Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.und die natürliche- Entwicklung der Grundlagen, welche ihnen ihre Stellung "In der Mitte Deutschland und Oestreich. Im eigentlichsten Mittelpunkt und die natürliche- Entwicklung der Grundlagen, welche ihnen ihre Stellung „In der Mitte Deutschland und Oestreich. Im eigentlichsten Mittelpunkt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0204" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/266013"/> <p xml:id="ID_510" prev="#ID_509"> und die natürliche- Entwicklung der Grundlagen, welche ihnen ihre Stellung<lb/> gegeben, sind also die Staaten angewiesen und Geschichte des europäischen<lb/> Gleichgewichtes heißt Entwicklung der Umstünde und Bedingungen, durch welche<lb/> sich das gegenwärtige Machtverhältniß der europäischen Staaten gebildet. Die<lb/> wichtigsten Ereignisse dieser Geschichte des Gleichgewichtes fallen unter zwei<lb/> Kategorien: einmal Störung des bestehenden Verhältnisses durch Ueberhebung<lb/> eines Staates und der Zurückweisung dieser Störung, sodann Verschiebung<lb/> der bisherigen Stellung.durch das Emporkommen neuer politischer Größen.<lb/> Im Beginn der Neuzeit standen als Hauptmächte da Frankreich, England und<lb/> die Habsburgische Hausmacht; letztere drohte zuerst sich zur Weltmonarchie zu<lb/> erheben, Frankreich hauptsächlich bekämpfte sie. Dann trat eine Reaction<lb/> ein gegen die drohende Ausbreitung der bourbonischen Macht, der Geruch der<lb/> Lilien ward zu stark in Europa, wie der große Kurfürst sagte, und England,<lb/> bisher durch seine Eifersucht auf Holland beschäftigt, übernahm seit Wilhelm III.<lb/> die Leitung des Kampfes gegen Frankreich, es gründete hierin seine Seeherr¬<lb/> schaft und sein Kolonialreichs aus dem es unermeßliche neue Hilfsquellen zog,<lb/> ohne seine Grenzen in Europa wesentlich zu erweitern. Inzwischen wuchs der<lb/> Verbündete des großen Oranien, Brandenburg, zu einer selbstständigen Macht<lb/> heran, und Rußland trat seit Peter I. handelnd in die Reihe der europäischen<lb/> Staaten ein, während Schweden, Holland und Spanien mehr zurücktraten.<lb/> Zur selben Zeit, wo ein gefährlicher Nachbar an seiner Ostgrenze erwuchs,<lb/> fand Deutschland, das seit dem westphälischen Frieden nicht mehr der posi¬<lb/> tive, sondern nur der negative Pol Europas war, einen nationalen Führer<lb/> und Vertreter, um den sich seine zerstreuten Glieder sammeln konnten, wie es<lb/> zum erstenmale im Fürstenbund geschah. Die Sündflut der napoleonischen<lb/> Kriege war ein Zwischcnact, nach welchem sich dies System nur noch klarer<lb/> auf dem Kongreß von Wien ausbildete. Unser Verfasser gibt in seinem Capitel ><lb/> „Profile" eine lebendige und gedrungne Skizze des europäischen Staaten¬<lb/> systems.</p><lb/> <p xml:id="ID_511" next="#ID_512"> „In der Mitte Deutschland und Oestreich. Im eigentlichsten Mittelpunkt<lb/> Deutschland, in sich selbst ein Staatensystem, als dessen natürlicher Träger<lb/> Preußen erscheint, Oestreich an jenes sich anlehnend und eng mit ihm verknüpft,<lb/> mit seinem Rumpfe aber überwiegend nach dem Osten, nach dem Orient sich<lb/> senkend. Im Osten Europas Rußland mit seiner ungeheuern Masse hoch den<lb/> Norden füllend und tief den Süden. Im Westen Frankreich, jenseits frei und<lb/> kühn auf den Ocean blickend, diesseits Deutschland beschauend. Nordwestlich<lb/> endlich England, seeumgürtet, die Meere beherrschend. Das ist das Haupt¬<lb/> profil. Dasselbe ergänzend erscheinen in zweiter Linie im Norden die skandi¬<lb/> navischen Staaten, im Südwesten die pyrenäische Halbinsel, isolirt And schwach/<lb/> im Süden die apenninische Halbinsel, ihren schlanken Körper tief hinunter-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0204]
und die natürliche- Entwicklung der Grundlagen, welche ihnen ihre Stellung
gegeben, sind also die Staaten angewiesen und Geschichte des europäischen
Gleichgewichtes heißt Entwicklung der Umstünde und Bedingungen, durch welche
sich das gegenwärtige Machtverhältniß der europäischen Staaten gebildet. Die
wichtigsten Ereignisse dieser Geschichte des Gleichgewichtes fallen unter zwei
Kategorien: einmal Störung des bestehenden Verhältnisses durch Ueberhebung
eines Staates und der Zurückweisung dieser Störung, sodann Verschiebung
der bisherigen Stellung.durch das Emporkommen neuer politischer Größen.
Im Beginn der Neuzeit standen als Hauptmächte da Frankreich, England und
die Habsburgische Hausmacht; letztere drohte zuerst sich zur Weltmonarchie zu
erheben, Frankreich hauptsächlich bekämpfte sie. Dann trat eine Reaction
ein gegen die drohende Ausbreitung der bourbonischen Macht, der Geruch der
Lilien ward zu stark in Europa, wie der große Kurfürst sagte, und England,
bisher durch seine Eifersucht auf Holland beschäftigt, übernahm seit Wilhelm III.
die Leitung des Kampfes gegen Frankreich, es gründete hierin seine Seeherr¬
schaft und sein Kolonialreichs aus dem es unermeßliche neue Hilfsquellen zog,
ohne seine Grenzen in Europa wesentlich zu erweitern. Inzwischen wuchs der
Verbündete des großen Oranien, Brandenburg, zu einer selbstständigen Macht
heran, und Rußland trat seit Peter I. handelnd in die Reihe der europäischen
Staaten ein, während Schweden, Holland und Spanien mehr zurücktraten.
Zur selben Zeit, wo ein gefährlicher Nachbar an seiner Ostgrenze erwuchs,
fand Deutschland, das seit dem westphälischen Frieden nicht mehr der posi¬
tive, sondern nur der negative Pol Europas war, einen nationalen Führer
und Vertreter, um den sich seine zerstreuten Glieder sammeln konnten, wie es
zum erstenmale im Fürstenbund geschah. Die Sündflut der napoleonischen
Kriege war ein Zwischcnact, nach welchem sich dies System nur noch klarer
auf dem Kongreß von Wien ausbildete. Unser Verfasser gibt in seinem Capitel >
„Profile" eine lebendige und gedrungne Skizze des europäischen Staaten¬
systems.
„In der Mitte Deutschland und Oestreich. Im eigentlichsten Mittelpunkt
Deutschland, in sich selbst ein Staatensystem, als dessen natürlicher Träger
Preußen erscheint, Oestreich an jenes sich anlehnend und eng mit ihm verknüpft,
mit seinem Rumpfe aber überwiegend nach dem Osten, nach dem Orient sich
senkend. Im Osten Europas Rußland mit seiner ungeheuern Masse hoch den
Norden füllend und tief den Süden. Im Westen Frankreich, jenseits frei und
kühn auf den Ocean blickend, diesseits Deutschland beschauend. Nordwestlich
endlich England, seeumgürtet, die Meere beherrschend. Das ist das Haupt¬
profil. Dasselbe ergänzend erscheinen in zweiter Linie im Norden die skandi¬
navischen Staaten, im Südwesten die pyrenäische Halbinsel, isolirt And schwach/
im Süden die apenninische Halbinsel, ihren schlanken Körper tief hinunter-
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