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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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durchgängig auf einer bessern Grundlage herüben, als im vorigen Jahrhundert,
so ist dies noch in weit dotieren Grade von der Finanzpolitik zu sagen. Zwar
mochten wir die heutigen Systeme mit ihren vielfachen Eremtionen. Begün¬
stigungen und dem bureaukratischen Geschäftsgang keineswegs als Muster hin¬
stellen, aber doch wird man überall ein viel rationelleres Perfahren finden,
die nominelle Besteurung kommt im Durchschnitt vielleicht heute der des vo¬
rigen Jahrhunderts gleich, aber abgesehen von dein damaligen höhern Geld¬
werthe war Deutschlands Volksvermögen unendlich genuger als jetzt, und
die Vertheilung der Abgaben sehr ungleich; dazu rechne man die zahllosen
Zehnten, Gulden. Frohndcn u. s. w., welche jetzt durchgängig abgelöst sind,
die Willkürlichkeit der Verwaltung, die Erpressungen der Beamten, die Münz-
verschlechterungen. Mit Recht sagt Biedermann, "die Finanzpolitik des vori¬
gen Jahrhunderts suchte ihre höchste Weisheit darin, so viel Geld als mög¬
lich für die fürstlichen Kassen aus den Taschen der Unterthanen zu ziehen und
zwar womöglich, ohne daß diese selbst recht merkten, wie viel sie gaben."
Daher wurden die indirekten Steuern und besonders die Accise ausgebildet
und nur wenige erfolglose Versuche wurden nach der andern Seite hin gemacht,
indem man plötzlich zu dem entgegengesetzten Extrem des lui>ut> nimMo, der
Phusiokraten übersprang. In den Händen eines Friedrich des Großen ward
selbst diese falsche Finanzpolitik das Mittel Großes für das Land zu thun. In
den letzten 23 Jahren seiner Regierung verwandte er über 23 Mi". Thlr. für
Culturzwecke, Unterstützung des Handels, der Gewerbe, Verbesserung des Bo¬
dens; sein Hofstaat war dafür aber desto einfacher und kostete nie mehr als
220,000 Thlr.. während kleinere Fürsten Millionen dafür verschwendeten, seine
Garderobe taufte ein Jude nach seinem Tode sür 400 Thlr., welcher Gegen¬
satz zu den l0<> seidenen Schlasröcken des Grafen Brühl! Friedrichs Hofstaat
bestand aus circa 50 Personen, der Karl Theodors von Baiern aus 2000.
Der Verfasser sührt bei letzterm noch den Hofkalender von 1783 auf: 431 Kam-
merherren, 01 Kammerdiener und Hoflakaien, 3 Hofzwergc. 2 Hofpoeten,
52 Hostapiäne, 21 Hostrompeter, 130 Musiker, 20 Hofmaler, 21 Leibarzte,
27 Truchsesse, 181 andere sür Essen und Trinken Angestellte. 178 Marställ-
beamtc u. s. w., und unter seinem Nachfolger Max ging diese Wirthschaft
fort, verbunden mit grober Unsittlichl'eit. Ergötzliche Auszüge von Hofrech¬
nungen in Wien gibt der Verfasser-. "Zum Einweichen des Brotes für die
Papageien des Kaisers jährlich zwei Faß Tokaier, zum Baden derselben 15
Eimer östreichischen Weines, für Petersilie in die Küche 4000 Fi., für den
Schlaftrunk der Kaiserin täglich 12 Kannen Ungarwein." Man sah es als
einen Fortschritt an. daß Marie Theresie den Aufwand für den Hofstaat bis
auf 6 Mill. Fi. verminderte.

Nichts ist geeigneter, einen Einblick in die unproductive Wirthschaft des


durchgängig auf einer bessern Grundlage herüben, als im vorigen Jahrhundert,
so ist dies noch in weit dotieren Grade von der Finanzpolitik zu sagen. Zwar
mochten wir die heutigen Systeme mit ihren vielfachen Eremtionen. Begün¬
stigungen und dem bureaukratischen Geschäftsgang keineswegs als Muster hin¬
stellen, aber doch wird man überall ein viel rationelleres Perfahren finden,
die nominelle Besteurung kommt im Durchschnitt vielleicht heute der des vo¬
rigen Jahrhunderts gleich, aber abgesehen von dein damaligen höhern Geld¬
werthe war Deutschlands Volksvermögen unendlich genuger als jetzt, und
die Vertheilung der Abgaben sehr ungleich; dazu rechne man die zahllosen
Zehnten, Gulden. Frohndcn u. s. w., welche jetzt durchgängig abgelöst sind,
die Willkürlichkeit der Verwaltung, die Erpressungen der Beamten, die Münz-
verschlechterungen. Mit Recht sagt Biedermann, „die Finanzpolitik des vori¬
gen Jahrhunderts suchte ihre höchste Weisheit darin, so viel Geld als mög¬
lich für die fürstlichen Kassen aus den Taschen der Unterthanen zu ziehen und
zwar womöglich, ohne daß diese selbst recht merkten, wie viel sie gaben."
Daher wurden die indirekten Steuern und besonders die Accise ausgebildet
und nur wenige erfolglose Versuche wurden nach der andern Seite hin gemacht,
indem man plötzlich zu dem entgegengesetzten Extrem des lui>ut> nimMo, der
Phusiokraten übersprang. In den Händen eines Friedrich des Großen ward
selbst diese falsche Finanzpolitik das Mittel Großes für das Land zu thun. In
den letzten 23 Jahren seiner Regierung verwandte er über 23 Mi». Thlr. für
Culturzwecke, Unterstützung des Handels, der Gewerbe, Verbesserung des Bo¬
dens; sein Hofstaat war dafür aber desto einfacher und kostete nie mehr als
220,000 Thlr.. während kleinere Fürsten Millionen dafür verschwendeten, seine
Garderobe taufte ein Jude nach seinem Tode sür 400 Thlr., welcher Gegen¬
satz zu den l0<> seidenen Schlasröcken des Grafen Brühl! Friedrichs Hofstaat
bestand aus circa 50 Personen, der Karl Theodors von Baiern aus 2000.
Der Verfasser sührt bei letzterm noch den Hofkalender von 1783 auf: 431 Kam-
merherren, 01 Kammerdiener und Hoflakaien, 3 Hofzwergc. 2 Hofpoeten,
52 Hostapiäne, 21 Hostrompeter, 130 Musiker, 20 Hofmaler, 21 Leibarzte,
27 Truchsesse, 181 andere sür Essen und Trinken Angestellte. 178 Marställ-
beamtc u. s. w., und unter seinem Nachfolger Max ging diese Wirthschaft
fort, verbunden mit grober Unsittlichl'eit. Ergötzliche Auszüge von Hofrech¬
nungen in Wien gibt der Verfasser-. „Zum Einweichen des Brotes für die
Papageien des Kaisers jährlich zwei Faß Tokaier, zum Baden derselben 15
Eimer östreichischen Weines, für Petersilie in die Küche 4000 Fi., für den
Schlaftrunk der Kaiserin täglich 12 Kannen Ungarwein." Man sah es als
einen Fortschritt an. daß Marie Theresie den Aufwand für den Hofstaat bis
auf 6 Mill. Fi. verminderte.

Nichts ist geeigneter, einen Einblick in die unproductive Wirthschaft des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/501>, abgerufen am 21.12.2024.