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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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eigen Angriff von der Landseite nie gedacht hat. Küstenbefestigungen allein, ohne
derartige Sicherungen sind immer fehlerhaft, namentlich bei irgend wichtigen
Punkten, deren Verlust große Nachtheile bringen könnte. Das Terrain um Dover
ist von der Art, daß man mit Leichtigkeit eine Festung ersten Ranges aus ihm
machen könnte, was auch seine strategische Lage, als der französischen Küste am
nächsten, als Stütz- und Flügelpunkt der ganzen Befestigung der Südküste Eng¬
lands gebieterisch zu fordern scheint. Keine Festung liegt zwischen hier und London,
der Weg dahin ist für eine hier gekantete feindliche Armee vollständig offen.
Dover hat ohne ein befestigtes Lager keinen Werth, denn wie es ist, kann
es mit wenig Truppen beobachtet und unschädlich gemacht werden, sobald
diese westlich gelandet sind und festen Fuß gesaßt haben. Von Dover aus be¬
ginnt die 1808 errichtete Uferbefestigung, bestehend aus einer Reihe kleiner
runder kasemattirter Thürme, die sich längs der ganzen Südküste hinziehen/
Diese Thürme liegen bald unmittelbar, am Strande, bald auf den Höhen oder
den Hängen, welche erstere begrenzen, und sind in beiden letzteren Fällen von
Gräben mit crcvetirten Escarpen und Contrecscarpcn umgeben, über welche
eine Zugbrücke führt. Sie fassen höchstens 60 bis 100 Mann, und können
nur mit wenigen Geschützen armirt werden. In Friedenszeiten sind sie meist
ohne Garnison, und nur von einem Wächter bewohnt. Die Entfernung, in
welcher sie voneinander stehen, ist verschieden, doch jedenfalls zu groß, als
daß sie einer Landung irgend ernsten Widerstand entgegensetzen könnten. Sie
sind rem Verlorne Posten, und würde, im Fall der Feind vordränge, ihre
Garnison allemal kriegsgefcm^en werden. Derartige Werke können für die
Vertheidigung des Landes nur von Vortheil sein, wenn sie an Sperrpunkten
liegen und nicht umgangen werden können, oder wenn hinter ihnen ein.Cen-
tralwcrk liegt, von dem aus sie Unterstützung erhalten können. Ein solches
fehlt aber gänzlich, und überall sind sie sich vollständig selbst überlassen, und
ihr Werth kann infolge dessen nicht höher angeschlagen werden, als der von
Wartthürmen überhaupt. Auf der Distanz zwischen Dover und Hythe, das
als der zweite der LümyuL xviks einige Uferbatterien besitzt, welche jetzt mit
schweren Geschützen bewaffnet werden, liegt der Hafen von Folkstone, der nur
von einigen jener Thürme beschützt wird, während er sich Boulogne gegen¬
über sieht und einen bedeutenden Handel treibt. In Boulogne haben die
Franzosen ein stehendes Lager. Ein gleiches legten die Engländer auf den
rückwärtigen Höhen zwischen hier und Dover an (Shorncliffe) -- da es aber
nicht befestigt ist, hat es keinen andern Werth für die Küstenvertheidigung,
als den., daß man von hier aus die vom Feinde zunächst bedrohten Punkte
mit Truppen verstärken kann. Wenn die Engländer meinen, mit diesem Lager
denselben Zweck zu e-rreichen, als die Franzosen im Ernstfalle mit dem von
Boulogne, so irren sie sich vollständig. Zuerst hat Frankreich nie eine Lar-


eigen Angriff von der Landseite nie gedacht hat. Küstenbefestigungen allein, ohne
derartige Sicherungen sind immer fehlerhaft, namentlich bei irgend wichtigen
Punkten, deren Verlust große Nachtheile bringen könnte. Das Terrain um Dover
ist von der Art, daß man mit Leichtigkeit eine Festung ersten Ranges aus ihm
machen könnte, was auch seine strategische Lage, als der französischen Küste am
nächsten, als Stütz- und Flügelpunkt der ganzen Befestigung der Südküste Eng¬
lands gebieterisch zu fordern scheint. Keine Festung liegt zwischen hier und London,
der Weg dahin ist für eine hier gekantete feindliche Armee vollständig offen.
Dover hat ohne ein befestigtes Lager keinen Werth, denn wie es ist, kann
es mit wenig Truppen beobachtet und unschädlich gemacht werden, sobald
diese westlich gelandet sind und festen Fuß gesaßt haben. Von Dover aus be¬
ginnt die 1808 errichtete Uferbefestigung, bestehend aus einer Reihe kleiner
runder kasemattirter Thürme, die sich längs der ganzen Südküste hinziehen/
Diese Thürme liegen bald unmittelbar, am Strande, bald auf den Höhen oder
den Hängen, welche erstere begrenzen, und sind in beiden letzteren Fällen von
Gräben mit crcvetirten Escarpen und Contrecscarpcn umgeben, über welche
eine Zugbrücke führt. Sie fassen höchstens 60 bis 100 Mann, und können
nur mit wenigen Geschützen armirt werden. In Friedenszeiten sind sie meist
ohne Garnison, und nur von einem Wächter bewohnt. Die Entfernung, in
welcher sie voneinander stehen, ist verschieden, doch jedenfalls zu groß, als
daß sie einer Landung irgend ernsten Widerstand entgegensetzen könnten. Sie
sind rem Verlorne Posten, und würde, im Fall der Feind vordränge, ihre
Garnison allemal kriegsgefcm^en werden. Derartige Werke können für die
Vertheidigung des Landes nur von Vortheil sein, wenn sie an Sperrpunkten
liegen und nicht umgangen werden können, oder wenn hinter ihnen ein.Cen-
tralwcrk liegt, von dem aus sie Unterstützung erhalten können. Ein solches
fehlt aber gänzlich, und überall sind sie sich vollständig selbst überlassen, und
ihr Werth kann infolge dessen nicht höher angeschlagen werden, als der von
Wartthürmen überhaupt. Auf der Distanz zwischen Dover und Hythe, das
als der zweite der LümyuL xviks einige Uferbatterien besitzt, welche jetzt mit
schweren Geschützen bewaffnet werden, liegt der Hafen von Folkstone, der nur
von einigen jener Thürme beschützt wird, während er sich Boulogne gegen¬
über sieht und einen bedeutenden Handel treibt. In Boulogne haben die
Franzosen ein stehendes Lager. Ein gleiches legten die Engländer auf den
rückwärtigen Höhen zwischen hier und Dover an (Shorncliffe) — da es aber
nicht befestigt ist, hat es keinen andern Werth für die Küstenvertheidigung,
als den., daß man von hier aus die vom Feinde zunächst bedrohten Punkte
mit Truppen verstärken kann. Wenn die Engländer meinen, mit diesem Lager
denselben Zweck zu e-rreichen, als die Franzosen im Ernstfalle mit dem von
Boulogne, so irren sie sich vollständig. Zuerst hat Frankreich nie eine Lar-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/24>, abgerufen am 02.07.2024.