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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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in seiner verzehrenden Leidenschaftsgluth nur zu sehr dem südlichen Naturell
Rechnung trug -- Acosta nahm es auf sich, eine Revolution einzufädeln, in¬
dem er mehre Militürchefs im Innern gewann und die nöthigen Gelder von
den namhaftesten Oligarchen erhielt. Es fehlte ihr nicht an Sympathien im
Volke, schon waren viele Liberale, ernes Besseren belehrt, der Regierung feind¬
lich geworden. Gleichwol scheiterte die Bewegung, weil ihr vor allem Ein¬
heit und Zusammenhang und ein militärisches Haupt fehlte. Nachdem sie sich
mehr denn 6 Wochen in Schwanken hingezogen, griff eine höhere Gewalt ein,
um sie zu ersticken. Es war am 15. Juli 53, als man Nachmittags 2 Uhr
eine heftige Erderschütterung in Caracas spürte. Nach acht Tagen traf die
Schreckensnachricht ein, daß dieselbe das östliche Cumana, die Hauptstadt der
am meisten widerständigen Provinz, zu Trümmerhaufen verwandelt hatte. Mo¬
nagas triumphirte, Acosta floh nach Neuyork, entschlossen, nie in sein Bater¬
land zurückzukehren; "denn" -- so sagte er uns ein Jahr später -- "die Zu¬
kunft Venezuelas ist nur noch Frage der Naturgeschichte."

Wie gedrückt auch die Stimmung infolge dessen war, so ernannten sich
doch die Oligarchen gemischt mit vielen Liberalen noch einmal, um als eine
Art nationale Opposition das Land von der Usmpatwn einer Familie zu be¬
freien. Man begann zu Anfang 54 umfassendere Vorbereitungen als vorher
zu treffen; man war bereit, die äußersten Geldopfer zu bringen; man trat
mit dem General Paez in Unterhandlung, und legte den Plan so an. daß,
Während im fernen Westen der Republik mehre Guerillaführer den Ruf der
Revolution erhoben, Paez von Neuuort mit zwei Kriegsschiffen in La Guaira
landen und Caracas entsetzen sollte. Aber in jenen Ländern ist eme heran¬
nahende Revolution immer ein offenes Geheimniß, -- so erfuhr auch die Re¬
gierung sehr bald selbst die Einzelnheiten des Plans, und säumte nicht Gegen¬
anstalten zu treffe". Am 7. Febr. trat der Eongreß zusammen -- nunmehr
das willenlose Werkzeug der Dynastie. Da Jose Gregoriv seiner eignen
Partei nicht mehr sicher war. so sorgte er, sich in der schwarzen Bevölkerung
eine neue Stütze zu schaffen und griff zu dem unfehlbaren Mittel, den Rest
der Sklaven, etwa 10.000, plötzlich zu emancipiren. Es galt ihm natürlich
nichts, daß dadurch der Ackerbau für den Augenblick ernstlich gefährdet, die
Arbeit ihrer Stütze beraubt, das Band zwischen häuslichen Dienstboten und
Familien plötzlich gelöst, und in das Privateigenthum der Plantagenbesitzer,
deren viele mehr als 100 Sklaven besaßen, gewaltsam eingegriffen wurde.
Am 24. März feierten die Neger mit Bwats und Raketen harmlos ihren Bc-
freiungstag. Die Furcht vor Gewaltscenen, vor Mißhandlung, ja gar Er¬
mordung der Weißen war ganz unbegründet; der Neger hat sich unter spa¬
nischen Gesetzen und Herrn nie sehr gedrückt befunden und ist ans tropischem
Boden gleich der weißen Race verweichlicht. Nur einige Reibungen verriethen


in seiner verzehrenden Leidenschaftsgluth nur zu sehr dem südlichen Naturell
Rechnung trug — Acosta nahm es auf sich, eine Revolution einzufädeln, in¬
dem er mehre Militürchefs im Innern gewann und die nöthigen Gelder von
den namhaftesten Oligarchen erhielt. Es fehlte ihr nicht an Sympathien im
Volke, schon waren viele Liberale, ernes Besseren belehrt, der Regierung feind¬
lich geworden. Gleichwol scheiterte die Bewegung, weil ihr vor allem Ein¬
heit und Zusammenhang und ein militärisches Haupt fehlte. Nachdem sie sich
mehr denn 6 Wochen in Schwanken hingezogen, griff eine höhere Gewalt ein,
um sie zu ersticken. Es war am 15. Juli 53, als man Nachmittags 2 Uhr
eine heftige Erderschütterung in Caracas spürte. Nach acht Tagen traf die
Schreckensnachricht ein, daß dieselbe das östliche Cumana, die Hauptstadt der
am meisten widerständigen Provinz, zu Trümmerhaufen verwandelt hatte. Mo¬
nagas triumphirte, Acosta floh nach Neuyork, entschlossen, nie in sein Bater¬
land zurückzukehren; „denn" — so sagte er uns ein Jahr später — „die Zu¬
kunft Venezuelas ist nur noch Frage der Naturgeschichte."

Wie gedrückt auch die Stimmung infolge dessen war, so ernannten sich
doch die Oligarchen gemischt mit vielen Liberalen noch einmal, um als eine
Art nationale Opposition das Land von der Usmpatwn einer Familie zu be¬
freien. Man begann zu Anfang 54 umfassendere Vorbereitungen als vorher
zu treffen; man war bereit, die äußersten Geldopfer zu bringen; man trat
mit dem General Paez in Unterhandlung, und legte den Plan so an. daß,
Während im fernen Westen der Republik mehre Guerillaführer den Ruf der
Revolution erhoben, Paez von Neuuort mit zwei Kriegsschiffen in La Guaira
landen und Caracas entsetzen sollte. Aber in jenen Ländern ist eme heran¬
nahende Revolution immer ein offenes Geheimniß, — so erfuhr auch die Re¬
gierung sehr bald selbst die Einzelnheiten des Plans, und säumte nicht Gegen¬
anstalten zu treffe». Am 7. Febr. trat der Eongreß zusammen — nunmehr
das willenlose Werkzeug der Dynastie. Da Jose Gregoriv seiner eignen
Partei nicht mehr sicher war. so sorgte er, sich in der schwarzen Bevölkerung
eine neue Stütze zu schaffen und griff zu dem unfehlbaren Mittel, den Rest
der Sklaven, etwa 10.000, plötzlich zu emancipiren. Es galt ihm natürlich
nichts, daß dadurch der Ackerbau für den Augenblick ernstlich gefährdet, die
Arbeit ihrer Stütze beraubt, das Band zwischen häuslichen Dienstboten und
Familien plötzlich gelöst, und in das Privateigenthum der Plantagenbesitzer,
deren viele mehr als 100 Sklaven besaßen, gewaltsam eingegriffen wurde.
Am 24. März feierten die Neger mit Bwats und Raketen harmlos ihren Bc-
freiungstag. Die Furcht vor Gewaltscenen, vor Mißhandlung, ja gar Er¬
mordung der Weißen war ganz unbegründet; der Neger hat sich unter spa¬
nischen Gesetzen und Herrn nie sehr gedrückt befunden und ist ans tropischem
Boden gleich der weißen Race verweichlicht. Nur einige Reibungen verriethen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/517>, abgerufen am 21.12.2024.