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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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der Felsenmauer sich ablösen und nur an dem Rücken mit derselben noch zu¬
sammenhängen. Sie stellen Göttergestalten, Götterfamilien und deren Gefolge,
mythologische Scenen und dergleichen dar. Elephantenreliefs sind unten an der
Wand angebracht, als wenn die Mauer von ihnen getragen würde. Diese gi¬
gantischen Felsenarbeiten finden sich besonders auf den Inseln Salsette und Ele-
phante und im Innern der indischen Halbinsel bei Ellora, wo sie die früher
angedeutete, große Ausdehnung haben. Es gibt auch noch andere Anlagen,
wo nicht nur das Innere des Berges in der geschilderten Weise, sondern auch
sein äußerer Umfang entsprechend gestaltet worden, als hätte die Erde aus
sich selber Tempel hervorgehen lassen.

Wandelte hier der Mensch natürliche Berge in Hohlen um, so faßte gegen-
theils ein altes Geschlecht ägyptischer Herrscher oder Tyrannen den kühnen
Entschluß, erst Berge zu schaffen, um in ihnen Höhlen zu gewinnen. Das
sind die Pyramiden Aegyptens, etwa 400 bis fast 500 Fuß hoch und eben¬
so breit in der Quadratfläche, die der Fuß des Baues bedeckt. Wir gehen
indeß in die Betrachtungen, zu welchen diese außerordentlichen Werke, so wie
andere Leistungen der Architektur Anlaß geben, sür jetzt nicht weiter ein.
Die Natur ist es zunächst, welcher der Mensch diese Kunst verdankt; der
Baum gab das Bild der Säule, die Höhle den Gedanken des Gewölbes,
dem gothischen Stil schwebte der Dombau des Waldes vor. Wo viele Hände
zum großen Werke sich einigten, da vermochten sie selbst Berge zu versetzen,
oder künstlerisck umzuwandeln. Doch vermag ein Einzelner noch Herrlicheres
und Bewundernswertheres, als jene zahlreich Schaffenden, zu bauen, wenn
er es versteht, das eigene Herz zum Tempel des Guten und des Schönen
Sz. zu gestalten, nach einem Plan, der für die Ewigkeit berechnet sei.




Die Ethnographie, unter den Einflüssen der Entdeckungsreisen des
18- Jahrhunderts ins Leben getreten, ist in neuester Zeit mit besonderer Liebe
angebaut worden. Es haben sich Gesellschaften von Sammlern für sie ge¬
bildet, zahlreiche Entdeckungsfahrten haben ihr ein massenhaftes Material zu¬
gebracht, und sie ist jetzt bedacht, dasselbe zu systematisiren. In der Reihe
der Erfahrungswissenschaften hat sie ihren Platz bei der Naturbeschreibung und


der Felsenmauer sich ablösen und nur an dem Rücken mit derselben noch zu¬
sammenhängen. Sie stellen Göttergestalten, Götterfamilien und deren Gefolge,
mythologische Scenen und dergleichen dar. Elephantenreliefs sind unten an der
Wand angebracht, als wenn die Mauer von ihnen getragen würde. Diese gi¬
gantischen Felsenarbeiten finden sich besonders auf den Inseln Salsette und Ele-
phante und im Innern der indischen Halbinsel bei Ellora, wo sie die früher
angedeutete, große Ausdehnung haben. Es gibt auch noch andere Anlagen,
wo nicht nur das Innere des Berges in der geschilderten Weise, sondern auch
sein äußerer Umfang entsprechend gestaltet worden, als hätte die Erde aus
sich selber Tempel hervorgehen lassen.

Wandelte hier der Mensch natürliche Berge in Hohlen um, so faßte gegen-
theils ein altes Geschlecht ägyptischer Herrscher oder Tyrannen den kühnen
Entschluß, erst Berge zu schaffen, um in ihnen Höhlen zu gewinnen. Das
sind die Pyramiden Aegyptens, etwa 400 bis fast 500 Fuß hoch und eben¬
so breit in der Quadratfläche, die der Fuß des Baues bedeckt. Wir gehen
indeß in die Betrachtungen, zu welchen diese außerordentlichen Werke, so wie
andere Leistungen der Architektur Anlaß geben, sür jetzt nicht weiter ein.
Die Natur ist es zunächst, welcher der Mensch diese Kunst verdankt; der
Baum gab das Bild der Säule, die Höhle den Gedanken des Gewölbes,
dem gothischen Stil schwebte der Dombau des Waldes vor. Wo viele Hände
zum großen Werke sich einigten, da vermochten sie selbst Berge zu versetzen,
oder künstlerisck umzuwandeln. Doch vermag ein Einzelner noch Herrlicheres
und Bewundernswertheres, als jene zahlreich Schaffenden, zu bauen, wenn
er es versteht, das eigene Herz zum Tempel des Guten und des Schönen
Sz. zu gestalten, nach einem Plan, der für die Ewigkeit berechnet sei.




Die Ethnographie, unter den Einflüssen der Entdeckungsreisen des
18- Jahrhunderts ins Leben getreten, ist in neuester Zeit mit besonderer Liebe
angebaut worden. Es haben sich Gesellschaften von Sammlern für sie ge¬
bildet, zahlreiche Entdeckungsfahrten haben ihr ein massenhaftes Material zu¬
gebracht, und sie ist jetzt bedacht, dasselbe zu systematisiren. In der Reihe
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[0231] der Felsenmauer sich ablösen und nur an dem Rücken mit derselben noch zu¬ sammenhängen. Sie stellen Göttergestalten, Götterfamilien und deren Gefolge, mythologische Scenen und dergleichen dar. Elephantenreliefs sind unten an der Wand angebracht, als wenn die Mauer von ihnen getragen würde. Diese gi¬ gantischen Felsenarbeiten finden sich besonders auf den Inseln Salsette und Ele- phante und im Innern der indischen Halbinsel bei Ellora, wo sie die früher angedeutete, große Ausdehnung haben. Es gibt auch noch andere Anlagen, wo nicht nur das Innere des Berges in der geschilderten Weise, sondern auch sein äußerer Umfang entsprechend gestaltet worden, als hätte die Erde aus sich selber Tempel hervorgehen lassen. Wandelte hier der Mensch natürliche Berge in Hohlen um, so faßte gegen- theils ein altes Geschlecht ägyptischer Herrscher oder Tyrannen den kühnen Entschluß, erst Berge zu schaffen, um in ihnen Höhlen zu gewinnen. Das sind die Pyramiden Aegyptens, etwa 400 bis fast 500 Fuß hoch und eben¬ so breit in der Quadratfläche, die der Fuß des Baues bedeckt. Wir gehen indeß in die Betrachtungen, zu welchen diese außerordentlichen Werke, so wie andere Leistungen der Architektur Anlaß geben, sür jetzt nicht weiter ein. Die Natur ist es zunächst, welcher der Mensch diese Kunst verdankt; der Baum gab das Bild der Säule, die Höhle den Gedanken des Gewölbes, dem gothischen Stil schwebte der Dombau des Waldes vor. Wo viele Hände zum großen Werke sich einigten, da vermochten sie selbst Berge zu versetzen, oder künstlerisck umzuwandeln. Doch vermag ein Einzelner noch Herrlicheres und Bewundernswertheres, als jene zahlreich Schaffenden, zu bauen, wenn er es versteht, das eigene Herz zum Tempel des Guten und des Schönen Sz. zu gestalten, nach einem Plan, der für die Ewigkeit berechnet sei. Die Ethnographie, unter den Einflüssen der Entdeckungsreisen des 18- Jahrhunderts ins Leben getreten, ist in neuester Zeit mit besonderer Liebe angebaut worden. Es haben sich Gesellschaften von Sammlern für sie ge¬ bildet, zahlreiche Entdeckungsfahrten haben ihr ein massenhaftes Material zu¬ gebracht, und sie ist jetzt bedacht, dasselbe zu systematisiren. In der Reihe der Erfahrungswissenschaften hat sie ihren Platz bei der Naturbeschreibung und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/231>, abgerufen am 22.07.2024.