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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Sie etwa, mich zu einem Politiker zu machen? Ich bitte, schicken Sie einen
anHern, denn der Teufel wird mit ihnen.fertig."

Der türkische Krieg 1773--47 gab Suworow schon mehr Gelegenheit, seine
militärischen Talente an den Tag zu legen. Eine Regel, die er aus diesem
Krieg abstrahirte, war, nie vertheidigungsweise zu verfahren, sondern, wie
groß auch die Ueberlegenheit der'Türken sein mochte, kühn ihnen entgegenzu-
gchn. Bei ihnen hat der Angreifer schon den halben Sieg; wer sie erwartet,
ist halb geschlagen. Dasselbe System hat Suworow denn auch gegen andere
Gegner in Anwendung gebracht; zunächst in dcmAufstand Pugatschews 1774--75.
Ueber alle diese Verhältnisse gibt der Verfasser sachgemäße Erörterungen. --
Der neue Türkenkrieg 1787 gibt ihm zu einer Charakteristik Potemkins
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Der Fürst war von männlicher Schönheit, von stolzem gebietendem Aeu-
ßern und starkem Körper. Wunderbar war sein Gedächtniß: er behielt alles,
ohne es zu vermengen; über die verschiedenartigsten Gegenstände hatte er
Kenntnisse und einzig durch mündliche Unterhaltung erworben; denn er las
nickt, war aber unermüdet im Fragen. Eine solche Bildung ist zwar um¬
fassend, aber selten tief, weil ihr die wissenschaftliche Grundlage abgeht. Vor¬
züglich liebte er, Männer verschiedener Fächer in seiner Gegenwart sich unter¬
reden zu lassen, um das Gehörte sich aneignen zu können. So brachte er es
zuletzt dahin, daß er mit Gelehrten aller Art, mit Theologen und Rechts¬
kundigen, mit Naturforschern und mit Kriegsmännern, mit Kaufleuten, Künst¬
lern, und selbst mit Handwerkern und Bauern von ihren eigenthümlichen
Beschäftigungen sich unterhalten konnte, ohne eine Blöße zu geben. Vornehm¬
lich liebte er die Theologie, vielleicht infolge seiner ersten Bestimmung; und
trotz seiner weltlichen Gesinnungen war er nicht blos gläubig, sondern selbst
abergläubisch und von einer ganz speciellen Protection seines Schutzheiligen
überzeugt. Man konnte zu jeder Zeit gewiß sein, ihn zu interessiren und von
andern Dingen abzuziehn, wenn man ihn von den Streitigkeiten der griechi¬
schen und lateinischen Kirche und den zu ihrer Beilegung gehaltenen Conci¬
lien unterhielt, denn hier konnte er seine ganze Gelehrsamkeit entfalten, und
that es mit besonderm Wohlgefallen. Bei jenem glücklichen Gedächtniß besaß er
einen schnell beweglichen Geist, aber einen trägen Körper. Dadurch entstanden
die schroffsten Widersprüche. Es war nichts Ungewöhnliches, ihn von den
angestrengtesten Thätigkeit zur äußersten Unthätigkeit übergehn zu sehen. Dann
brachte er Wochen lang zu Hause hin, ausgestreckt auf seinem Sopha, im
Schlafp-lz, den Hals aufgeknöpft, die Füße nackt; mit bewölkter Stirn und
ohne ein Wort zu sprechen. Zog ihn hierauf eine besondere Leidenschaft an,
so erhob er sich plötzlich aus seiner Unthätigkeit, warf sich mit verdoppeltem
Eiser in die Geschäfte, um bald nachher sie abermals zu vernachlässigen.


Sie etwa, mich zu einem Politiker zu machen? Ich bitte, schicken Sie einen
anHern, denn der Teufel wird mit ihnen.fertig."

Der türkische Krieg 1773—47 gab Suworow schon mehr Gelegenheit, seine
militärischen Talente an den Tag zu legen. Eine Regel, die er aus diesem
Krieg abstrahirte, war, nie vertheidigungsweise zu verfahren, sondern, wie
groß auch die Ueberlegenheit der'Türken sein mochte, kühn ihnen entgegenzu-
gchn. Bei ihnen hat der Angreifer schon den halben Sieg; wer sie erwartet,
ist halb geschlagen. Dasselbe System hat Suworow denn auch gegen andere
Gegner in Anwendung gebracht; zunächst in dcmAufstand Pugatschews 1774—75.
Ueber alle diese Verhältnisse gibt der Verfasser sachgemäße Erörterungen. —
Der neue Türkenkrieg 1787 gibt ihm zu einer Charakteristik Potemkins
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Der Fürst war von männlicher Schönheit, von stolzem gebietendem Aeu-
ßern und starkem Körper. Wunderbar war sein Gedächtniß: er behielt alles,
ohne es zu vermengen; über die verschiedenartigsten Gegenstände hatte er
Kenntnisse und einzig durch mündliche Unterhaltung erworben; denn er las
nickt, war aber unermüdet im Fragen. Eine solche Bildung ist zwar um¬
fassend, aber selten tief, weil ihr die wissenschaftliche Grundlage abgeht. Vor¬
züglich liebte er, Männer verschiedener Fächer in seiner Gegenwart sich unter¬
reden zu lassen, um das Gehörte sich aneignen zu können. So brachte er es
zuletzt dahin, daß er mit Gelehrten aller Art, mit Theologen und Rechts¬
kundigen, mit Naturforschern und mit Kriegsmännern, mit Kaufleuten, Künst¬
lern, und selbst mit Handwerkern und Bauern von ihren eigenthümlichen
Beschäftigungen sich unterhalten konnte, ohne eine Blöße zu geben. Vornehm¬
lich liebte er die Theologie, vielleicht infolge seiner ersten Bestimmung; und
trotz seiner weltlichen Gesinnungen war er nicht blos gläubig, sondern selbst
abergläubisch und von einer ganz speciellen Protection seines Schutzheiligen
überzeugt. Man konnte zu jeder Zeit gewiß sein, ihn zu interessiren und von
andern Dingen abzuziehn, wenn man ihn von den Streitigkeiten der griechi¬
schen und lateinischen Kirche und den zu ihrer Beilegung gehaltenen Conci¬
lien unterhielt, denn hier konnte er seine ganze Gelehrsamkeit entfalten, und
that es mit besonderm Wohlgefallen. Bei jenem glücklichen Gedächtniß besaß er
einen schnell beweglichen Geist, aber einen trägen Körper. Dadurch entstanden
die schroffsten Widersprüche. Es war nichts Ungewöhnliches, ihn von den
angestrengtesten Thätigkeit zur äußersten Unthätigkeit übergehn zu sehen. Dann
brachte er Wochen lang zu Hause hin, ausgestreckt auf seinem Sopha, im
Schlafp-lz, den Hals aufgeknöpft, die Füße nackt; mit bewölkter Stirn und
ohne ein Wort zu sprechen. Zog ihn hierauf eine besondere Leidenschaft an,
so erhob er sich plötzlich aus seiner Unthätigkeit, warf sich mit verdoppeltem
Eiser in die Geschäfte, um bald nachher sie abermals zu vernachlässigen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/268>, abgerufen am 22.07.2024.