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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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18, Jahrhunderts zu geben, als eine Durchmusterung der Höfe. Man wollte
allerdings auch die Gewerbe befördern, aber doch wesentlich nur um den
Glanz der Negierung zu heben, und man unterstützte daher mit Staatsmitteln
wesentlich nur Fabriken, mit denen zu glänzen war, Porzellanfabriken. Webe¬
reien kostbarer Stoffe. Verfertigung von Tressen und andern Luxusartikeln,
überhaupt war das Treibhauswesen und das unvernünftigste Schutzsystem an
der Tagesordnung, man forcirte durch Monopole und Verbote gewisse Indu¬
strien, welche den Verhältnissen widersprachen, und ließ alte einheimische Ge¬
werbe verfallen; welch eine Finsterniß in nationalökonomischen Ansichten aber
herrschte auch überall! Die Caricatur des Merkantilsystems galt überall als
höchste Weisheit, das Geld hübsch im Lande behalten, war die Hauptidee, und
selbst Friedrich der Große empfahl den Leuten, Warmbier statt Kaffee zu trin¬
ken und das viele schone Geld, welches für diesen außer Landes gehe, in der
Tasche zu behalten. Von den Grundsätzen, welche jetzt sür jeden Staatswirth
als fundamental gelten, hatte man damals noch keine Ahnung, freilich er¬
schien auch Adam Smiths Werk erst 1776 und diesem verdanken wir in Deutsch¬
land doch die ersten Anfänge rationeller Ansichten,

Jene Zerstückung und Künstlichkeit der deutsche" Industrie hatte auch die
üble Folge, daß von einem deutschen Handel nur sehr uneigentlich zu reden
war. überall waren künstliche Mittelpunkte geschaffen, von den alten einfachen
Handelszügen, welche die Hansa und die süddeutschen Städte groß gemacht,
war nichts geblieben, von einer Handelspolitik des Reiches gab es keine Spur,
die Industrien der einzelnen deutschen Länder standen sich oft feindlicher gegen¬
über als denen des Auslandes, die kleinen Staaten wurden dabei durch die
Begünstigungen und Verbote der größern so in Nachtheil gestellt, daß die
Concurrenz oft fast unmöglich ward. nachhaltiger als durch solche Mittel
förderte Preußen dnrch religiöse Toleranz seine Industrie, indem es den ver¬
triebenen französischen Reformirten. den Salzburgern und Pfälzern sein Land
öffnete, und dadurch an intelligenten Köpfen wie an fleißigen Armen gewann.
Aufs äußerste wurde der Handel erschwert durch die elende Natur der Verkehrs¬
wege; Chausseen und gepflasterte Straßen kannte man nicht, die Wagen ver¬
sanken oft im Kothe oder Sande, Friedrich der Große fand darin nichts
Schlimmes, da die Fremden ja so länger im Lande blieben und mehr Geld
verzehrten! Wasser- und Landstraßen waren ans das unerträglichste mit Zöllen,
Passagegeldern, Regal- und Umschlagsrcchten überbürdet, dabei denke man sich
Deutschland in mehr als 100 Zollgebiete zerfallen. Wenn nichts desto weniger
seit dem Anfange des vorigen Jahrhunderts sich Gewerbe und Handel hoben,
namentlich wo der Bürgerstand, freiern Spielraum hatte, so zeugt dies für
die unverwüstliche Tüchtigkeit desselben. Der Antheil, den die Hansestädte z. B.
am Welthandel nahmen, war bedeutend, Hamburg hatte 160 Seeschiffe (jetzt


18, Jahrhunderts zu geben, als eine Durchmusterung der Höfe. Man wollte
allerdings auch die Gewerbe befördern, aber doch wesentlich nur um den
Glanz der Negierung zu heben, und man unterstützte daher mit Staatsmitteln
wesentlich nur Fabriken, mit denen zu glänzen war, Porzellanfabriken. Webe¬
reien kostbarer Stoffe. Verfertigung von Tressen und andern Luxusartikeln,
überhaupt war das Treibhauswesen und das unvernünftigste Schutzsystem an
der Tagesordnung, man forcirte durch Monopole und Verbote gewisse Indu¬
strien, welche den Verhältnissen widersprachen, und ließ alte einheimische Ge¬
werbe verfallen; welch eine Finsterniß in nationalökonomischen Ansichten aber
herrschte auch überall! Die Caricatur des Merkantilsystems galt überall als
höchste Weisheit, das Geld hübsch im Lande behalten, war die Hauptidee, und
selbst Friedrich der Große empfahl den Leuten, Warmbier statt Kaffee zu trin¬
ken und das viele schone Geld, welches für diesen außer Landes gehe, in der
Tasche zu behalten. Von den Grundsätzen, welche jetzt sür jeden Staatswirth
als fundamental gelten, hatte man damals noch keine Ahnung, freilich er¬
schien auch Adam Smiths Werk erst 1776 und diesem verdanken wir in Deutsch¬
land doch die ersten Anfänge rationeller Ansichten,

Jene Zerstückung und Künstlichkeit der deutsche» Industrie hatte auch die
üble Folge, daß von einem deutschen Handel nur sehr uneigentlich zu reden
war. überall waren künstliche Mittelpunkte geschaffen, von den alten einfachen
Handelszügen, welche die Hansa und die süddeutschen Städte groß gemacht,
war nichts geblieben, von einer Handelspolitik des Reiches gab es keine Spur,
die Industrien der einzelnen deutschen Länder standen sich oft feindlicher gegen¬
über als denen des Auslandes, die kleinen Staaten wurden dabei durch die
Begünstigungen und Verbote der größern so in Nachtheil gestellt, daß die
Concurrenz oft fast unmöglich ward. nachhaltiger als durch solche Mittel
förderte Preußen dnrch religiöse Toleranz seine Industrie, indem es den ver¬
triebenen französischen Reformirten. den Salzburgern und Pfälzern sein Land
öffnete, und dadurch an intelligenten Köpfen wie an fleißigen Armen gewann.
Aufs äußerste wurde der Handel erschwert durch die elende Natur der Verkehrs¬
wege; Chausseen und gepflasterte Straßen kannte man nicht, die Wagen ver¬
sanken oft im Kothe oder Sande, Friedrich der Große fand darin nichts
Schlimmes, da die Fremden ja so länger im Lande blieben und mehr Geld
verzehrten! Wasser- und Landstraßen waren ans das unerträglichste mit Zöllen,
Passagegeldern, Regal- und Umschlagsrcchten überbürdet, dabei denke man sich
Deutschland in mehr als 100 Zollgebiete zerfallen. Wenn nichts desto weniger
seit dem Anfange des vorigen Jahrhunderts sich Gewerbe und Handel hoben,
namentlich wo der Bürgerstand, freiern Spielraum hatte, so zeugt dies für
die unverwüstliche Tüchtigkeit desselben. Der Antheil, den die Hansestädte z. B.
am Welthandel nahmen, war bedeutend, Hamburg hatte 160 Seeschiffe (jetzt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/502>, abgerufen am 21.12.2024.