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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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am andern. Ein Landgut ist sodann wieder ein ganz anderes Ding als eine
Taschenuhr. Die letztere kann ich überall hin mit mir transportiren, das
Landgut muß ich wol liegen lassen, wo es liegt. Diese Verschiedenheit des
Landguts von der Taschenuhr wirkt aber wieder auf unser Verhalten zu bei¬
den, auf unser Recht an beiden zurück.

Dies wird genügen, um die Natur und Bedeutung dieses Princips klar
zu stellen. Beweisen wollen wir, wie gesagt, dasselbe nicht, es ist dies von
der Wissenschaft längst geschehen. Nehmen wir also einmal den Satz als
feststehend an: die Verschiedenheit der Rechtsobjecte hat stets auch ein ver¬
schiedenes Verhalten der Menschen zu den Nechtsobjecten und dies eine Ver¬
schiedenheit der Rechte selbst zur Folge, und treten wir mit diesem Satz ein¬
mal an unser obiges Beispiel heran.

Das Object vom Recht des Hauserbauers ist ein großes, sichtbares, greif¬
bares Ding, das er bewohnt, das ihm eine Rente abwirft, das er vielleicht
noch verschönert, das er in Bau und Besserung erhält; das Object vom Recht
des Dichters ist ein unsichtbares, blos für den Geist wahrnehmbares Gebilde
der Phantasie, das er in Druck und Verlag gibt, das ihm Ruhm, Ehre
und Geld einbringt, das er vielleicht noch verändert und verbessert. Wir
sehen, bis jetzt ist noch kein großer Unterschied im Verhalten beider zu
ihren Rechtsobjecten sichtbar, der Thätigkeit des Hauserbaucrs correspondirt
un Allgemeinen fast vollständig die Thätigkeit des Dichters. Dem Dichter
für seine Person hat ja aber auch die Majorität des Kongresses ein un¬
beschränktes Recht zugestanden, nur die Erben des Dichters sollen dies un¬
beschränkte Recht nicht mehr haben. Betrachten wir uns daher einmal die
Erben beider Personen. Der Erbe des Hauserbaucrs bewohnt das Haus,
es wirft ihm eine Rente ab, er verschönert es vielleicht noch, er erhält es in
Bau und Besserung, genug, es gibt keine Thätigkeit seines Erblassers, die er
nicht unbeschadet der Integrität des Hauses auch ausüben könnte; der Erbe
des Dichters gibt das Drama in Druck und Verlag und es bringt ihm da¬
durch Geld ein. Verändern und verbessern kann er es nicht, denn dann bleibt
es nicht mehr das Werk seines Erblassers; Ruhm und Ehre bringt es ihm
auch nicht ein, denn die hängen ausschließlich an der Person des Dichters.
Aber indem er das Drama in Druck und Verlag gibt, erhält er es doch?
Nein, er erhält es auch nicht. Denn^gäbe man den Druck frei, so brauchte
es der Erbe gar nicht in Druck und Verlag zu geben, und es bliebe doch
"halten, vielleicht noch besser als so. Nur auf eine Weise kann der Erbe auf
das Schicksal des Dramas Einfluß gewinnen: er. kann jede neue Auflage
unterlassen und dadurch das Werk seines Erblassers allmälig in Vergessenheit
bringen und unterdrücken. Wir sehen, der Erbe des Dichters kann in keine
der Thätigkeiten eintreten, die sein Erblasser in Bezug auf das Drama cnt-


Grenzbotm IV. 18V8. 27

am andern. Ein Landgut ist sodann wieder ein ganz anderes Ding als eine
Taschenuhr. Die letztere kann ich überall hin mit mir transportiren, das
Landgut muß ich wol liegen lassen, wo es liegt. Diese Verschiedenheit des
Landguts von der Taschenuhr wirkt aber wieder auf unser Verhalten zu bei¬
den, auf unser Recht an beiden zurück.

Dies wird genügen, um die Natur und Bedeutung dieses Princips klar
zu stellen. Beweisen wollen wir, wie gesagt, dasselbe nicht, es ist dies von
der Wissenschaft längst geschehen. Nehmen wir also einmal den Satz als
feststehend an: die Verschiedenheit der Rechtsobjecte hat stets auch ein ver¬
schiedenes Verhalten der Menschen zu den Nechtsobjecten und dies eine Ver¬
schiedenheit der Rechte selbst zur Folge, und treten wir mit diesem Satz ein¬
mal an unser obiges Beispiel heran.

Das Object vom Recht des Hauserbauers ist ein großes, sichtbares, greif¬
bares Ding, das er bewohnt, das ihm eine Rente abwirft, das er vielleicht
noch verschönert, das er in Bau und Besserung erhält; das Object vom Recht
des Dichters ist ein unsichtbares, blos für den Geist wahrnehmbares Gebilde
der Phantasie, das er in Druck und Verlag gibt, das ihm Ruhm, Ehre
und Geld einbringt, das er vielleicht noch verändert und verbessert. Wir
sehen, bis jetzt ist noch kein großer Unterschied im Verhalten beider zu
ihren Rechtsobjecten sichtbar, der Thätigkeit des Hauserbaucrs correspondirt
un Allgemeinen fast vollständig die Thätigkeit des Dichters. Dem Dichter
für seine Person hat ja aber auch die Majorität des Kongresses ein un¬
beschränktes Recht zugestanden, nur die Erben des Dichters sollen dies un¬
beschränkte Recht nicht mehr haben. Betrachten wir uns daher einmal die
Erben beider Personen. Der Erbe des Hauserbaucrs bewohnt das Haus,
es wirft ihm eine Rente ab, er verschönert es vielleicht noch, er erhält es in
Bau und Besserung, genug, es gibt keine Thätigkeit seines Erblassers, die er
nicht unbeschadet der Integrität des Hauses auch ausüben könnte; der Erbe
des Dichters gibt das Drama in Druck und Verlag und es bringt ihm da¬
durch Geld ein. Verändern und verbessern kann er es nicht, denn dann bleibt
es nicht mehr das Werk seines Erblassers; Ruhm und Ehre bringt es ihm
auch nicht ein, denn die hängen ausschließlich an der Person des Dichters.
Aber indem er das Drama in Druck und Verlag gibt, erhält er es doch?
Nein, er erhält es auch nicht. Denn^gäbe man den Druck frei, so brauchte
es der Erbe gar nicht in Druck und Verlag zu geben, und es bliebe doch
"halten, vielleicht noch besser als so. Nur auf eine Weise kann der Erbe auf
das Schicksal des Dramas Einfluß gewinnen: er. kann jede neue Auflage
unterlassen und dadurch das Werk seines Erblassers allmälig in Vergessenheit
bringen und unterdrücken. Wir sehen, der Erbe des Dichters kann in keine
der Thätigkeiten eintreten, die sein Erblasser in Bezug auf das Drama cnt-


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[0217] am andern. Ein Landgut ist sodann wieder ein ganz anderes Ding als eine Taschenuhr. Die letztere kann ich überall hin mit mir transportiren, das Landgut muß ich wol liegen lassen, wo es liegt. Diese Verschiedenheit des Landguts von der Taschenuhr wirkt aber wieder auf unser Verhalten zu bei¬ den, auf unser Recht an beiden zurück. Dies wird genügen, um die Natur und Bedeutung dieses Princips klar zu stellen. Beweisen wollen wir, wie gesagt, dasselbe nicht, es ist dies von der Wissenschaft längst geschehen. Nehmen wir also einmal den Satz als feststehend an: die Verschiedenheit der Rechtsobjecte hat stets auch ein ver¬ schiedenes Verhalten der Menschen zu den Nechtsobjecten und dies eine Ver¬ schiedenheit der Rechte selbst zur Folge, und treten wir mit diesem Satz ein¬ mal an unser obiges Beispiel heran. Das Object vom Recht des Hauserbauers ist ein großes, sichtbares, greif¬ bares Ding, das er bewohnt, das ihm eine Rente abwirft, das er vielleicht noch verschönert, das er in Bau und Besserung erhält; das Object vom Recht des Dichters ist ein unsichtbares, blos für den Geist wahrnehmbares Gebilde der Phantasie, das er in Druck und Verlag gibt, das ihm Ruhm, Ehre und Geld einbringt, das er vielleicht noch verändert und verbessert. Wir sehen, bis jetzt ist noch kein großer Unterschied im Verhalten beider zu ihren Rechtsobjecten sichtbar, der Thätigkeit des Hauserbaucrs correspondirt un Allgemeinen fast vollständig die Thätigkeit des Dichters. Dem Dichter für seine Person hat ja aber auch die Majorität des Kongresses ein un¬ beschränktes Recht zugestanden, nur die Erben des Dichters sollen dies un¬ beschränkte Recht nicht mehr haben. Betrachten wir uns daher einmal die Erben beider Personen. Der Erbe des Hauserbaucrs bewohnt das Haus, es wirft ihm eine Rente ab, er verschönert es vielleicht noch, er erhält es in Bau und Besserung, genug, es gibt keine Thätigkeit seines Erblassers, die er nicht unbeschadet der Integrität des Hauses auch ausüben könnte; der Erbe des Dichters gibt das Drama in Druck und Verlag und es bringt ihm da¬ durch Geld ein. Verändern und verbessern kann er es nicht, denn dann bleibt es nicht mehr das Werk seines Erblassers; Ruhm und Ehre bringt es ihm auch nicht ein, denn die hängen ausschließlich an der Person des Dichters. Aber indem er das Drama in Druck und Verlag gibt, erhält er es doch? Nein, er erhält es auch nicht. Denn^gäbe man den Druck frei, so brauchte es der Erbe gar nicht in Druck und Verlag zu geben, und es bliebe doch "halten, vielleicht noch besser als so. Nur auf eine Weise kann der Erbe auf das Schicksal des Dramas Einfluß gewinnen: er. kann jede neue Auflage unterlassen und dadurch das Werk seines Erblassers allmälig in Vergessenheit bringen und unterdrücken. Wir sehen, der Erbe des Dichters kann in keine der Thätigkeiten eintreten, die sein Erblasser in Bezug auf das Drama cnt- Grenzbotm IV. 18V8. 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/217>, abgerufen am 03.07.2024.