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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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privaten Lebens. und der Rest idealer Kraft führte ein hinsiechendes
Schattendasein.

Dieser ohnmächtigen Partei gegenüber hatte Monagas freies Spiel.
Sein Regiment war ein Krieg gegen das Gemeinwesen, gegen die Gesell'
schaft zu seinem und seiner Kreaturen Besten, Die wenigen öffentlichen Ar¬
beiten, wie Bauten, Anlegungen von Conunumcationswegen, Errichtung von
Leuchtthürmen ^c. blieben liegen; die Straßen der Hauptstadt begannen zu
verwildern, nichts geschah zur Hebung des Ackerbaus. Gleichwol wurde der
Eingangszoil stufenweise erhöht und die Einnahmen des Staates mußten an¬
sehnlich zunehmen. Aber das Geld verschwand auf nur zu begreifliche Weise.
Die so wichtigen Gouvcrneursstellen in den Provinzen wurden mehr und
mehr allen irgend welcher oligarchischen Sympathien verdächtigen Persönlich¬
keiten entzogen und verfielen obscurer Subjecten, welche die öffentliche Mei¬
nung, so weit sie sich bei der verstummten Presse hervorwagen durfte. als
sehr zweideutig, ja als Erzgauner brandmarkte. Neben den üblichen, unter
jedem Vorwande beschönigten Gelderpressungen der Besitzenden aber, neben
der üblichen Verhöhnung aller Intelligenz und Bildung kennzeichnet die
Dynastie Monagas em ganz bornirtcr Fremdenhaß, der sich vornehmlich in
der brutalen Verachtung alles internationalen Rechts kundgab. So erließ
Jos6 Tadeo im Jahr l"4i) auf einmal das berüchtigte Gesetz espt-ni. (Auf¬
schub), wornach mit rückwirkender Kraft alle Gläubiger gehalten sein sollten,
ihren Schuldnern, ohne irgend welche Zinsen zu fordern, aus drei, sechs,
selbst neun Jahre Frist zu lassen, so es diese auf dem Rechtswege beantrag¬
ten. Willkürlich wurde hiermit jeder Privatcontmct aufgehoben und aller
Credit in Handel und Wandel erstickt. Diese Gewaltthat gegen die vielen frem¬
den Handlungshäuser, welche fast allein den Handel in Händen haben, rief so¬
fortigen Protest der betreffende" Gesandten und Eonsuln hervor; und nach
langen Verhandlungen, Drohungen, Blockade sah sich das Gouvernement ge¬
nöthigt, gegenüber den fremden Gläubigern das Gesetz so ziemlich ganz zu-
rückzuziehen. Hiermit begannen die mannigfachen Verwicklungen besonders
mal England, Frankreich und Holland, welche auf Grund eben jenes
Gesetzes und dafür substituirter und nicht gehaltener Verträge die letzten
zehn Jahre durchziehen, und, so tragisch sie sich öfters zu gestalten schienen,
doch immer mit derselben Komik endigten, daß -- freilich zum steigenden
Ruin des Staates in moralischer wie finanzieller Hinsicht -- die großspreche¬
rischer Monagas klein zugeben mußten.

Im Januar 1851 wählte der Congreß unter dem Terronsmus der Waf¬
fen den General Jos6 Gregvrlv Monagas zum Präsidenten. Hatte der Bruder
>n seiner Administration immer noch ein gewisses Decorum zur Schau getra¬
gen, so siel unter des letzter" Regierung auch dieser Rest von Form: das


privaten Lebens. und der Rest idealer Kraft führte ein hinsiechendes
Schattendasein.

Dieser ohnmächtigen Partei gegenüber hatte Monagas freies Spiel.
Sein Regiment war ein Krieg gegen das Gemeinwesen, gegen die Gesell'
schaft zu seinem und seiner Kreaturen Besten, Die wenigen öffentlichen Ar¬
beiten, wie Bauten, Anlegungen von Conunumcationswegen, Errichtung von
Leuchtthürmen ^c. blieben liegen; die Straßen der Hauptstadt begannen zu
verwildern, nichts geschah zur Hebung des Ackerbaus. Gleichwol wurde der
Eingangszoil stufenweise erhöht und die Einnahmen des Staates mußten an¬
sehnlich zunehmen. Aber das Geld verschwand auf nur zu begreifliche Weise.
Die so wichtigen Gouvcrneursstellen in den Provinzen wurden mehr und
mehr allen irgend welcher oligarchischen Sympathien verdächtigen Persönlich¬
keiten entzogen und verfielen obscurer Subjecten, welche die öffentliche Mei¬
nung, so weit sie sich bei der verstummten Presse hervorwagen durfte. als
sehr zweideutig, ja als Erzgauner brandmarkte. Neben den üblichen, unter
jedem Vorwande beschönigten Gelderpressungen der Besitzenden aber, neben
der üblichen Verhöhnung aller Intelligenz und Bildung kennzeichnet die
Dynastie Monagas em ganz bornirtcr Fremdenhaß, der sich vornehmlich in
der brutalen Verachtung alles internationalen Rechts kundgab. So erließ
Jos6 Tadeo im Jahr l»4i) auf einmal das berüchtigte Gesetz espt-ni. (Auf¬
schub), wornach mit rückwirkender Kraft alle Gläubiger gehalten sein sollten,
ihren Schuldnern, ohne irgend welche Zinsen zu fordern, aus drei, sechs,
selbst neun Jahre Frist zu lassen, so es diese auf dem Rechtswege beantrag¬
ten. Willkürlich wurde hiermit jeder Privatcontmct aufgehoben und aller
Credit in Handel und Wandel erstickt. Diese Gewaltthat gegen die vielen frem¬
den Handlungshäuser, welche fast allein den Handel in Händen haben, rief so¬
fortigen Protest der betreffende» Gesandten und Eonsuln hervor; und nach
langen Verhandlungen, Drohungen, Blockade sah sich das Gouvernement ge¬
nöthigt, gegenüber den fremden Gläubigern das Gesetz so ziemlich ganz zu-
rückzuziehen. Hiermit begannen die mannigfachen Verwicklungen besonders
mal England, Frankreich und Holland, welche auf Grund eben jenes
Gesetzes und dafür substituirter und nicht gehaltener Verträge die letzten
zehn Jahre durchziehen, und, so tragisch sie sich öfters zu gestalten schienen,
doch immer mit derselben Komik endigten, daß — freilich zum steigenden
Ruin des Staates in moralischer wie finanzieller Hinsicht — die großspreche¬
rischer Monagas klein zugeben mußten.

Im Januar 1851 wählte der Congreß unter dem Terronsmus der Waf¬
fen den General Jos6 Gregvrlv Monagas zum Präsidenten. Hatte der Bruder
>n seiner Administration immer noch ein gewisses Decorum zur Schau getra¬
gen, so siel unter des letzter» Regierung auch dieser Rest von Form: das


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[0514] privaten Lebens. und der Rest idealer Kraft führte ein hinsiechendes Schattendasein. Dieser ohnmächtigen Partei gegenüber hatte Monagas freies Spiel. Sein Regiment war ein Krieg gegen das Gemeinwesen, gegen die Gesell' schaft zu seinem und seiner Kreaturen Besten, Die wenigen öffentlichen Ar¬ beiten, wie Bauten, Anlegungen von Conunumcationswegen, Errichtung von Leuchtthürmen ^c. blieben liegen; die Straßen der Hauptstadt begannen zu verwildern, nichts geschah zur Hebung des Ackerbaus. Gleichwol wurde der Eingangszoil stufenweise erhöht und die Einnahmen des Staates mußten an¬ sehnlich zunehmen. Aber das Geld verschwand auf nur zu begreifliche Weise. Die so wichtigen Gouvcrneursstellen in den Provinzen wurden mehr und mehr allen irgend welcher oligarchischen Sympathien verdächtigen Persönlich¬ keiten entzogen und verfielen obscurer Subjecten, welche die öffentliche Mei¬ nung, so weit sie sich bei der verstummten Presse hervorwagen durfte. als sehr zweideutig, ja als Erzgauner brandmarkte. Neben den üblichen, unter jedem Vorwande beschönigten Gelderpressungen der Besitzenden aber, neben der üblichen Verhöhnung aller Intelligenz und Bildung kennzeichnet die Dynastie Monagas em ganz bornirtcr Fremdenhaß, der sich vornehmlich in der brutalen Verachtung alles internationalen Rechts kundgab. So erließ Jos6 Tadeo im Jahr l»4i) auf einmal das berüchtigte Gesetz espt-ni. (Auf¬ schub), wornach mit rückwirkender Kraft alle Gläubiger gehalten sein sollten, ihren Schuldnern, ohne irgend welche Zinsen zu fordern, aus drei, sechs, selbst neun Jahre Frist zu lassen, so es diese auf dem Rechtswege beantrag¬ ten. Willkürlich wurde hiermit jeder Privatcontmct aufgehoben und aller Credit in Handel und Wandel erstickt. Diese Gewaltthat gegen die vielen frem¬ den Handlungshäuser, welche fast allein den Handel in Händen haben, rief so¬ fortigen Protest der betreffende» Gesandten und Eonsuln hervor; und nach langen Verhandlungen, Drohungen, Blockade sah sich das Gouvernement ge¬ nöthigt, gegenüber den fremden Gläubigern das Gesetz so ziemlich ganz zu- rückzuziehen. Hiermit begannen die mannigfachen Verwicklungen besonders mal England, Frankreich und Holland, welche auf Grund eben jenes Gesetzes und dafür substituirter und nicht gehaltener Verträge die letzten zehn Jahre durchziehen, und, so tragisch sie sich öfters zu gestalten schienen, doch immer mit derselben Komik endigten, daß — freilich zum steigenden Ruin des Staates in moralischer wie finanzieller Hinsicht — die großspreche¬ rischer Monagas klein zugeben mußten. Im Januar 1851 wählte der Congreß unter dem Terronsmus der Waf¬ fen den General Jos6 Gregvrlv Monagas zum Präsidenten. Hatte der Bruder >n seiner Administration immer noch ein gewisses Decorum zur Schau getra¬ gen, so siel unter des letzter» Regierung auch dieser Rest von Form: das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/514>, abgerufen am 30.12.2024.