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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Gruppe sitzt hoch auf hölzernem Rosse der biedere Sandwirth, in die comple-
mentaren Farben, Noth und Grün, gekleidet, in heftiger Action be¬
griffen, hinter ihm gleichfalls in pathetischer Stellung Haspinger, in der einen
Hand den häßlichsten Tamboursäbel, der jemals in der östreichischen Armee
existirte, in der andern ein Crucifix schwingend. Von allen Seiten strömen die
Freiwilligen herbei, Weiber laden Waffen, Gatten umarmen sich, Kinder
schreien, Männer fluchen, ein Schneider, nach seinem hungrigen Ansehen zu
schließen, mnssacrirt einen Franzosen, kurz gar lebendig geht es im Norder¬
grund zu. Nicht minder episodenrcich ist der Hintergrund. Rechts knallen
die Büchsen und sehen wir die Flammen eines angezündeten Dorfes empor¬
lodern, links läßt sich vor dem Wirthshause ein Freiwilliger von der Frau
Wirthin noch einen Schcidetrunk einschenken, nach der Mitte zu öffnen sich die
Thüren eines Kirchleins, um eine Procession mit allem Zubehör herauszu¬
lassen. Ganz hinten endlich, möchten wir beinahe sage", wackeln die Berge
mit ihren Köpfen über ein solches Durcheinanderschüttein von Episoden, über
den gänzlichen Mangel an dramatischer Einheit sowol. wie malerischer Durch¬
führung. Als Kunstwerk steht dieses Bild grade so hoch, wie sein Held als
Feldherr und Staatsmann. Sobald wir aber den Blick zu- den Kochschcn
Landschaften wenden, wird unsere Meinung von der Künstlerkraft des Meisters
gar gewaltig verändert. Ohne Einschränkung können wir das Lob freilich
nicht gelten lassen. Kochs Schweizerlandschaften sind einfach mißlungen zu
nennen, seiner Auffassung nordischer Bergnatur fehlt die Wahrheit, fehlt aller
Charakter. Auch die Landschaften mit Apoll unter den Hirten und mit Ja¬
kobs Heimkehr als Staffage berühren unangenehm durch die-bunte, fast
schreiende Mannigfaltigkeit der Farbentöne. Die zuletzt erwähnte Staffage
hat Cornelius in die Landschaft hineingemalt, keineswegs zum Vortheil für das
Werk, da das von Cornelius angewendete Colorit dem Tone der Landschaft
vollkommen widerspricht. Dagegen sind die Schilderungen der Ruinen des
Kaiserpalastes, des Lago ti Nemi, des Albanersees unendlich seelenvoll in der
Auffassung, harmonisch in der Stimmung und vor allem reich an schönen
Linien. Wir möchten wol zuweilen wünschen, Koch hätte nicht zu viel in die
Natur hineingebaut, die Charakteristik nicht durch Pleonasmen beschwert (in
einer biblischen Landschaft z. B. mit Boas und Ruth wird das Thema jder
Fruchtbarkeit, das schon aus der landschaftlichen Schilderung vollkommen
klar ist, noch durch eine dreifache Staffage überflüssig erläutert), aber ein
tiefer poetischer Schwung der Empfindung, ein seiner und reiner Liniensinn
machen alle diese Mängel vergessen und lassen einen nachhaltigen Eindruck im
Beschauer zurück. Wir haben seit den letzten zwanzig Jahren so viel in Licht-
essccrcn und frappanten Wirkungen der Landschaftsmalerei geschwelgt, das
stofflich Große und Interessante von der Landschaftsmalerei gepflegt gewahrt,


Gruppe sitzt hoch auf hölzernem Rosse der biedere Sandwirth, in die comple-
mentaren Farben, Noth und Grün, gekleidet, in heftiger Action be¬
griffen, hinter ihm gleichfalls in pathetischer Stellung Haspinger, in der einen
Hand den häßlichsten Tamboursäbel, der jemals in der östreichischen Armee
existirte, in der andern ein Crucifix schwingend. Von allen Seiten strömen die
Freiwilligen herbei, Weiber laden Waffen, Gatten umarmen sich, Kinder
schreien, Männer fluchen, ein Schneider, nach seinem hungrigen Ansehen zu
schließen, mnssacrirt einen Franzosen, kurz gar lebendig geht es im Norder¬
grund zu. Nicht minder episodenrcich ist der Hintergrund. Rechts knallen
die Büchsen und sehen wir die Flammen eines angezündeten Dorfes empor¬
lodern, links läßt sich vor dem Wirthshause ein Freiwilliger von der Frau
Wirthin noch einen Schcidetrunk einschenken, nach der Mitte zu öffnen sich die
Thüren eines Kirchleins, um eine Procession mit allem Zubehör herauszu¬
lassen. Ganz hinten endlich, möchten wir beinahe sage», wackeln die Berge
mit ihren Köpfen über ein solches Durcheinanderschüttein von Episoden, über
den gänzlichen Mangel an dramatischer Einheit sowol. wie malerischer Durch¬
führung. Als Kunstwerk steht dieses Bild grade so hoch, wie sein Held als
Feldherr und Staatsmann. Sobald wir aber den Blick zu- den Kochschcn
Landschaften wenden, wird unsere Meinung von der Künstlerkraft des Meisters
gar gewaltig verändert. Ohne Einschränkung können wir das Lob freilich
nicht gelten lassen. Kochs Schweizerlandschaften sind einfach mißlungen zu
nennen, seiner Auffassung nordischer Bergnatur fehlt die Wahrheit, fehlt aller
Charakter. Auch die Landschaften mit Apoll unter den Hirten und mit Ja¬
kobs Heimkehr als Staffage berühren unangenehm durch die-bunte, fast
schreiende Mannigfaltigkeit der Farbentöne. Die zuletzt erwähnte Staffage
hat Cornelius in die Landschaft hineingemalt, keineswegs zum Vortheil für das
Werk, da das von Cornelius angewendete Colorit dem Tone der Landschaft
vollkommen widerspricht. Dagegen sind die Schilderungen der Ruinen des
Kaiserpalastes, des Lago ti Nemi, des Albanersees unendlich seelenvoll in der
Auffassung, harmonisch in der Stimmung und vor allem reich an schönen
Linien. Wir möchten wol zuweilen wünschen, Koch hätte nicht zu viel in die
Natur hineingebaut, die Charakteristik nicht durch Pleonasmen beschwert (in
einer biblischen Landschaft z. B. mit Boas und Ruth wird das Thema jder
Fruchtbarkeit, das schon aus der landschaftlichen Schilderung vollkommen
klar ist, noch durch eine dreifache Staffage überflüssig erläutert), aber ein
tiefer poetischer Schwung der Empfindung, ein seiner und reiner Liniensinn
machen alle diese Mängel vergessen und lassen einen nachhaltigen Eindruck im
Beschauer zurück. Wir haben seit den letzten zwanzig Jahren so viel in Licht-
essccrcn und frappanten Wirkungen der Landschaftsmalerei geschwelgt, das
stofflich Große und Interessante von der Landschaftsmalerei gepflegt gewahrt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/18>, abgerufen am 02.07.2024.