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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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dung englischer Truppen zu besorgen, bedarf also zum Schutze seiner Küsten
der großen Lager nicht, diese haben hier keinen defensiven, sondern einen offen¬
siven Zweck, wenn sie auch strategisch betrachtet nach Defensivgrundsätzen d. h.
in unmittelbarer Nähe von Festungen angelegt sind. -Betrachten wir die klei-
ne. obenerwähnter gegenüberliegende Strecke von Dünkirchen bis zum Ausfluß
der Somme, also bis zu der an diesem Flusse liegenden Festung Abbeville,
so würde es nur einem sehr zahlreichen Feinde möglich sein, aus dieser
Fortschritte zu machen, wenn er auch glücklich gelandet wäre; denn er würde
bei seinem Vorrücken in ein Netz von Festungen gerathen, die ihn so lange
aufhalten würden, bis bedeutende Verstärkungen aus dem Innern Frankreichs
herangezogen worden wären, die ihn zum Rückzüge zwingen würden. Der
Flügclpunkt dieses Abschnittes ist das stark fortisicirte Dünkirchen mit einem
befestigten Lager. Von Calais aus kann der Feind nicht vorgehen, weil er
sonst von ersterem aus flcmkirt ist und aus die Festungen Se. Omer. Aire,
Douai und Arras treffen würde, die wieder das mächtige Lille in der rechten
und Amiens in der linken Flanke haben. Aus diesem ergibt sich die Unmög¬
lichkeit einer feindlichen Invasion auf dieser Strecke, folglich -- da man der
Truppen in d,ein Lager von Boulogne zur Vertheidigung derselben nicht be¬
darf -- sein Ofsensivzweck. Betrachten wir nun aus demselben Gesichts¬
punkte die Küsten der Grafschaft Kent von Dover bis Hythe. so ist letzterer
Platz auch nur schwach von Küstenbatterien vertheidigt, und das Lager von
Shorncliffe. das einen reinen Defensivzweck haben muß, ist, wie bemerkt, gar
nicht befestigt, nur in seiner Fronte nach dem Meere zu befinden sich zwei
jener eben geschilderten Thürme, auch in seinem Rücken oder seinen Flanken
hat es keine Festungswerke, mithin hat es gewiß keinen höheren Werth, als
den von uns ihm früher beigelegten. Eine Eisenbahn geht von Brighton.
weiter östlich gelegen, nach London, der Weg. der von hier dorthin führt, ist
der kürzeste und gefahrloseste, um nach der letztern Stadt, dem Centralpunkt des
Reiches zu gelangen und diese nebst der Themse in seine Gewalt zu bekom¬
men. Kein Fluß, kein Gebirge tritt hier den Operationen eines Jnvasions-
heeres nur irgend hemmend entgegen, keine Festung, kein befestigtes Lager
versperrt den Weg. und die Gegend ist so reich, daß eine Armee sich rein von
Requisitionen erhalten kann, ohne wegen ihrer Existenz an die Flotte gebun¬
den zu sein, wie es z. B. die englisch-französische Krimarmee war.

Das Lager von Aldershott. das in der Nähe liegt, ist nicht befestigt und
kann nur als concentrirtes Cantonncment betrachtet werden. das infolge seiner
Bauart unendlich leicht in Brand geschossen werden kann, so daß die Truppen
gezwungen sind, es zu verlassen. Gehen wir nun an der Küste weiter, so
kommen wir auf die Seefestung Portsmouth. Die Entfernung zwischen hier
und Dover betrügt ungefähr 40 Meilen, und diese ganze Strecke läge, da sie


Grenzboten IV. 18SS. 3

dung englischer Truppen zu besorgen, bedarf also zum Schutze seiner Küsten
der großen Lager nicht, diese haben hier keinen defensiven, sondern einen offen¬
siven Zweck, wenn sie auch strategisch betrachtet nach Defensivgrundsätzen d. h.
in unmittelbarer Nähe von Festungen angelegt sind. -Betrachten wir die klei-
ne. obenerwähnter gegenüberliegende Strecke von Dünkirchen bis zum Ausfluß
der Somme, also bis zu der an diesem Flusse liegenden Festung Abbeville,
so würde es nur einem sehr zahlreichen Feinde möglich sein, aus dieser
Fortschritte zu machen, wenn er auch glücklich gelandet wäre; denn er würde
bei seinem Vorrücken in ein Netz von Festungen gerathen, die ihn so lange
aufhalten würden, bis bedeutende Verstärkungen aus dem Innern Frankreichs
herangezogen worden wären, die ihn zum Rückzüge zwingen würden. Der
Flügclpunkt dieses Abschnittes ist das stark fortisicirte Dünkirchen mit einem
befestigten Lager. Von Calais aus kann der Feind nicht vorgehen, weil er
sonst von ersterem aus flcmkirt ist und aus die Festungen Se. Omer. Aire,
Douai und Arras treffen würde, die wieder das mächtige Lille in der rechten
und Amiens in der linken Flanke haben. Aus diesem ergibt sich die Unmög¬
lichkeit einer feindlichen Invasion auf dieser Strecke, folglich — da man der
Truppen in d,ein Lager von Boulogne zur Vertheidigung derselben nicht be¬
darf — sein Ofsensivzweck. Betrachten wir nun aus demselben Gesichts¬
punkte die Küsten der Grafschaft Kent von Dover bis Hythe. so ist letzterer
Platz auch nur schwach von Küstenbatterien vertheidigt, und das Lager von
Shorncliffe. das einen reinen Defensivzweck haben muß, ist, wie bemerkt, gar
nicht befestigt, nur in seiner Fronte nach dem Meere zu befinden sich zwei
jener eben geschilderten Thürme, auch in seinem Rücken oder seinen Flanken
hat es keine Festungswerke, mithin hat es gewiß keinen höheren Werth, als
den von uns ihm früher beigelegten. Eine Eisenbahn geht von Brighton.
weiter östlich gelegen, nach London, der Weg. der von hier dorthin führt, ist
der kürzeste und gefahrloseste, um nach der letztern Stadt, dem Centralpunkt des
Reiches zu gelangen und diese nebst der Themse in seine Gewalt zu bekom¬
men. Kein Fluß, kein Gebirge tritt hier den Operationen eines Jnvasions-
heeres nur irgend hemmend entgegen, keine Festung, kein befestigtes Lager
versperrt den Weg. und die Gegend ist so reich, daß eine Armee sich rein von
Requisitionen erhalten kann, ohne wegen ihrer Existenz an die Flotte gebun¬
den zu sein, wie es z. B. die englisch-französische Krimarmee war.

Das Lager von Aldershott. das in der Nähe liegt, ist nicht befestigt und
kann nur als concentrirtes Cantonncment betrachtet werden. das infolge seiner
Bauart unendlich leicht in Brand geschossen werden kann, so daß die Truppen
gezwungen sind, es zu verlassen. Gehen wir nun an der Küste weiter, so
kommen wir auf die Seefestung Portsmouth. Die Entfernung zwischen hier
und Dover betrügt ungefähr 40 Meilen, und diese ganze Strecke läge, da sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/25>, abgerufen am 03.07.2024.