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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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nicht von Festungen geschützt ist, einer feindlichen Invasion ziemlich offen,
wenn man nicht auf andere Weise für Schutz gesorgt hätte. Diesen Schutz
erhalt sie in hohem Grade von zwei Flotten, deren eine in Sheerneß, die
andere in Portsmouth stationirt ist, die ein'feindliches Geschwader flcmkiren,
und jeden feindlichen Persuch hier zu landen durch einen concentrischen An¬
griff von beiden Seiten vereiteln würden. Dagegen trafen die Franzosen
Vorkehrungen, .sie mußten eine Scefestung schassen, deren Hafen geräumig ge¬
nug war, um eine Flotte bergen zu tonnen, die an Schiffszahl den beiden
obigen die Spitze bieten konnte, wo nicht überlegen war, und zu einer solchen
Festung ward Cherbourg ausersehen, das, in dein eingehenden Winkel einer
weit vorspringenden Landspitze der Bretagne gelegen, in der neuesten Zeit eine
Bedeutung erhalten hat, die England nicht verkennen sollte. Denn handelt
es sich vor der Hand auch nicht um eine Invasion seiten Frankreichs, so han¬
delt es sich ganz gewiß darum, im Kanal und den angrenzenden Meeren Mit¬
herrscher zu sein. Wenn die Mitglieder des Unterhauses, die bei Gelegenheit
des Besuches der Konigin Victoria in Cherbourg waren, die Gefahr, welche
diese Festung England bringen kann, die ganze Wichtigkeit des Platzes nicht
erkannt liaber, so ist das eine Blindheit, die man nur beklagen kann. Bei
einem Meeting sagte Lindsay, er habe wol einen bedeutenden Hafen, eine
große Festung, aber keine Schiffe gesehen. Das mag richtig sein, aber mehr
wollte der Kaiser vermuthlich auch den Briten nicht zeigen; sie sollten eben
nur die Festung und ein Prnchtschiff sehen; die Flotten, die wahrlich nicht
unbedeutend sind, liegen in andern Hasen. Sie können jedoch, wenn nöthig,
sehr rasch concentrirt sein, da sie nicht gleich der britischen in allen Meeren
zerstreut sind, und die des mittelländischen Meeres können mit Anwendung der
Dampfkraft, und da sie von Gibraltar nicht abgesperrt werden können,
(dieses ist blos nach dem Hafen, nicht nach der Meerenge zu befestigt) binnen
fünf Ta^en im Kanal erscheinen. Die Erinnerung an die Schlacht von Tra-
falgar wird sie nicht daran hindern, und der Trost, daß die Franzosen keine
so guten Seeleute seien als die Briten, ist ein sehr leidiger. England hat
die Seeleute, welche Nelsons Schlachten schlugen, auch nicht mehr, es wird
ihm ungemein schwer, seine Flotten zu bemannen, weil die Matrosen den Dienst
aus Kauffahrern vorziehen. Man kann das aus den darüber jüngst gepflogenen
Parlamentsverhandlungen ersehen, und die Vorgänge an den Küsten der Krim
sollten der Regierung mindestens Vorsicht lehren. An den Schlangeninseln
waren die Franzosen eher concentrirt als die Engländer, bei Eupatoria rascher
ausgeschifft, bei dem Angriff auf Kinburn kamen die mit ihnen gleichzeitig
abgesegelten englischen Kriegsschiffe grade zwei Stunden nach beendeten Bom¬
bardement an. Sich selbst zu überschätzen, und seinen Gegner zu gering zu
achten, führt immer zu verhängnißv.oller Resultaten. Daß man seiten der


nicht von Festungen geschützt ist, einer feindlichen Invasion ziemlich offen,
wenn man nicht auf andere Weise für Schutz gesorgt hätte. Diesen Schutz
erhalt sie in hohem Grade von zwei Flotten, deren eine in Sheerneß, die
andere in Portsmouth stationirt ist, die ein'feindliches Geschwader flcmkiren,
und jeden feindlichen Persuch hier zu landen durch einen concentrischen An¬
griff von beiden Seiten vereiteln würden. Dagegen trafen die Franzosen
Vorkehrungen, .sie mußten eine Scefestung schassen, deren Hafen geräumig ge¬
nug war, um eine Flotte bergen zu tonnen, die an Schiffszahl den beiden
obigen die Spitze bieten konnte, wo nicht überlegen war, und zu einer solchen
Festung ward Cherbourg ausersehen, das, in dein eingehenden Winkel einer
weit vorspringenden Landspitze der Bretagne gelegen, in der neuesten Zeit eine
Bedeutung erhalten hat, die England nicht verkennen sollte. Denn handelt
es sich vor der Hand auch nicht um eine Invasion seiten Frankreichs, so han¬
delt es sich ganz gewiß darum, im Kanal und den angrenzenden Meeren Mit¬
herrscher zu sein. Wenn die Mitglieder des Unterhauses, die bei Gelegenheit
des Besuches der Konigin Victoria in Cherbourg waren, die Gefahr, welche
diese Festung England bringen kann, die ganze Wichtigkeit des Platzes nicht
erkannt liaber, so ist das eine Blindheit, die man nur beklagen kann. Bei
einem Meeting sagte Lindsay, er habe wol einen bedeutenden Hafen, eine
große Festung, aber keine Schiffe gesehen. Das mag richtig sein, aber mehr
wollte der Kaiser vermuthlich auch den Briten nicht zeigen; sie sollten eben
nur die Festung und ein Prnchtschiff sehen; die Flotten, die wahrlich nicht
unbedeutend sind, liegen in andern Hasen. Sie können jedoch, wenn nöthig,
sehr rasch concentrirt sein, da sie nicht gleich der britischen in allen Meeren
zerstreut sind, und die des mittelländischen Meeres können mit Anwendung der
Dampfkraft, und da sie von Gibraltar nicht abgesperrt werden können,
(dieses ist blos nach dem Hafen, nicht nach der Meerenge zu befestigt) binnen
fünf Ta^en im Kanal erscheinen. Die Erinnerung an die Schlacht von Tra-
falgar wird sie nicht daran hindern, und der Trost, daß die Franzosen keine
so guten Seeleute seien als die Briten, ist ein sehr leidiger. England hat
die Seeleute, welche Nelsons Schlachten schlugen, auch nicht mehr, es wird
ihm ungemein schwer, seine Flotten zu bemannen, weil die Matrosen den Dienst
aus Kauffahrern vorziehen. Man kann das aus den darüber jüngst gepflogenen
Parlamentsverhandlungen ersehen, und die Vorgänge an den Küsten der Krim
sollten der Regierung mindestens Vorsicht lehren. An den Schlangeninseln
waren die Franzosen eher concentrirt als die Engländer, bei Eupatoria rascher
ausgeschifft, bei dem Angriff auf Kinburn kamen die mit ihnen gleichzeitig
abgesegelten englischen Kriegsschiffe grade zwei Stunden nach beendeten Bom¬
bardement an. Sich selbst zu überschätzen, und seinen Gegner zu gering zu
achten, führt immer zu verhängnißv.oller Resultaten. Daß man seiten der


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[0026] nicht von Festungen geschützt ist, einer feindlichen Invasion ziemlich offen, wenn man nicht auf andere Weise für Schutz gesorgt hätte. Diesen Schutz erhalt sie in hohem Grade von zwei Flotten, deren eine in Sheerneß, die andere in Portsmouth stationirt ist, die ein'feindliches Geschwader flcmkiren, und jeden feindlichen Persuch hier zu landen durch einen concentrischen An¬ griff von beiden Seiten vereiteln würden. Dagegen trafen die Franzosen Vorkehrungen, .sie mußten eine Scefestung schassen, deren Hafen geräumig ge¬ nug war, um eine Flotte bergen zu tonnen, die an Schiffszahl den beiden obigen die Spitze bieten konnte, wo nicht überlegen war, und zu einer solchen Festung ward Cherbourg ausersehen, das, in dein eingehenden Winkel einer weit vorspringenden Landspitze der Bretagne gelegen, in der neuesten Zeit eine Bedeutung erhalten hat, die England nicht verkennen sollte. Denn handelt es sich vor der Hand auch nicht um eine Invasion seiten Frankreichs, so han¬ delt es sich ganz gewiß darum, im Kanal und den angrenzenden Meeren Mit¬ herrscher zu sein. Wenn die Mitglieder des Unterhauses, die bei Gelegenheit des Besuches der Konigin Victoria in Cherbourg waren, die Gefahr, welche diese Festung England bringen kann, die ganze Wichtigkeit des Platzes nicht erkannt liaber, so ist das eine Blindheit, die man nur beklagen kann. Bei einem Meeting sagte Lindsay, er habe wol einen bedeutenden Hafen, eine große Festung, aber keine Schiffe gesehen. Das mag richtig sein, aber mehr wollte der Kaiser vermuthlich auch den Briten nicht zeigen; sie sollten eben nur die Festung und ein Prnchtschiff sehen; die Flotten, die wahrlich nicht unbedeutend sind, liegen in andern Hasen. Sie können jedoch, wenn nöthig, sehr rasch concentrirt sein, da sie nicht gleich der britischen in allen Meeren zerstreut sind, und die des mittelländischen Meeres können mit Anwendung der Dampfkraft, und da sie von Gibraltar nicht abgesperrt werden können, (dieses ist blos nach dem Hafen, nicht nach der Meerenge zu befestigt) binnen fünf Ta^en im Kanal erscheinen. Die Erinnerung an die Schlacht von Tra- falgar wird sie nicht daran hindern, und der Trost, daß die Franzosen keine so guten Seeleute seien als die Briten, ist ein sehr leidiger. England hat die Seeleute, welche Nelsons Schlachten schlugen, auch nicht mehr, es wird ihm ungemein schwer, seine Flotten zu bemannen, weil die Matrosen den Dienst aus Kauffahrern vorziehen. Man kann das aus den darüber jüngst gepflogenen Parlamentsverhandlungen ersehen, und die Vorgänge an den Küsten der Krim sollten der Regierung mindestens Vorsicht lehren. An den Schlangeninseln waren die Franzosen eher concentrirt als die Engländer, bei Eupatoria rascher ausgeschifft, bei dem Angriff auf Kinburn kamen die mit ihnen gleichzeitig abgesegelten englischen Kriegsschiffe grade zwei Stunden nach beendeten Bom¬ bardement an. Sich selbst zu überschätzen, und seinen Gegner zu gering zu achten, führt immer zu verhängnißv.oller Resultaten. Daß man seiten der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/26>, abgerufen am 03.07.2024.