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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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deuten der Kammer bot blos die Gelegenheit, um präventiv zu vollführen,
was jeder Wahrscheinlichkeit nach für alle Fälle beschlossen war. Aber auch
die praktische Consequenz kann schwerlich ausbleiben, wenn überhaupt die Aus¬
lösung denjenigen Erfolg haben soll, welcher nach dem Vorausgegangenen
einzig vom Ministerium gewünscht werden kann, nämlich die Entstehung einer
gefügigen Abgeordnetenkammer. Diese praktische Consequenz heißt: Octroyirung
eines Wahlgesetzes, dessen Grundlagen parlamentarisch verworfen sind und
dessen neue Bearbeitung man der Landesvertretung nicht einmal vorzulegen
wagte.




Der Zauberer von Rom.

Roman in neun Büchern von K. Gutzkow 1. Bd. Leipzig. Brockhaus.

Lucinde ist die Tochter eines armen Schulmeisters in einem hessischen
Dorf, der seine starke Familie nur mit Mühe ernähren kann und der es da¬
her wie eine große Wohlthat begrüßt, als eine Dame aus der Residenz-seine
älteste Tochter entführt, um sie gewissermaßen zu adoptiren und ihr Glück zu
machen. Leider ist diese Dame eine zweite Chouette, die wegen ihrer Mi߬
handlungen gegen die Dienstboten so verrufen ist. daß sie in der Stadt keine
Magd findet und sich daher auf diese Weise eine vom Lande holt. Anderthalb Jahr
hindurch mißhandelt sie Lucinde auf jede erdenkliche Weise, hauptsächlich durch
Hunger: einmal muß sie sich mit Pflaumenkernen sättigen, wobei die gnädige
Frau ihr empfiehlt, Wasser nachzutrinken, damit sie im Leibe aufquellen; ein¬
mal wird auch angedeutet, daß sie sie mit Mäusen füttert, obgleich man über
diesen Umstand nicht ganz ins Klare kommt, da die Erzählung zuweilen un¬
deutlich ist. Jedenfalls hat die gnädige Frau die seltsame Eigenschaft, die
Mäuse auf dem Boden eigenhändig zu fangen und reihenweise an den
Schwänzen aufzuhängen. Endlich befreit die Polizei Lucinde von ihrer
Peinigerin, und sie tritt bei einer wohlhabenden Familie in Dienst, wo
sie fast wie ein Fräulein behandelt wird. Doch lernt sie bald die Schatten¬
seiten des Lebens kennen. So belauscht sie z. B. .eine vornehme Dame
die sich sehr stark aufs Stehlen legt und den Kaufmanns, der sie angeber
will, dadurch beschwichtigt, daß sie ihm ihre Gunst schenkt. Wegen einer
starken Neigung zur Koketterie wird Lucinde endlich der Familie lästg.
und es findet sich grade ein junger Commis, der ihr schon lange den .Hof


deuten der Kammer bot blos die Gelegenheit, um präventiv zu vollführen,
was jeder Wahrscheinlichkeit nach für alle Fälle beschlossen war. Aber auch
die praktische Consequenz kann schwerlich ausbleiben, wenn überhaupt die Aus¬
lösung denjenigen Erfolg haben soll, welcher nach dem Vorausgegangenen
einzig vom Ministerium gewünscht werden kann, nämlich die Entstehung einer
gefügigen Abgeordnetenkammer. Diese praktische Consequenz heißt: Octroyirung
eines Wahlgesetzes, dessen Grundlagen parlamentarisch verworfen sind und
dessen neue Bearbeitung man der Landesvertretung nicht einmal vorzulegen
wagte.




Der Zauberer von Rom.

Roman in neun Büchern von K. Gutzkow 1. Bd. Leipzig. Brockhaus.

Lucinde ist die Tochter eines armen Schulmeisters in einem hessischen
Dorf, der seine starke Familie nur mit Mühe ernähren kann und der es da¬
her wie eine große Wohlthat begrüßt, als eine Dame aus der Residenz-seine
älteste Tochter entführt, um sie gewissermaßen zu adoptiren und ihr Glück zu
machen. Leider ist diese Dame eine zweite Chouette, die wegen ihrer Mi߬
handlungen gegen die Dienstboten so verrufen ist. daß sie in der Stadt keine
Magd findet und sich daher auf diese Weise eine vom Lande holt. Anderthalb Jahr
hindurch mißhandelt sie Lucinde auf jede erdenkliche Weise, hauptsächlich durch
Hunger: einmal muß sie sich mit Pflaumenkernen sättigen, wobei die gnädige
Frau ihr empfiehlt, Wasser nachzutrinken, damit sie im Leibe aufquellen; ein¬
mal wird auch angedeutet, daß sie sie mit Mäusen füttert, obgleich man über
diesen Umstand nicht ganz ins Klare kommt, da die Erzählung zuweilen un¬
deutlich ist. Jedenfalls hat die gnädige Frau die seltsame Eigenschaft, die
Mäuse auf dem Boden eigenhändig zu fangen und reihenweise an den
Schwänzen aufzuhängen. Endlich befreit die Polizei Lucinde von ihrer
Peinigerin, und sie tritt bei einer wohlhabenden Familie in Dienst, wo
sie fast wie ein Fräulein behandelt wird. Doch lernt sie bald die Schatten¬
seiten des Lebens kennen. So belauscht sie z. B. .eine vornehme Dame
die sich sehr stark aufs Stehlen legt und den Kaufmanns, der sie angeber
will, dadurch beschwichtigt, daß sie ihm ihre Gunst schenkt. Wegen einer
starken Neigung zur Koketterie wird Lucinde endlich der Familie lästg.
und es findet sich grade ein junger Commis, der ihr schon lange den .Hof


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[0196] deuten der Kammer bot blos die Gelegenheit, um präventiv zu vollführen, was jeder Wahrscheinlichkeit nach für alle Fälle beschlossen war. Aber auch die praktische Consequenz kann schwerlich ausbleiben, wenn überhaupt die Aus¬ lösung denjenigen Erfolg haben soll, welcher nach dem Vorausgegangenen einzig vom Ministerium gewünscht werden kann, nämlich die Entstehung einer gefügigen Abgeordnetenkammer. Diese praktische Consequenz heißt: Octroyirung eines Wahlgesetzes, dessen Grundlagen parlamentarisch verworfen sind und dessen neue Bearbeitung man der Landesvertretung nicht einmal vorzulegen wagte. Der Zauberer von Rom. Roman in neun Büchern von K. Gutzkow 1. Bd. Leipzig. Brockhaus. Lucinde ist die Tochter eines armen Schulmeisters in einem hessischen Dorf, der seine starke Familie nur mit Mühe ernähren kann und der es da¬ her wie eine große Wohlthat begrüßt, als eine Dame aus der Residenz-seine älteste Tochter entführt, um sie gewissermaßen zu adoptiren und ihr Glück zu machen. Leider ist diese Dame eine zweite Chouette, die wegen ihrer Mi߬ handlungen gegen die Dienstboten so verrufen ist. daß sie in der Stadt keine Magd findet und sich daher auf diese Weise eine vom Lande holt. Anderthalb Jahr hindurch mißhandelt sie Lucinde auf jede erdenkliche Weise, hauptsächlich durch Hunger: einmal muß sie sich mit Pflaumenkernen sättigen, wobei die gnädige Frau ihr empfiehlt, Wasser nachzutrinken, damit sie im Leibe aufquellen; ein¬ mal wird auch angedeutet, daß sie sie mit Mäusen füttert, obgleich man über diesen Umstand nicht ganz ins Klare kommt, da die Erzählung zuweilen un¬ deutlich ist. Jedenfalls hat die gnädige Frau die seltsame Eigenschaft, die Mäuse auf dem Boden eigenhändig zu fangen und reihenweise an den Schwänzen aufzuhängen. Endlich befreit die Polizei Lucinde von ihrer Peinigerin, und sie tritt bei einer wohlhabenden Familie in Dienst, wo sie fast wie ein Fräulein behandelt wird. Doch lernt sie bald die Schatten¬ seiten des Lebens kennen. So belauscht sie z. B. .eine vornehme Dame die sich sehr stark aufs Stehlen legt und den Kaufmanns, der sie angeber will, dadurch beschwichtigt, daß sie ihm ihre Gunst schenkt. Wegen einer starken Neigung zur Koketterie wird Lucinde endlich der Familie lästg. und es findet sich grade ein junger Commis, der ihr schon lange den .Hof

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/196>, abgerufen am 29.06.2024.