Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.Componiren ging Händel.schnell von der Hand "Orgelstücke und Kirchencan- Hier blühte die Musik in jener Zeit wie nirgend anders in Deutschland -- Componiren ging Händel.schnell von der Hand „Orgelstücke und Kirchencan- Hier blühte die Musik in jener Zeit wie nirgend anders in Deutschland — <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0112" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/265921"/> <p xml:id="ID_264" prev="#ID_263"> Componiren ging Händel.schnell von der Hand „Orgelstücke und Kirchencan-<lb/> taten waren das Gewöhnliche, anch mühte Wache für Woche etwas Neues<lb/> aufgetragen werden." Auf einem Ausflug nach Berlin 1696 lernte Friedrich I.<lb/> den Knaben kennen, und wollte ihn auf seine Kosten in Italien ausbilden<lb/> lassen; weil aber seine lebenslängliche Abhängigkeit vom preußischen Hos da¬<lb/> durch bedingt worden wäre, lehnte seine Familie das Anerbieten ab. Schon<lb/> 1697 starb Händels Vater, dennoch hielt der Sohn dessen früheren Wunsch,<lb/> ihn auf einer wissenschaftlichen Bahn zu sehen, heilig, und bezog 1702 die<lb/> Universität zu Halle als Student der Rechte. „Das äußere Leben mit dem<lb/> innern in Einklang zu bringen, ist das Bestreben jedes kräftigen Menschen,<lb/> und wie sehr 'mußte unser Händel danach Verlangen tragen! dennoch hat er<lb/> solches niemals eigenmächtig oder vorzeitig durchsehen mögen. Bei allem<lb/> übermächtigen Genie, das in ihm lebte, hat er seinen Eltern nie durch Genie¬<lb/> streiche kummervolle Nächte gemacht. Erst als er ein gesetztes Alter und jene<lb/> wunderbare innere Reife erlangt hatte, bog er mit aller Einwilligung in die<lb/> Bahn ein, weiche der eingeborne Beruf ihm anwies." Am 13. Mai 1702<lb/> wurde der Studiosus Händel „als geschicktes Subject" zum Organisten bei<lb/> der Schloß - und Domkirche zu Halle förmlich installirt; wahrscheinlich schlug<lb/> man die guten Lebensregeln, welche die schriftliche Bestattung würzten, so hoch<lb/> an, daß der Gehalt sich nur auf quartaliter 12 Thlr. 12 Sgr. belief. Grade<lb/> genug für so ein „Subject," um dabei zu verhungern—kommt heutigen Tages<lb/> auch noch vor. Gelegenheit zum Componiren und Fantasiren hatte er hier<lb/> genug, aber die Stelle legte er nach Ablauf eines Jahres nieder, mit ihr auch<lb/> für immer das Corpus juris, und wandte sich nach Hamburg, 17 03.</p><lb/> <p xml:id="ID_265" next="#ID_266"> Hier blühte die Musik in jener Zeit wie nirgend anders in Deutschland —<lb/> und zwar besonders die Oper. Die ersten Versuche im Musikdrama um 1600<lb/> in Italien entwickelten sich langsam in Ausdruck und Form, schon 1638 jedoch<lb/> bildete sich zu Venedig eine stehende Opernbühne. 1660 wurde die Oper durch<lb/> Cavalli nach Frankreich verpflanzt. In Deutschland schuf Heinrich Schütz 1628<lb/> das erste deutsche Singspiel, welches, die Festopern seit 1650 abgerechnet, keine<lb/> Fortbildung fand, bis 1678 von einigen Privatpersonen in Hamburg ein öffent¬<lb/> liches, deutsches Opernhaus errichtet wurde, welches jedermann zugänglich war.<lb/> Trotz den Ungewittcm und rhetorischen Wasserfluten, welche von den Kanzeln und<lb/> in Druckschriften der Geistlichkeit dagegen losgelassen wurden, faßte das Unter¬<lb/> nehmen Fuß im Volte, und die Bühne stund von 1692—1703 in hoher Blüte.<lb/> Die Künstler waren angesehen und in Ehren gehalten. Reinhard Keiser schrieb<lb/> von seinen 120 Opern die meisten für Hamburg, er war der Held des Tages;<lb/> an musikalischen Genie reich, von natürlicher Melodicfülle überströmend, ist er<lb/> durch die Frische und Naturwüchsigkeit seiner Erscheinung der Entwicklung der<lb/> Hamburger Oper fördernd gewesen. Seine Sittlichkeit jedoch beschränkte sich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0112]
Componiren ging Händel.schnell von der Hand „Orgelstücke und Kirchencan-
taten waren das Gewöhnliche, anch mühte Wache für Woche etwas Neues
aufgetragen werden." Auf einem Ausflug nach Berlin 1696 lernte Friedrich I.
den Knaben kennen, und wollte ihn auf seine Kosten in Italien ausbilden
lassen; weil aber seine lebenslängliche Abhängigkeit vom preußischen Hos da¬
durch bedingt worden wäre, lehnte seine Familie das Anerbieten ab. Schon
1697 starb Händels Vater, dennoch hielt der Sohn dessen früheren Wunsch,
ihn auf einer wissenschaftlichen Bahn zu sehen, heilig, und bezog 1702 die
Universität zu Halle als Student der Rechte. „Das äußere Leben mit dem
innern in Einklang zu bringen, ist das Bestreben jedes kräftigen Menschen,
und wie sehr 'mußte unser Händel danach Verlangen tragen! dennoch hat er
solches niemals eigenmächtig oder vorzeitig durchsehen mögen. Bei allem
übermächtigen Genie, das in ihm lebte, hat er seinen Eltern nie durch Genie¬
streiche kummervolle Nächte gemacht. Erst als er ein gesetztes Alter und jene
wunderbare innere Reife erlangt hatte, bog er mit aller Einwilligung in die
Bahn ein, weiche der eingeborne Beruf ihm anwies." Am 13. Mai 1702
wurde der Studiosus Händel „als geschicktes Subject" zum Organisten bei
der Schloß - und Domkirche zu Halle förmlich installirt; wahrscheinlich schlug
man die guten Lebensregeln, welche die schriftliche Bestattung würzten, so hoch
an, daß der Gehalt sich nur auf quartaliter 12 Thlr. 12 Sgr. belief. Grade
genug für so ein „Subject," um dabei zu verhungern—kommt heutigen Tages
auch noch vor. Gelegenheit zum Componiren und Fantasiren hatte er hier
genug, aber die Stelle legte er nach Ablauf eines Jahres nieder, mit ihr auch
für immer das Corpus juris, und wandte sich nach Hamburg, 17 03.
Hier blühte die Musik in jener Zeit wie nirgend anders in Deutschland —
und zwar besonders die Oper. Die ersten Versuche im Musikdrama um 1600
in Italien entwickelten sich langsam in Ausdruck und Form, schon 1638 jedoch
bildete sich zu Venedig eine stehende Opernbühne. 1660 wurde die Oper durch
Cavalli nach Frankreich verpflanzt. In Deutschland schuf Heinrich Schütz 1628
das erste deutsche Singspiel, welches, die Festopern seit 1650 abgerechnet, keine
Fortbildung fand, bis 1678 von einigen Privatpersonen in Hamburg ein öffent¬
liches, deutsches Opernhaus errichtet wurde, welches jedermann zugänglich war.
Trotz den Ungewittcm und rhetorischen Wasserfluten, welche von den Kanzeln und
in Druckschriften der Geistlichkeit dagegen losgelassen wurden, faßte das Unter¬
nehmen Fuß im Volte, und die Bühne stund von 1692—1703 in hoher Blüte.
Die Künstler waren angesehen und in Ehren gehalten. Reinhard Keiser schrieb
von seinen 120 Opern die meisten für Hamburg, er war der Held des Tages;
an musikalischen Genie reich, von natürlicher Melodicfülle überströmend, ist er
durch die Frische und Naturwüchsigkeit seiner Erscheinung der Entwicklung der
Hamburger Oper fördernd gewesen. Seine Sittlichkeit jedoch beschränkte sich
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