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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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ihre Wohnungen mit Kränzen und brennenden Lampen schmückten; andere be¬
suchten auch Synagogen und schickten'die Tempelsteuer nach Jerusalem. Daß
es in der Zeit der vollendeten Göttcrmischung Heiden gab, welche mit Götzen¬
diensten aller Art auch eine Christusverehrung verbanden, würde schon das
Beispiel des Kaisers Alexander Severus beweisen, der die Stifter aller Reli¬
gionen in seiner Hauskapelle ausstellte, wo neben Orpheus und Apollonius
von Tyana auch Abraham und Christus Platz fanden.

Als die ehrwürdigsten, geheimnißvollsten und wunderbarsten Gestalten
ragten unter diesem bunten Gemisch die uralten Götter Aegyptens hervor.
Vergebens wurde die Einführung ihres Dienstes in Rom durch wiederholte
Senatsbeschlüsse verboten. Ais einer derselben die Zerstörung der Isistempel
in Rom befahl und keiner der dazu bestellten Arbeiter dem Befehl Folge zu
leisten wagte, wcckf der Consul Aemilius Paullus (wahrscheinlich der Besieger
des Perseus) die purpurbesüumte Toga ab, ergriff das Beil und führte selbst
den ersten Hieb auf die Tempelpforte. Trotz aller Verbote und Maßregeln
breitete sich dieser Cult mehr und mehr aus, und im Jahr 43 v. Chr. er¬
bauten die zweiten Triumvirn bereits den ersten öffentlichen Tempel der Isis
in Rom, deren Verehrung sich namentlich unter den Frauen mit reißender
Schnelligkeit^ ausbreitete. In den Liebcselcgien der Augustischen Zeit wird
oft ihrer Andachten gedacht, die zwar häusig ihren Verehrern Gelegenheit
gaben, sie zu sehen und zu sprechen, oft aber auch wegen der dabei zu beob¬
achtenden Enthaltsamkeit verwünscht wurden. Der Isistempel in Pompeji ist
ein Zeugniß von der Ausbreitung des Dienstes außerhalb Roms im ersten
Jahrhundert. Laut der Inschrift hat ein N. Popidius Celfinus ihn nach der
Zerstörung durch das Erdbeben im Jahr 63 neu erbaut. Eine Statue der
Isis in einem florartigen Gewände. Nauchpfanncn. Becken zu Waschungen,
Hieroglyphentnfeln, Gemälde, welche die Andacht der Gläubigen vor einem Tem¬
pel darstellen, auf dessen Stufen Sphinxe lagern. Instrumente, die bei der
rauschenden Musik gebraucht wurden, die diesen Gottesdienst begleitete, Klapper¬
bleche und Krotalien: diese und andere Ueberreste fordern die Phantasie auf,
sich die Scenen zu vergegenwärtigen, deren Schauplatz diese Räume waren.
Neben Isis wurde Osiris. der (ursprünglich nicht ägyptische) Todes- oder
Sonnengott Serapis. der hundsköpfige Anubis (den die Römer mit Mer-
cur identificirten) und das geheimnißvolle Kind der Isis und des Osiris Ho-
rus oder Hnrpokrates verehrt. Schon im ersten, am meisten aber im dritten
Jahrhundert gingen mehre Kaiser mit dem Beispiel eifriger Betheiligung an
diesem Dienst voran. Der eigenthümliche und fremdartige Pomp, mit dem
er sich umgab, trug ohne Zweifel nicht am wenigsten zu seiner Ausbreitung
bei. Appulejus schildert eine Procession an einem Jsisfest in Korinth. Sie
wird eröffnet durch einen Maskenzug. Soldaten, Jäger, Gladiatoren, ge-


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ihre Wohnungen mit Kränzen und brennenden Lampen schmückten; andere be¬
suchten auch Synagogen und schickten'die Tempelsteuer nach Jerusalem. Daß
es in der Zeit der vollendeten Göttcrmischung Heiden gab, welche mit Götzen¬
diensten aller Art auch eine Christusverehrung verbanden, würde schon das
Beispiel des Kaisers Alexander Severus beweisen, der die Stifter aller Reli¬
gionen in seiner Hauskapelle ausstellte, wo neben Orpheus und Apollonius
von Tyana auch Abraham und Christus Platz fanden.

Als die ehrwürdigsten, geheimnißvollsten und wunderbarsten Gestalten
ragten unter diesem bunten Gemisch die uralten Götter Aegyptens hervor.
Vergebens wurde die Einführung ihres Dienstes in Rom durch wiederholte
Senatsbeschlüsse verboten. Ais einer derselben die Zerstörung der Isistempel
in Rom befahl und keiner der dazu bestellten Arbeiter dem Befehl Folge zu
leisten wagte, wcckf der Consul Aemilius Paullus (wahrscheinlich der Besieger
des Perseus) die purpurbesüumte Toga ab, ergriff das Beil und führte selbst
den ersten Hieb auf die Tempelpforte. Trotz aller Verbote und Maßregeln
breitete sich dieser Cult mehr und mehr aus, und im Jahr 43 v. Chr. er¬
bauten die zweiten Triumvirn bereits den ersten öffentlichen Tempel der Isis
in Rom, deren Verehrung sich namentlich unter den Frauen mit reißender
Schnelligkeit^ ausbreitete. In den Liebcselcgien der Augustischen Zeit wird
oft ihrer Andachten gedacht, die zwar häusig ihren Verehrern Gelegenheit
gaben, sie zu sehen und zu sprechen, oft aber auch wegen der dabei zu beob¬
achtenden Enthaltsamkeit verwünscht wurden. Der Isistempel in Pompeji ist
ein Zeugniß von der Ausbreitung des Dienstes außerhalb Roms im ersten
Jahrhundert. Laut der Inschrift hat ein N. Popidius Celfinus ihn nach der
Zerstörung durch das Erdbeben im Jahr 63 neu erbaut. Eine Statue der
Isis in einem florartigen Gewände. Nauchpfanncn. Becken zu Waschungen,
Hieroglyphentnfeln, Gemälde, welche die Andacht der Gläubigen vor einem Tem¬
pel darstellen, auf dessen Stufen Sphinxe lagern. Instrumente, die bei der
rauschenden Musik gebraucht wurden, die diesen Gottesdienst begleitete, Klapper¬
bleche und Krotalien: diese und andere Ueberreste fordern die Phantasie auf,
sich die Scenen zu vergegenwärtigen, deren Schauplatz diese Räume waren.
Neben Isis wurde Osiris. der (ursprünglich nicht ägyptische) Todes- oder
Sonnengott Serapis. der hundsköpfige Anubis (den die Römer mit Mer-
cur identificirten) und das geheimnißvolle Kind der Isis und des Osiris Ho-
rus oder Hnrpokrates verehrt. Schon im ersten, am meisten aber im dritten
Jahrhundert gingen mehre Kaiser mit dem Beispiel eifriger Betheiligung an
diesem Dienst voran. Der eigenthümliche und fremdartige Pomp, mit dem
er sich umgab, trug ohne Zweifel nicht am wenigsten zu seiner Ausbreitung
bei. Appulejus schildert eine Procession an einem Jsisfest in Korinth. Sie
wird eröffnet durch einen Maskenzug. Soldaten, Jäger, Gladiatoren, ge-


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[0179] ihre Wohnungen mit Kränzen und brennenden Lampen schmückten; andere be¬ suchten auch Synagogen und schickten'die Tempelsteuer nach Jerusalem. Daß es in der Zeit der vollendeten Göttcrmischung Heiden gab, welche mit Götzen¬ diensten aller Art auch eine Christusverehrung verbanden, würde schon das Beispiel des Kaisers Alexander Severus beweisen, der die Stifter aller Reli¬ gionen in seiner Hauskapelle ausstellte, wo neben Orpheus und Apollonius von Tyana auch Abraham und Christus Platz fanden. Als die ehrwürdigsten, geheimnißvollsten und wunderbarsten Gestalten ragten unter diesem bunten Gemisch die uralten Götter Aegyptens hervor. Vergebens wurde die Einführung ihres Dienstes in Rom durch wiederholte Senatsbeschlüsse verboten. Ais einer derselben die Zerstörung der Isistempel in Rom befahl und keiner der dazu bestellten Arbeiter dem Befehl Folge zu leisten wagte, wcckf der Consul Aemilius Paullus (wahrscheinlich der Besieger des Perseus) die purpurbesüumte Toga ab, ergriff das Beil und führte selbst den ersten Hieb auf die Tempelpforte. Trotz aller Verbote und Maßregeln breitete sich dieser Cult mehr und mehr aus, und im Jahr 43 v. Chr. er¬ bauten die zweiten Triumvirn bereits den ersten öffentlichen Tempel der Isis in Rom, deren Verehrung sich namentlich unter den Frauen mit reißender Schnelligkeit^ ausbreitete. In den Liebcselcgien der Augustischen Zeit wird oft ihrer Andachten gedacht, die zwar häusig ihren Verehrern Gelegenheit gaben, sie zu sehen und zu sprechen, oft aber auch wegen der dabei zu beob¬ achtenden Enthaltsamkeit verwünscht wurden. Der Isistempel in Pompeji ist ein Zeugniß von der Ausbreitung des Dienstes außerhalb Roms im ersten Jahrhundert. Laut der Inschrift hat ein N. Popidius Celfinus ihn nach der Zerstörung durch das Erdbeben im Jahr 63 neu erbaut. Eine Statue der Isis in einem florartigen Gewände. Nauchpfanncn. Becken zu Waschungen, Hieroglyphentnfeln, Gemälde, welche die Andacht der Gläubigen vor einem Tem¬ pel darstellen, auf dessen Stufen Sphinxe lagern. Instrumente, die bei der rauschenden Musik gebraucht wurden, die diesen Gottesdienst begleitete, Klapper¬ bleche und Krotalien: diese und andere Ueberreste fordern die Phantasie auf, sich die Scenen zu vergegenwärtigen, deren Schauplatz diese Räume waren. Neben Isis wurde Osiris. der (ursprünglich nicht ägyptische) Todes- oder Sonnengott Serapis. der hundsköpfige Anubis (den die Römer mit Mer- cur identificirten) und das geheimnißvolle Kind der Isis und des Osiris Ho- rus oder Hnrpokrates verehrt. Schon im ersten, am meisten aber im dritten Jahrhundert gingen mehre Kaiser mit dem Beispiel eifriger Betheiligung an diesem Dienst voran. Der eigenthümliche und fremdartige Pomp, mit dem er sich umgab, trug ohne Zweifel nicht am wenigsten zu seiner Ausbreitung bei. Appulejus schildert eine Procession an einem Jsisfest in Korinth. Sie wird eröffnet durch einen Maskenzug. Soldaten, Jäger, Gladiatoren, ge- 22*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/179>, abgerufen am 05.07.2024.