er seinen Verbündeten wirtlich ehrte,
nicht blos hingehn. sondern er ward von da an sein treuster Freund. Die '
heldenmüthige Erstürmung von Ismail 1790 gab ihm auch gegen Potemkin
ein stärkeres Selbstgefühl und er wagte dem allmächtigen Günstling offen zu
trotzen, was er freilich bald zu bereuen Ursache hatte, denn die Kaiserin, die
gttgen ihn eingenommen war, schickte ihn nach Finnland, wo er seinen un¬
gestüme» Thatendrang in gezwungener Unthätigkeit verzehren mußte. Erst die
polnischen Unruhen gaben ihm wieder Gelegenheit, den wahren Schauplatz
seines Wirkens zu finden.

Die polnischen Angelegenheiten werden sehr ausführlich und im Ganzen
geistvoll, wenn auch von einem sehr einseitigen Standpunkt dargestellt. Daß
der Verfasser die zweideutige Politik Preußens bitter verurtheilt, wollen wir
ihm nicht verargen, ebenso wenig seine Geringschätzung gegen den polnischen
Nationalcharakter, der, stets zu einem heftigen Anlauf bereit, sobald es eine
dauernde Anstrengung galt, erschlaffte. Aber daß er von der Konstitution
von 1791 nur die Schattenseiten hervorhebt, und den wichtigen Fortschritt
verkennt, den sie, ehrlich durchgeführt, in der nationalen Entwicklung herbei-
geführt haben würde, ist doch gar zu russisch.

Suworow war in seiner Unthätigkeit allmülig so wild geworden, daß er
schon ernstlich daran dachte, in fremden Dienst zu treten. Für die Intrigue
war er nicht gemacht und wenn ihn für einen Augenblick Ossian. der ins
Russische übersetzt und ihm zugeeignet war, so begeisterte, daß er in seiner
Manier Briefe schrieb, so konnte doch dieser Trost nicht lange anhalten. Aber
als die Zeit der Intrigue vorüber war, und es auf ein ernst durchgreifendes
Handeln ankam, mußte man sich wieder des Helden von Ismail erinnern.
Die Darstellung dieser Begebenheiten bleibt den, folgenden Band vorbehalten.

Der Verfasser dieser Monographie hat in früherer Zeit eine Geschichte
der polnischen Jnsurection von 133t geschrieben. Seitdem sind ihm wichtige
Beiträge zum Verständniß der militärischen Operationen zugegangen, die er
nun gesammelt dem Publicum mittheilt. Das Wichtigste darunter ist das
Tagebuch des Feldmarschall Diebitsch, die Anklageschrift des General Toll,
Chef des Generalstabs) gegen seinen zweiten Oberbefehlshaber Paskewitsch
und die Antwort desselben. Es ergibt sich daraus, daß Diebitsch ein besserer
General war, aber vom Glück weniger begünstigt, während Paskewitsch, der


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[0271] Jetzt beginnen die Erfolge, die Suworvw zum gefeierten Helden Ru߬ lands machten, die Schlachten von Fockschani und vom Rymnik 1789 und die Erstürmung von Ismail. In der ersten Schlacht sollte er gemeinsam mit der östreichischen Armee unter dem Prinzen von Koburg operiren, aber er wich, weil er die östreichische Langsamkeit scheute, jeder vorhergehenden Unterredung mit den östreichischen Feldherrn aus, und begann die Schlacht aus eigne Hand^ Diese Eigenmächtigkeit ließ Koburg, weil er seinen Verbündeten wirtlich ehrte, nicht blos hingehn. sondern er ward von da an sein treuster Freund. Die ' heldenmüthige Erstürmung von Ismail 1790 gab ihm auch gegen Potemkin ein stärkeres Selbstgefühl und er wagte dem allmächtigen Günstling offen zu trotzen, was er freilich bald zu bereuen Ursache hatte, denn die Kaiserin, die gttgen ihn eingenommen war, schickte ihn nach Finnland, wo er seinen un¬ gestüme» Thatendrang in gezwungener Unthätigkeit verzehren mußte. Erst die polnischen Unruhen gaben ihm wieder Gelegenheit, den wahren Schauplatz seines Wirkens zu finden. Die polnischen Angelegenheiten werden sehr ausführlich und im Ganzen geistvoll, wenn auch von einem sehr einseitigen Standpunkt dargestellt. Daß der Verfasser die zweideutige Politik Preußens bitter verurtheilt, wollen wir ihm nicht verargen, ebenso wenig seine Geringschätzung gegen den polnischen Nationalcharakter, der, stets zu einem heftigen Anlauf bereit, sobald es eine dauernde Anstrengung galt, erschlaffte. Aber daß er von der Konstitution von 1791 nur die Schattenseiten hervorhebt, und den wichtigen Fortschritt verkennt, den sie, ehrlich durchgeführt, in der nationalen Entwicklung herbei- geführt haben würde, ist doch gar zu russisch. Suworow war in seiner Unthätigkeit allmülig so wild geworden, daß er schon ernstlich daran dachte, in fremden Dienst zu treten. Für die Intrigue war er nicht gemacht und wenn ihn für einen Augenblick Ossian. der ins Russische übersetzt und ihm zugeeignet war, so begeisterte, daß er in seiner Manier Briefe schrieb, so konnte doch dieser Trost nicht lange anhalten. Aber als die Zeit der Intrigue vorüber war, und es auf ein ernst durchgreifendes Handeln ankam, mußte man sich wieder des Helden von Ismail erinnern. Die Darstellung dieser Begebenheiten bleibt den, folgenden Band vorbehalten. Der Verfasser dieser Monographie hat in früherer Zeit eine Geschichte der polnischen Jnsurection von 133t geschrieben. Seitdem sind ihm wichtige Beiträge zum Verständniß der militärischen Operationen zugegangen, die er nun gesammelt dem Publicum mittheilt. Das Wichtigste darunter ist das Tagebuch des Feldmarschall Diebitsch, die Anklageschrift des General Toll, Chef des Generalstabs) gegen seinen zweiten Oberbefehlshaber Paskewitsch und die Antwort desselben. Es ergibt sich daraus, daß Diebitsch ein besserer General war, aber vom Glück weniger begünstigt, während Paskewitsch, der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/271>, abgerufen am 26.07.2024.