Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.so ziemlich auf "eine staute Tugend", und deshalb konnte sein ganzes Wirken Er trat mit ungetrübter innerer Reinheit seine Reise nach Italien an. Ehrysandcr legt mit Recht großen Werth auf Händels Studien und Reisen Höchst interessant zeigt sich schon hier wie später bei Betrachtung seiner Gre"zi>plan IV. 1LQ8.
so ziemlich auf „eine staute Tugend", und deshalb konnte sein ganzes Wirken Er trat mit ungetrübter innerer Reinheit seine Reise nach Italien an. Ehrysandcr legt mit Recht großen Werth auf Händels Studien und Reisen Höchst interessant zeigt sich schon hier wie später bei Betrachtung seiner Gre»zi>plan IV. 1LQ8.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0113" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/265922"/> <p xml:id="ID_266" prev="#ID_265"> so ziemlich auf „eine staute Tugend", und deshalb konnte sein ganzes Wirken<lb/> weniger auf Veredlung und Erhebung der Kunst, als auf augenblickliches<lb/> Genügen gerichtet sein. Matthesou. damals erster Tenorist am Theater und<lb/> ausgezeichneter Klavierspieler, nahm Händel unter seine Fittige und that sich,<lb/> seinem eiteln Charakter gemäß, allerdings nicht wenig darauf zu gut. Händels<lb/> Thätigkeit wandte sich hier, eine Passion nach Johannes ausgenommen, der<lb/> Oper zu; daß er aber sür die Dauer in diesem, allerdings geistig höchst be¬<lb/> wegten . aber auch durch Lascivität und Gemeinheit befleckten Treiben keine<lb/> volle Befriedigung finden und seine Entwicklung nicht zur Reife bringen<lb/> konnte, ist natürlich. Trotz seiner nahen Beziehungen zum Theater lebte er<lb/> von demselben zurückgezogen und erwarb durch Fleiß und Sparsamkeit die<lb/> Mittel zur Reise nach Italien. Auch hier bewahrte sein reiner und hoher<lb/> Geist 'die Unabhängigkeit; seine tieft Moralität und sein nur aufwärts gerich-<lb/> teter Genius ließen ihn aus dem galanten, das heißt liederlichen und frivole«<lb/> Treiben der Hamburger Künstler und Musensöhne unberührt hervorgehen, und<lb/> nur das in sich aufnehmen, was seiner Entwicklung förderlich war. Chryscmder<lb/> gibt von dem Hamburger Künstlerthum ein Bild von unvergleichlicher Plastik,<lb/> wenn auch mit etwas zu grellen Farben und zu tiefen Schatten; Händels<lb/> Gestalt ragt mit einer wahrhaft idealen Einfachheit und Kraft aus dem Ge¬<lb/> wirr kleinlicher und niederer Leidenschaften hervor.'</p><lb/> <p xml:id="ID_267"> Er trat mit ungetrübter innerer Reinheit seine Reise nach Italien an.<lb/> welches seit hundert Jahren als die Hochschule der Musik galt, wenngleich zu<lb/> Händels Zeit die Wanderungen dorthin nachließen, weil die Musik in Deutsch¬<lb/> land bei dem gewonnenen neuen Boden die classische italienische Schule ent¬<lb/> behren zu können glaubte. Das Theater stand in Italien in höchster Blüte,<lb/> in den Jahren um 1700 wott'das musikalische Schaffen zu einer wahren Ge¬<lb/> meinthätigkeit geworden „es bildete sich nach und nach sür die musikalische<lb/> Kunst ein fester Kanon, der um bildender Kraft der Antike nichts nachgab.<lb/> Italien wirkte nur auf Händel, wie das Alterthum auf Italien gewirkt hatte."</p><lb/> <p xml:id="ID_268"> Ehrysandcr legt mit Recht großen Werth auf Händels Studien und Reisen<lb/> in Italien, indem diese Lebensperiode auf seine ganze spätere künstlerische Ent¬<lb/> wicklung von großem Einfluß gewesen ist. Deshalb ist auch nichts übersehen,<lb/> was ein Licht auf diese Periode werfen könnte. kein Punkt und keine Einzeln¬<lb/> heit, noch so geringfügig erscheinend, ist abgefertigt, ohne zur möglichsten Er¬<lb/> kenntniß des richtigen Ganzen etwas beigesteuert zu haben. Die Handschrift,<lb/> d»s Wasserzeichen des 'Papiers haben den Autor oft aus Schlüsse geführt,<lb/> ^lebe mindestens große Wahrscheinlichkeit sür sich beanspruchen.</p><lb/> <p xml:id="ID_269" next="#ID_270"> Höchst interessant zeigt sich schon hier wie später bei Betrachtung seiner<lb/> Werke die stete geistige Fortentwicklung Händels in der Art und Weise, wie<lb/> er sowol eigne Melodien und Motive, als auch von andern Meistern ent-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Gre»zi>plan IV. 1LQ8.</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0113]
so ziemlich auf „eine staute Tugend", und deshalb konnte sein ganzes Wirken
weniger auf Veredlung und Erhebung der Kunst, als auf augenblickliches
Genügen gerichtet sein. Matthesou. damals erster Tenorist am Theater und
ausgezeichneter Klavierspieler, nahm Händel unter seine Fittige und that sich,
seinem eiteln Charakter gemäß, allerdings nicht wenig darauf zu gut. Händels
Thätigkeit wandte sich hier, eine Passion nach Johannes ausgenommen, der
Oper zu; daß er aber sür die Dauer in diesem, allerdings geistig höchst be¬
wegten . aber auch durch Lascivität und Gemeinheit befleckten Treiben keine
volle Befriedigung finden und seine Entwicklung nicht zur Reife bringen
konnte, ist natürlich. Trotz seiner nahen Beziehungen zum Theater lebte er
von demselben zurückgezogen und erwarb durch Fleiß und Sparsamkeit die
Mittel zur Reise nach Italien. Auch hier bewahrte sein reiner und hoher
Geist 'die Unabhängigkeit; seine tieft Moralität und sein nur aufwärts gerich-
teter Genius ließen ihn aus dem galanten, das heißt liederlichen und frivole«
Treiben der Hamburger Künstler und Musensöhne unberührt hervorgehen, und
nur das in sich aufnehmen, was seiner Entwicklung förderlich war. Chryscmder
gibt von dem Hamburger Künstlerthum ein Bild von unvergleichlicher Plastik,
wenn auch mit etwas zu grellen Farben und zu tiefen Schatten; Händels
Gestalt ragt mit einer wahrhaft idealen Einfachheit und Kraft aus dem Ge¬
wirr kleinlicher und niederer Leidenschaften hervor.'
Er trat mit ungetrübter innerer Reinheit seine Reise nach Italien an.
welches seit hundert Jahren als die Hochschule der Musik galt, wenngleich zu
Händels Zeit die Wanderungen dorthin nachließen, weil die Musik in Deutsch¬
land bei dem gewonnenen neuen Boden die classische italienische Schule ent¬
behren zu können glaubte. Das Theater stand in Italien in höchster Blüte,
in den Jahren um 1700 wott'das musikalische Schaffen zu einer wahren Ge¬
meinthätigkeit geworden „es bildete sich nach und nach sür die musikalische
Kunst ein fester Kanon, der um bildender Kraft der Antike nichts nachgab.
Italien wirkte nur auf Händel, wie das Alterthum auf Italien gewirkt hatte."
Ehrysandcr legt mit Recht großen Werth auf Händels Studien und Reisen
in Italien, indem diese Lebensperiode auf seine ganze spätere künstlerische Ent¬
wicklung von großem Einfluß gewesen ist. Deshalb ist auch nichts übersehen,
was ein Licht auf diese Periode werfen könnte. kein Punkt und keine Einzeln¬
heit, noch so geringfügig erscheinend, ist abgefertigt, ohne zur möglichsten Er¬
kenntniß des richtigen Ganzen etwas beigesteuert zu haben. Die Handschrift,
d»s Wasserzeichen des 'Papiers haben den Autor oft aus Schlüsse geführt,
^lebe mindestens große Wahrscheinlichkeit sür sich beanspruchen.
Höchst interessant zeigt sich schon hier wie später bei Betrachtung seiner
Werke die stete geistige Fortentwicklung Händels in der Art und Weise, wie
er sowol eigne Melodien und Motive, als auch von andern Meistern ent-
Gre»zi>plan IV. 1LQ8.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |