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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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gegen konnte die Pfälzer Zeitung schon vor Beendigung der Neuwahlen mit
Genugthuung von einem königlichen Handschreiben an die beiden Verwaltungs-
chess der Pfalz melden, "in welchem diesen bewährten Beamten für ihre alle
Zeit treue Pflichterfüllung die allerhöchste Anerkennung mit dem Bemerken aus¬
gesprochen wurde, daß Se. Majestät solche treue Diener zu schützen wisse und
dieselben jederzeit der königlichen Huld und Gnade versichert sein dürften."

Diese Wahlsragen hatten indessen die Kammer nicht gehindert, durch Vota
für provisorische Forterhebung der Steuern, für den Fortbestand des Lottos
bis zum Jahresschluß, für Anerkennung der Staatsabrechnungen von 1852--53
u. f. w., den nächsten Wünschen und laufenden Bedürfnissen der Staats¬
regierung in conscrvativster Weise Rechnung zu tragen. Indessen sollte das
alte Jahr nicht enden, ohne mit dem wieder eingebrachten Gerichtsvrganisa-
tionsgesetz die principiellen Kämpfe abermals auf die Tagesordnung zu stellen.
Diese Gerichtsorganisation war bekanntlich ein leidiger alter Streitpunkt, der
überdies eigentlich seit Jahren parlamentarisch erledigt und ganz ausschließlich
durch die Regierung noch immer hingeschleppt war. Denn schon 1850 war
das diesfällsige Gesetz nach langen, überaus unerquicklichen Verhandlungen da¬
durch zur Annahme gelangt, daß die damalige Lerchenfeldsche Majorität (des
Centrums). Um nur überhaupt nach dieser Seite hin eine Entwicklungsbewe¬
gung herzustellen, auf alle ihre principiellen Bedenken gegen den Regierungs-
cntwurf verzichtet und denselben mit höchst geringen Modificntionen zum Be¬
schluß erhoben hatte. Allein auch dies äußerste Maß parlamentarischer Nach¬
giebigkeit und Selbstverleugnung war erfolglos geblieben. Das Gesetz blieb
unausgeführt, nichts deutete darauf, daß selbst nur an die ersten Vorberei¬
tungen für sein Jnslebentreten gedacht werde. Umsonst waren auch mehrfache
ernste parlamentarische Mahnungen daran geblieben; man hatte sich selbst
nicht gescheut, die Person des Königs, seine persönliche Abneigung gegen die
Bestimmungen des Gesetzes den Angriffen ans die Staatsverwaltung als Schild
entgegenzuhalten und dadurch die parlamentarischen Mahnungen wie Feind¬
seligkeiten gegen die geheiligte Person des Staatsoberhauptes zu drapiren.
Unterdessen litt aber das Justizwesen unter den schwersten Mißstünden. Na¬
mentlich waren die Landgerichte, weil ohne bestimmte Begrenzung ihrer Kom¬
petenz, von einer solchen Unmasse der verschiedenartigsten und unerledigten
Geschäfte überflutet, daß selbst die offizielle und offiziöse Presse nicht in Ab¬
rede zu stellen vermochte, wie bei der Fortdauer dieser Zustünde ein allgemeiner
Geschäftsbankerott fast unausweichlich werde. Dennoch bedürfte es neuer und
energischer Mahnungen und der Drohung, die Budgetbewilligungen davon
abhängig zu machen, ehe ein revidirter Gesetzentwurf mit denjenigen Modi-
ficationen, welche die Staatsregierung für unumgänglich erklärte, der Kammer
vorgelegt wurde. An der Spitze des begutachtenden Ausschusses stand nun


gegen konnte die Pfälzer Zeitung schon vor Beendigung der Neuwahlen mit
Genugthuung von einem königlichen Handschreiben an die beiden Verwaltungs-
chess der Pfalz melden, „in welchem diesen bewährten Beamten für ihre alle
Zeit treue Pflichterfüllung die allerhöchste Anerkennung mit dem Bemerken aus¬
gesprochen wurde, daß Se. Majestät solche treue Diener zu schützen wisse und
dieselben jederzeit der königlichen Huld und Gnade versichert sein dürften."

Diese Wahlsragen hatten indessen die Kammer nicht gehindert, durch Vota
für provisorische Forterhebung der Steuern, für den Fortbestand des Lottos
bis zum Jahresschluß, für Anerkennung der Staatsabrechnungen von 1852—53
u. f. w., den nächsten Wünschen und laufenden Bedürfnissen der Staats¬
regierung in conscrvativster Weise Rechnung zu tragen. Indessen sollte das
alte Jahr nicht enden, ohne mit dem wieder eingebrachten Gerichtsvrganisa-
tionsgesetz die principiellen Kämpfe abermals auf die Tagesordnung zu stellen.
Diese Gerichtsorganisation war bekanntlich ein leidiger alter Streitpunkt, der
überdies eigentlich seit Jahren parlamentarisch erledigt und ganz ausschließlich
durch die Regierung noch immer hingeschleppt war. Denn schon 1850 war
das diesfällsige Gesetz nach langen, überaus unerquicklichen Verhandlungen da¬
durch zur Annahme gelangt, daß die damalige Lerchenfeldsche Majorität (des
Centrums). Um nur überhaupt nach dieser Seite hin eine Entwicklungsbewe¬
gung herzustellen, auf alle ihre principiellen Bedenken gegen den Regierungs-
cntwurf verzichtet und denselben mit höchst geringen Modificntionen zum Be¬
schluß erhoben hatte. Allein auch dies äußerste Maß parlamentarischer Nach¬
giebigkeit und Selbstverleugnung war erfolglos geblieben. Das Gesetz blieb
unausgeführt, nichts deutete darauf, daß selbst nur an die ersten Vorberei¬
tungen für sein Jnslebentreten gedacht werde. Umsonst waren auch mehrfache
ernste parlamentarische Mahnungen daran geblieben; man hatte sich selbst
nicht gescheut, die Person des Königs, seine persönliche Abneigung gegen die
Bestimmungen des Gesetzes den Angriffen ans die Staatsverwaltung als Schild
entgegenzuhalten und dadurch die parlamentarischen Mahnungen wie Feind¬
seligkeiten gegen die geheiligte Person des Staatsoberhauptes zu drapiren.
Unterdessen litt aber das Justizwesen unter den schwersten Mißstünden. Na¬
mentlich waren die Landgerichte, weil ohne bestimmte Begrenzung ihrer Kom¬
petenz, von einer solchen Unmasse der verschiedenartigsten und unerledigten
Geschäfte überflutet, daß selbst die offizielle und offiziöse Presse nicht in Ab¬
rede zu stellen vermochte, wie bei der Fortdauer dieser Zustünde ein allgemeiner
Geschäftsbankerott fast unausweichlich werde. Dennoch bedürfte es neuer und
energischer Mahnungen und der Drohung, die Budgetbewilligungen davon
abhängig zu machen, ehe ein revidirter Gesetzentwurf mit denjenigen Modi-
ficationen, welche die Staatsregierung für unumgänglich erklärte, der Kammer
vorgelegt wurde. An der Spitze des begutachtenden Ausschusses stand nun


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[0188] gegen konnte die Pfälzer Zeitung schon vor Beendigung der Neuwahlen mit Genugthuung von einem königlichen Handschreiben an die beiden Verwaltungs- chess der Pfalz melden, „in welchem diesen bewährten Beamten für ihre alle Zeit treue Pflichterfüllung die allerhöchste Anerkennung mit dem Bemerken aus¬ gesprochen wurde, daß Se. Majestät solche treue Diener zu schützen wisse und dieselben jederzeit der königlichen Huld und Gnade versichert sein dürften." Diese Wahlsragen hatten indessen die Kammer nicht gehindert, durch Vota für provisorische Forterhebung der Steuern, für den Fortbestand des Lottos bis zum Jahresschluß, für Anerkennung der Staatsabrechnungen von 1852—53 u. f. w., den nächsten Wünschen und laufenden Bedürfnissen der Staats¬ regierung in conscrvativster Weise Rechnung zu tragen. Indessen sollte das alte Jahr nicht enden, ohne mit dem wieder eingebrachten Gerichtsvrganisa- tionsgesetz die principiellen Kämpfe abermals auf die Tagesordnung zu stellen. Diese Gerichtsorganisation war bekanntlich ein leidiger alter Streitpunkt, der überdies eigentlich seit Jahren parlamentarisch erledigt und ganz ausschließlich durch die Regierung noch immer hingeschleppt war. Denn schon 1850 war das diesfällsige Gesetz nach langen, überaus unerquicklichen Verhandlungen da¬ durch zur Annahme gelangt, daß die damalige Lerchenfeldsche Majorität (des Centrums). Um nur überhaupt nach dieser Seite hin eine Entwicklungsbewe¬ gung herzustellen, auf alle ihre principiellen Bedenken gegen den Regierungs- cntwurf verzichtet und denselben mit höchst geringen Modificntionen zum Be¬ schluß erhoben hatte. Allein auch dies äußerste Maß parlamentarischer Nach¬ giebigkeit und Selbstverleugnung war erfolglos geblieben. Das Gesetz blieb unausgeführt, nichts deutete darauf, daß selbst nur an die ersten Vorberei¬ tungen für sein Jnslebentreten gedacht werde. Umsonst waren auch mehrfache ernste parlamentarische Mahnungen daran geblieben; man hatte sich selbst nicht gescheut, die Person des Königs, seine persönliche Abneigung gegen die Bestimmungen des Gesetzes den Angriffen ans die Staatsverwaltung als Schild entgegenzuhalten und dadurch die parlamentarischen Mahnungen wie Feind¬ seligkeiten gegen die geheiligte Person des Staatsoberhauptes zu drapiren. Unterdessen litt aber das Justizwesen unter den schwersten Mißstünden. Na¬ mentlich waren die Landgerichte, weil ohne bestimmte Begrenzung ihrer Kom¬ petenz, von einer solchen Unmasse der verschiedenartigsten und unerledigten Geschäfte überflutet, daß selbst die offizielle und offiziöse Presse nicht in Ab¬ rede zu stellen vermochte, wie bei der Fortdauer dieser Zustünde ein allgemeiner Geschäftsbankerott fast unausweichlich werde. Dennoch bedürfte es neuer und energischer Mahnungen und der Drohung, die Budgetbewilligungen davon abhängig zu machen, ehe ein revidirter Gesetzentwurf mit denjenigen Modi- ficationen, welche die Staatsregierung für unumgänglich erklärte, der Kammer vorgelegt wurde. An der Spitze des begutachtenden Ausschusses stand nun

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/188>, abgerufen am 26.07.2024.