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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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sich plötzlich auf seine Güter zurück und und seinem Scheiden umwölkte sich
der Horizont mehr und mehr: die Aufregung der Hauptstadt theilte sich bald
dem ganzen Lande mit; und es konnte nicht fehlen, daß eine allgemeine Oppo¬
sition sich gegen Monagas erhob. Zunächst machte sie sich in heftigen Angriffen
der Presse Luft. Dann aber schritt man zu ernsteren Maßregeln. Die verschiednen
Provinziaideputativnen beriethen Adressen, worin sie vom Kongresse forderten
er solle den Präsidenten in Anklagestand versetzen, und als im Jan. 48 der
Zusammentritt des erstem erfolgen sollte, war eine Stimme darüber, das;
Letzterer seinem Schicksale nicht entgehen werde.

Monagas sah das Ungewitter nahen und rüstete sich zu entschlossenem,
wenn auch blutigem Widerstand. Als er sich durch Kundschafter und Spione
der großen Uebermacht der Opposition im eben zu eröffnenden Kongresse ver¬
gewissert, ließ er, schon von zahlreichen Truppen umgeben, die von den frech¬
sten Parteiführern befehligt wurden, dazu noch uuter die Neger Waffen ver¬
theilen. Es fehlte nicht an offnen Drohungen der furchtbarsten Art; die Stadt
schwebte zwischen Leben und Tod; von Haus zu Haus flatterte in der Nacht
des 23. Jan. das Mordgespenst, Angst und Schrecken hielt die Familien
innerhalb der verrammelten Thüren wach. Da, am Mittag des 24. Jan.
-- der Kongreß war eben zu voller Sitzung versammelt, um seinein Rechte
gemäß zur Freiheit seiner Berathungen über einen andern Versammlungsort
zu beschließen -- marschiren, in Gegenwart des Präsidenten, in allem militä¬
rischen Apparat vor dem Gouvernementshause die Truppen vorüber, nachdem
alten Kloster San Francisco, stürzen in das Sitzungslocal und sprengen mit
Säbelhieben und Gewehrfeuer die Versammlung. Vier Deputirte blieben todt
aus dem Platze, einer-wurde schwer verwundet.*) Am andern Tage erschien
eine Proklamation des Präsidenten, worin er die blutigen Scenen beklagt und
dem Pöbel zuschreibt. Wenige Monate nachher wurde durch ein Decret der
24. Jan. zum Nationalfest erhoben.

Ein Attentat führte das andere herbei. Monagas, womöglich den Schein
der Legalität wahrend, ließ nun, da er der Constitution zufolge die Kammern



") An den Folgen der Aufregung starb bald darauf in Jamaica noch einer der hervor¬
ragendsten Deputaten und gefürchtetsten Feinde von Monagas, Garcia, der -- ein Vulkan
von Leidenschaft und unbeugsam, einer der wenigen Venezolaner von altcastilischem Stahle --
dem Gemetzel entronnen war. Monagas, sich nicht sicher haltend, so lange dieser lebte, gab
Befehl, ihn todt oder lebendig auszuliefern. Aber seine Elasticität und Beweglichkeit spottete
allen Auflaurern. Hände und Gesicht geschwärzt, vielfach verkleidet, wußte er, von allen ge¬
kannt, sich doch Tage lang in der Stadt zu verberge". Dann im Gebirge wie ein Wild ge¬
hetzt, brachte er bald eine Nacht auf einem Baume zu, unter dem die Schergen hinweggingen,
bald foppte er sie, als sie jh" ganz sicher zu haben meinten, dadurch, daß er sich buchstäblich
stunden lang unter dem Wasser verbarg -- bis ihm gelang die Küste zu erreichen. Er war
ein Schrecken der Neger und Zambos; seine Figur wurde mythisch, noch während er unter
ihnen, bald hier, bald dort gesehen, und doch unnahbar, hauste.

sich plötzlich auf seine Güter zurück und und seinem Scheiden umwölkte sich
der Horizont mehr und mehr: die Aufregung der Hauptstadt theilte sich bald
dem ganzen Lande mit; und es konnte nicht fehlen, daß eine allgemeine Oppo¬
sition sich gegen Monagas erhob. Zunächst machte sie sich in heftigen Angriffen
der Presse Luft. Dann aber schritt man zu ernsteren Maßregeln. Die verschiednen
Provinziaideputativnen beriethen Adressen, worin sie vom Kongresse forderten
er solle den Präsidenten in Anklagestand versetzen, und als im Jan. 48 der
Zusammentritt des erstem erfolgen sollte, war eine Stimme darüber, das;
Letzterer seinem Schicksale nicht entgehen werde.

Monagas sah das Ungewitter nahen und rüstete sich zu entschlossenem,
wenn auch blutigem Widerstand. Als er sich durch Kundschafter und Spione
der großen Uebermacht der Opposition im eben zu eröffnenden Kongresse ver¬
gewissert, ließ er, schon von zahlreichen Truppen umgeben, die von den frech¬
sten Parteiführern befehligt wurden, dazu noch uuter die Neger Waffen ver¬
theilen. Es fehlte nicht an offnen Drohungen der furchtbarsten Art; die Stadt
schwebte zwischen Leben und Tod; von Haus zu Haus flatterte in der Nacht
des 23. Jan. das Mordgespenst, Angst und Schrecken hielt die Familien
innerhalb der verrammelten Thüren wach. Da, am Mittag des 24. Jan.
— der Kongreß war eben zu voller Sitzung versammelt, um seinein Rechte
gemäß zur Freiheit seiner Berathungen über einen andern Versammlungsort
zu beschließen — marschiren, in Gegenwart des Präsidenten, in allem militä¬
rischen Apparat vor dem Gouvernementshause die Truppen vorüber, nachdem
alten Kloster San Francisco, stürzen in das Sitzungslocal und sprengen mit
Säbelhieben und Gewehrfeuer die Versammlung. Vier Deputirte blieben todt
aus dem Platze, einer-wurde schwer verwundet.*) Am andern Tage erschien
eine Proklamation des Präsidenten, worin er die blutigen Scenen beklagt und
dem Pöbel zuschreibt. Wenige Monate nachher wurde durch ein Decret der
24. Jan. zum Nationalfest erhoben.

Ein Attentat führte das andere herbei. Monagas, womöglich den Schein
der Legalität wahrend, ließ nun, da er der Constitution zufolge die Kammern



") An den Folgen der Aufregung starb bald darauf in Jamaica noch einer der hervor¬
ragendsten Deputaten und gefürchtetsten Feinde von Monagas, Garcia, der — ein Vulkan
von Leidenschaft und unbeugsam, einer der wenigen Venezolaner von altcastilischem Stahle —
dem Gemetzel entronnen war. Monagas, sich nicht sicher haltend, so lange dieser lebte, gab
Befehl, ihn todt oder lebendig auszuliefern. Aber seine Elasticität und Beweglichkeit spottete
allen Auflaurern. Hände und Gesicht geschwärzt, vielfach verkleidet, wußte er, von allen ge¬
kannt, sich doch Tage lang in der Stadt zu verberge». Dann im Gebirge wie ein Wild ge¬
hetzt, brachte er bald eine Nacht auf einem Baume zu, unter dem die Schergen hinweggingen,
bald foppte er sie, als sie jh„ ganz sicher zu haben meinten, dadurch, daß er sich buchstäblich
stunden lang unter dem Wasser verbarg — bis ihm gelang die Küste zu erreichen. Er war
ein Schrecken der Neger und Zambos; seine Figur wurde mythisch, noch während er unter
ihnen, bald hier, bald dort gesehen, und doch unnahbar, hauste.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/477>, abgerufen am 22.12.2024.