Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.ja daß ein gemeinsames Rechtsbewußtsein, dieses einzig feste Band jeder Nur eine Seite des Staatslebens hat die Schwarzenbergische, und noch Ungarn hat unstreitig seit 1849 theils durch die Entlastung des Bodens Die Befreiung des Bodens von grundherrschaftlicher Abhängigkeit ja daß ein gemeinsames Rechtsbewußtsein, dieses einzig feste Band jeder Nur eine Seite des Staatslebens hat die Schwarzenbergische, und noch Ungarn hat unstreitig seit 1849 theils durch die Entlastung des Bodens Die Befreiung des Bodens von grundherrschaftlicher Abhängigkeit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0256" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266065"/> <p xml:id="ID_664" prev="#ID_663"> ja daß ein gemeinsames Rechtsbewußtsein, dieses einzig feste Band jeder<lb/> staatlichen Organisation, die Völker Oestreichs noch nicht beseelt.</p><lb/> <p xml:id="ID_665"> Nur eine Seite des Staatslebens hat die Schwarzenbergische, und noch<lb/> mehr die ihr folgende Regierung Oestreichs mit besonderer Vorliebe gepflegt,<lb/> nämlich die Seite der materiellen Interessen, und wir wollen hier näher be¬<lb/> zeichnen, wie viel unserm lieben Ungarn von den Früchten dieser Pflege wie<lb/> von den Uebelständen eines zu lange ausgedehnten Provisoriums zugekommen.<lb/> Für andere Kronländer wollen wir diese Arbeit solchen überlassen, die mit<lb/> ihren heimathlichen Verhältnissen und Bedürfnissen so vertraut sind als wir<lb/> mit den unsrigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_666"> Ungarn hat unstreitig seit 1849 theils durch die Entlastung des Bodens<lb/> und die Aufhebung der Zwischenzölle, theils durch neugeschaffene oder ver¬<lb/> besserte Communicationsmittel, an Productivität und dadurch an materiellem<lb/> Wohlstand, bedeutend gewonnen. Mit einigen Ausnahmen, die wir weiter<lb/> unten bezeichnen wollen, hat die Production der Bodenerzcugnisse nicht nur<lb/> numerisch, sondern auch an Werth zugenommen; denn durch die Aufhebung<lb/> der Zwischenzölle wurde die ganze östreichische Monarchie zum Absatzmarkt<lb/> für ungarische Producte gemacht, und in Gegenden, wo diese früher wegen<lb/> des kostspieligen Transports durch weglose Steppen und Moräste keinen, oder<lb/> nur zu äußerst niedrigen Preisen, Käufer fanden, haben sie jetzt bei den bessern<lb/> und vermehrten Communicationsmitteln Preise erreicht, die früher selbst in<lb/> jenen Theilen Ungarns nur, selten erzielt wurden, die an Oestreich grenzten<lb/> oder mit demselben durch gute Straßen verbunden waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_667" next="#ID_668"> Die Befreiung des Bodens von grundherrschaftlicher Abhängigkeit<lb/> und ftohndienstlichen Leistungen — diese einzige, von der Reaction verschonte<lb/> Errungenschaft der Revolution — hat übrigens nicht nur die Arbeitskraft des<lb/> Bauers und seinen materiellen Wohlstand gesteigert, sondern auch in mora¬<lb/> lischer Hinsicht bereits schöne Resultate geliefert. Das Bewußtsein der Unab¬<lb/> hängigkeit und des unantastbaren Besitzes hat in dem Bauer einen gewissen<lb/> Grad von Selbstständigkeit und Selbstachtung erzeugt, welche auf seine geistige<lb/> Entwicklung, und diese rückwirkend wieder auf seinen materiellen Wohlstand<lb/> den wohlthuendsten Einfluß ausüben. Haben schon die neuen Ideen, welche<lb/> die Revolutionszeit für den Bauer entfaltete, ihn für die Ereignisse der ihm<lb/> bisher ganz fremden Außenwelt empfänglicher gemacht, so mußten die neuen<lb/> Bedürfnisse, die ihm aus seiner neuen Stellung zu seinem frühern Grundherrn<lb/> erwuchsen, ihm die Nothwendigkeit eines selbstständigen vernünftigen Wollens<lb/> und Handelns aufdringen. Früher war es der Grundherr, der ihm alle höhern<lb/> Fragen des Lebens mit seinem Lichte beleuchten mußte. Im Glück wie im<lb/> Unglück, in der Freude wie im Schmerz mußte er sich an diese mächtige Eiche<lb/> — die ihm immer die mächtigste der Erde schien — stützen, um das Gleich-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0256]
ja daß ein gemeinsames Rechtsbewußtsein, dieses einzig feste Band jeder
staatlichen Organisation, die Völker Oestreichs noch nicht beseelt.
Nur eine Seite des Staatslebens hat die Schwarzenbergische, und noch
mehr die ihr folgende Regierung Oestreichs mit besonderer Vorliebe gepflegt,
nämlich die Seite der materiellen Interessen, und wir wollen hier näher be¬
zeichnen, wie viel unserm lieben Ungarn von den Früchten dieser Pflege wie
von den Uebelständen eines zu lange ausgedehnten Provisoriums zugekommen.
Für andere Kronländer wollen wir diese Arbeit solchen überlassen, die mit
ihren heimathlichen Verhältnissen und Bedürfnissen so vertraut sind als wir
mit den unsrigen.
Ungarn hat unstreitig seit 1849 theils durch die Entlastung des Bodens
und die Aufhebung der Zwischenzölle, theils durch neugeschaffene oder ver¬
besserte Communicationsmittel, an Productivität und dadurch an materiellem
Wohlstand, bedeutend gewonnen. Mit einigen Ausnahmen, die wir weiter
unten bezeichnen wollen, hat die Production der Bodenerzcugnisse nicht nur
numerisch, sondern auch an Werth zugenommen; denn durch die Aufhebung
der Zwischenzölle wurde die ganze östreichische Monarchie zum Absatzmarkt
für ungarische Producte gemacht, und in Gegenden, wo diese früher wegen
des kostspieligen Transports durch weglose Steppen und Moräste keinen, oder
nur zu äußerst niedrigen Preisen, Käufer fanden, haben sie jetzt bei den bessern
und vermehrten Communicationsmitteln Preise erreicht, die früher selbst in
jenen Theilen Ungarns nur, selten erzielt wurden, die an Oestreich grenzten
oder mit demselben durch gute Straßen verbunden waren.
Die Befreiung des Bodens von grundherrschaftlicher Abhängigkeit
und ftohndienstlichen Leistungen — diese einzige, von der Reaction verschonte
Errungenschaft der Revolution — hat übrigens nicht nur die Arbeitskraft des
Bauers und seinen materiellen Wohlstand gesteigert, sondern auch in mora¬
lischer Hinsicht bereits schöne Resultate geliefert. Das Bewußtsein der Unab¬
hängigkeit und des unantastbaren Besitzes hat in dem Bauer einen gewissen
Grad von Selbstständigkeit und Selbstachtung erzeugt, welche auf seine geistige
Entwicklung, und diese rückwirkend wieder auf seinen materiellen Wohlstand
den wohlthuendsten Einfluß ausüben. Haben schon die neuen Ideen, welche
die Revolutionszeit für den Bauer entfaltete, ihn für die Ereignisse der ihm
bisher ganz fremden Außenwelt empfänglicher gemacht, so mußten die neuen
Bedürfnisse, die ihm aus seiner neuen Stellung zu seinem frühern Grundherrn
erwuchsen, ihm die Nothwendigkeit eines selbstständigen vernünftigen Wollens
und Handelns aufdringen. Früher war es der Grundherr, der ihm alle höhern
Fragen des Lebens mit seinem Lichte beleuchten mußte. Im Glück wie im
Unglück, in der Freude wie im Schmerz mußte er sich an diese mächtige Eiche
— die ihm immer die mächtigste der Erde schien — stützen, um das Gleich-
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