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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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nicht auflösen durfte, unter Drohung die Deputaten gewaltsam zur Sitzung
herbeischleppen, sprach mit frecher Stirn von Heiligkeit der Verfassung, und
hielt dem Scheincongreß fortwährend den Mordstahl an die Kehle, bis er sein
gehorsames Organ wurde, ihm eine Dankadresse votirte für die Rettung des
Vaterlandes, und in seine Hände außerordentliche Vollmachten zur Aufrecht¬
erhaltung der Ruhe niederlegte.

Unterdeß hatte nemlich Paez, von Adressen und Deputationen bestürmt
mit Bitten, die Consiitution zu rächen, zu den Waffen gegriffen und mit einer
Hand voll Leuten in den Llanos einen glänzenden Feldzug eröffnet. Aber
auch sein Glück wendete sich. Die Sittenverderbniß hatte schon mächtig über¬
Hand genommen; und die Gewalt der Unterdrückung beschleunigte sie. Von
den Seinen verlassen, floh er durch Neugranada nach Curazao. Derselbe Kon¬
greß, welcher Monagas in Anklagestand versetzen sollte, erklärte in Ergeben¬
heit Paez für einen Rebellen. Guzman, durch ein Amnestiedecret zurück¬
gerufen, wurde Minister und die neuen Wahlen 1849 erhoben ihn zum Vice-
präsidenten. Im Juni 49 wagte die Oligarchenpartci noch einen Aufstand
gegen Monagas; aber nur um sich mit neuer Schande zu bedecken. Paez.
nach Coro herbeigerufen, wurde wiederum im Stiche gelassen, mußte capitu-
lum. verfiel gegen den Vertrag einer strengen Haft im Gefängniß von Ca¬
racas und verdankte seine Freilassung nur dem Gerechtigkeitsgefühl eines
politischen Gegners, des freimüthigen Kongreßmitgliedes Nendon. Gebeugt
von Schmerz über den Ruin seines Vaterlandes schiffte sich der verbannte Pa.
triot nach >Neuyork ein und genoß nur noch die Genugthuung, daß ihm dort
von Negierung und Volk ein überaus glänzender Empfang zu Theil wurde.

Zu spät sollte dieser merkwürdige Mann mit europäischer Civilisation,
mit dem Geiste der Industrie und dem Segen, der auf strenger Arbeit ruht,
aus eigner Anschauung bekannt werden, um in Zeiten auch nach dieser Seite
seinem Volke wesentliche Dienste zu leisten. Hat ihn die neue Regierung jetzt
auch ehrenvoll zurückgerufen, um ihr rathend beizustehen: "8 Jahr alt ist
Paez doch eine Größe, die wesentlich der Vergangenheit angehört. Mit Schmerz
sahen wir das selbst, als wir vom Süden kommend ihn in Neuyork kennen
lernten. Wenige Jahre gezwungener Thatenlosigkeit, wo er auf Unterstützung
seiner Familie verwiesen, Muße fand, über den Wechsel menschlicher Geschicke,
über bittere Enttäuschungen, über Undank, der dem Verdienste folgt, nach¬
zudenken, haben genügt, die Schnellkraft der Jugend in ihm ganz zu lahmen
und das Feuer seines Geistes zu dämpfen. Aber auch jetzt noch flößt die
rüstige militärische Haltung des kleinen untersetzten Mannes, der sich auf einer
europäischen Reise, die ihn selbst bis Dresden und Berlin führte, trotz des
beabsichtigten Jncognito nicht den Aufmerksamkeiten der Höfe von Se. James
und der Tuilerin entziehen konnte, Respect ein. Wir sind gespannt, zu hören,


nicht auflösen durfte, unter Drohung die Deputaten gewaltsam zur Sitzung
herbeischleppen, sprach mit frecher Stirn von Heiligkeit der Verfassung, und
hielt dem Scheincongreß fortwährend den Mordstahl an die Kehle, bis er sein
gehorsames Organ wurde, ihm eine Dankadresse votirte für die Rettung des
Vaterlandes, und in seine Hände außerordentliche Vollmachten zur Aufrecht¬
erhaltung der Ruhe niederlegte.

Unterdeß hatte nemlich Paez, von Adressen und Deputationen bestürmt
mit Bitten, die Consiitution zu rächen, zu den Waffen gegriffen und mit einer
Hand voll Leuten in den Llanos einen glänzenden Feldzug eröffnet. Aber
auch sein Glück wendete sich. Die Sittenverderbniß hatte schon mächtig über¬
Hand genommen; und die Gewalt der Unterdrückung beschleunigte sie. Von
den Seinen verlassen, floh er durch Neugranada nach Curazao. Derselbe Kon¬
greß, welcher Monagas in Anklagestand versetzen sollte, erklärte in Ergeben¬
heit Paez für einen Rebellen. Guzman, durch ein Amnestiedecret zurück¬
gerufen, wurde Minister und die neuen Wahlen 1849 erhoben ihn zum Vice-
präsidenten. Im Juni 49 wagte die Oligarchenpartci noch einen Aufstand
gegen Monagas; aber nur um sich mit neuer Schande zu bedecken. Paez.
nach Coro herbeigerufen, wurde wiederum im Stiche gelassen, mußte capitu-
lum. verfiel gegen den Vertrag einer strengen Haft im Gefängniß von Ca¬
racas und verdankte seine Freilassung nur dem Gerechtigkeitsgefühl eines
politischen Gegners, des freimüthigen Kongreßmitgliedes Nendon. Gebeugt
von Schmerz über den Ruin seines Vaterlandes schiffte sich der verbannte Pa.
triot nach >Neuyork ein und genoß nur noch die Genugthuung, daß ihm dort
von Negierung und Volk ein überaus glänzender Empfang zu Theil wurde.

Zu spät sollte dieser merkwürdige Mann mit europäischer Civilisation,
mit dem Geiste der Industrie und dem Segen, der auf strenger Arbeit ruht,
aus eigner Anschauung bekannt werden, um in Zeiten auch nach dieser Seite
seinem Volke wesentliche Dienste zu leisten. Hat ihn die neue Regierung jetzt
auch ehrenvoll zurückgerufen, um ihr rathend beizustehen: «8 Jahr alt ist
Paez doch eine Größe, die wesentlich der Vergangenheit angehört. Mit Schmerz
sahen wir das selbst, als wir vom Süden kommend ihn in Neuyork kennen
lernten. Wenige Jahre gezwungener Thatenlosigkeit, wo er auf Unterstützung
seiner Familie verwiesen, Muße fand, über den Wechsel menschlicher Geschicke,
über bittere Enttäuschungen, über Undank, der dem Verdienste folgt, nach¬
zudenken, haben genügt, die Schnellkraft der Jugend in ihm ganz zu lahmen
und das Feuer seines Geistes zu dämpfen. Aber auch jetzt noch flößt die
rüstige militärische Haltung des kleinen untersetzten Mannes, der sich auf einer
europäischen Reise, die ihn selbst bis Dresden und Berlin führte, trotz des
beabsichtigten Jncognito nicht den Aufmerksamkeiten der Höfe von Se. James
und der Tuilerin entziehen konnte, Respect ein. Wir sind gespannt, zu hören,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/478>, abgerufen am 22.12.2024.