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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Mal gelächelt. Der Trauerflor ist gefallen. Wie eine Traumwelt gaukelte der
plötzliche Umschwung vor den so leicht beweglichen Gemüthern. Möchten sie
endlich das Eine, was ihnen Noth thut, erkennen und alle eitlen Prätentionen
abthun! Truge das bisherige Unglück auch nur diese Frucht, daß die gebildeten
Kreolen zu ernster männlicher Lebensführung sich entschlössen und praktische Ziele
verfolgten, so würde es nicht schwer sein, dauernde Zustände zu in'gründen,
Die Probleme sind dort sehr einfach, das Volk sehr lenksam, und die Hilfs¬
quellen des Landes unermeßlich. Aber nach unsern Erfahrungen bedauern wir.
auch jetzt für die Zukunft desselben fürchten zu müssen. --




AUS KonstiMtinopcl.

Einen interessanten Anblick bieten die eben
jetzt ihrem Schluß entgegengehenden Vcrmählungsfestlichkciten dar, wie sehr auch im
Uebrigen der Einwand gerechtfertigt erscheint, daß dieselben in Hinsicht auf Pracht
und Glanz außer Verhältniß zu dem stehen, was sie kosten. Diese letztere Summe
wird auf t>0 Millionen Piaster angegeben, und nach den Erfahrungen, welche das
vorjährige Bcfchneidungsfcst geboten, dürfte sie noch überschritten werden. In einem
Staate wie der türkische ist, dessen Finanzen nicht prosperiren, ist das eine sehr be¬
deutende Ausgabe, und es wäre beklagenswert!), wenn sie in der späteren Zeit sich
öfters wiederholen sollte. Indeß bat das Fest, abgesehen von der erschreckenden
Hohe der Kosten. auch seine anziehenden Seiten. Es ist eine Volksseier im wahren
und gemüthlichsten Sinne des Wortes, eine Gelegenheit der Verbrüderung zwischen
hoch und niedrig, und wobei Speise und Trank in ungeheuern Massen an die hier
oft darbende, und namentlich im letzten harten Winter vielfachen Entbehrungen
unterworfen gewesene ärmere Bevölkerung ausgetheilt wird - allerdings auf Staats¬
kosten, aber doch in einer Weise der Gleichheit und nicht spärlich abwägenden, aber
parteilosen Gerechtigkeit, der man Anerkennung nicht versagen kann. Das Fest be¬
gann am letztvergangene" Donnerstag vor acht Tagen, und wurde durch Kanoncn-
salven von den verschiedenen Hafcnbatterien und den Kriegsschiffen begrüßt, die sich
seitdem täglich dreimal wiederholten. Der Sultan kam am ersten Tage erst Abends
nach seinem Zelte. Früher trafen seine Söhne und die zu vermählenden Töchter
nebst den ersten Kabiren (Gemahlinnen des Padischah) ein. Diese Auszüge waren
sehr glänzend, und besonders zeichneten sich die Wagen durch eine außergewöhnliche
Pracht aus. von der alles, was das vorjährige Beschneidungsfest in dieser Hin¬
sicht vorgeführt hatte, überboten wurde. Denken Sie sich Carossen. die, im recht
eigentlichen Sinne des Wortes, mit Gold und Silber überdeckt sind. Auf einem
dieser Prachtwagcn. der von fünf mit brocatenen Stoffen überdeckten Pferden ge-


Mal gelächelt. Der Trauerflor ist gefallen. Wie eine Traumwelt gaukelte der
plötzliche Umschwung vor den so leicht beweglichen Gemüthern. Möchten sie
endlich das Eine, was ihnen Noth thut, erkennen und alle eitlen Prätentionen
abthun! Truge das bisherige Unglück auch nur diese Frucht, daß die gebildeten
Kreolen zu ernster männlicher Lebensführung sich entschlössen und praktische Ziele
verfolgten, so würde es nicht schwer sein, dauernde Zustände zu in'gründen,
Die Probleme sind dort sehr einfach, das Volk sehr lenksam, und die Hilfs¬
quellen des Landes unermeßlich. Aber nach unsern Erfahrungen bedauern wir.
auch jetzt für die Zukunft desselben fürchten zu müssen. —




AUS KonstiMtinopcl.

Einen interessanten Anblick bieten die eben
jetzt ihrem Schluß entgegengehenden Vcrmählungsfestlichkciten dar, wie sehr auch im
Uebrigen der Einwand gerechtfertigt erscheint, daß dieselben in Hinsicht auf Pracht
und Glanz außer Verhältniß zu dem stehen, was sie kosten. Diese letztere Summe
wird auf t>0 Millionen Piaster angegeben, und nach den Erfahrungen, welche das
vorjährige Bcfchneidungsfcst geboten, dürfte sie noch überschritten werden. In einem
Staate wie der türkische ist, dessen Finanzen nicht prosperiren, ist das eine sehr be¬
deutende Ausgabe, und es wäre beklagenswert!), wenn sie in der späteren Zeit sich
öfters wiederholen sollte. Indeß bat das Fest, abgesehen von der erschreckenden
Hohe der Kosten. auch seine anziehenden Seiten. Es ist eine Volksseier im wahren
und gemüthlichsten Sinne des Wortes, eine Gelegenheit der Verbrüderung zwischen
hoch und niedrig, und wobei Speise und Trank in ungeheuern Massen an die hier
oft darbende, und namentlich im letzten harten Winter vielfachen Entbehrungen
unterworfen gewesene ärmere Bevölkerung ausgetheilt wird - allerdings auf Staats¬
kosten, aber doch in einer Weise der Gleichheit und nicht spärlich abwägenden, aber
parteilosen Gerechtigkeit, der man Anerkennung nicht versagen kann. Das Fest be¬
gann am letztvergangene» Donnerstag vor acht Tagen, und wurde durch Kanoncn-
salven von den verschiedenen Hafcnbatterien und den Kriegsschiffen begrüßt, die sich
seitdem täglich dreimal wiederholten. Der Sultan kam am ersten Tage erst Abends
nach seinem Zelte. Früher trafen seine Söhne und die zu vermählenden Töchter
nebst den ersten Kabiren (Gemahlinnen des Padischah) ein. Diese Auszüge waren
sehr glänzend, und besonders zeichneten sich die Wagen durch eine außergewöhnliche
Pracht aus. von der alles, was das vorjährige Beschneidungsfest in dieser Hin¬
sicht vorgeführt hatte, überboten wurde. Denken Sie sich Carossen. die, im recht
eigentlichen Sinne des Wortes, mit Gold und Silber überdeckt sind. Auf einem
dieser Prachtwagcn. der von fünf mit brocatenen Stoffen überdeckten Pferden ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/525>, abgerufen am 30.12.2024.