Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.der Kummer ein Gewicht, das sich in Summen bringen ließe, wie viel tausend der Kummer ein Gewicht, das sich in Summen bringen ließe, wie viel tausend <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0468" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186881"/> <p xml:id="ID_1050" prev="#ID_1049" next="#ID_1051"> der Kummer ein Gewicht, das sich in Summen bringen ließe, wie viel tausend<lb/> Centner würden in diesen Blättern auseinanderliegen!" so schrieb Heyne. als<lb/> er nach Müllers Tod die 60 Amtsbriefe desselben seinem Bruder übersandte.<lb/> Sie machen in der That einen traurigen Eindruck. — 22. Jun. 1808. „Es<lb/> kommt so viel zusammen, daß das Maß zuweilen überläuft; die Anmaßungen<lb/> der Präfecte. welchen unbegreiflicherweise ursprünglich die Aufsicht über die<lb/> Studien in den Departements aufgetragen wurde, und welche nun fortfahren,<lb/> hinter meinem Rücken zu operiren; unüberwindliche Vorurtheile gegen die Zahl<lb/> der Professoren! die Unordnung, welche zu», Theil artificiell ist, indem der Stand<lb/> der Sache manchmal verhehlt wird. Aus diesem allem ensteht so viel Aerger.<lb/> daß ich mehrmnls gedacht habe, meine Stelle niederzulegen; das Eine hält<lb/> mich ab. daß ich fürchte, sie komme in gar unrechte Hände." — 3. Nov. „Es<lb/> geht oft hart; und wenn ick meiner jugendlichen Vorsätze, Pläne. Hoffnungen<lb/> gedenke, bricht mir das Herz." — 20. Nov. „Ich muß dies Leid mit anderm<lb/> schlucken, das wirklich anfängt meine Gesundheit zu untergraben. Ich hegte<lb/> immer die Hoffnung, durch die Aufopferung meiner selbst etwas Gutes für<lb/> die Wissenschaft zu wirken; sie verläßt mich mehr als je, Sie sehen mich viel¬<lb/> leicht bald ohne Gehalt, ohne Vermögen, verschuldet, meinem Gefühl alles<lb/> aufopfern." — 23. Nov. „Diesmal habe ich mich nicht enthalten können,<lb/> meinen lebhaftesten Unwillen auszudrücken; sollte ich nicht lieber zu Fuß<lb/> fortgehn, als scheinen solchen Dingen meinen Namen zu leihn. — Ich<lb/> halte meine Seele empor, so gut ich kann; es hält aber sehr schwer.<lb/> Die Erinnerung voriger Zeit, wo ich in der Freiheit oder unter gütigen Für¬<lb/> sten in Ruhe die Geschichte schrieb, erregt in mir gewöhnlich ^ Neigung zu<lb/> Thränen." So geht es durch alle Briefe dieser traurigen Jahre; man muß<lb/> sagen, daß Müller seine Schuld schwer gebüßt hat. — Eine festere Stellung<lb/> hatte der alte Heyne. Nach Wolfs Vorgang ist man gegen diesen würdigen<lb/> Mann höchst ungerecht gewesen; seine philologische Methode läßt freilich viel<lb/> zu wünschen übrig, aber in unserer classischen Periode hat er durch Anregung<lb/> aufs segensreichste gewirkt, und in der» Zeit der Noth den fremden Eroberern<lb/> gegenüber mit edler Männlichkeit die Würde der Wissenschaft gewahrt. „Das<lb/> Peinliche Ihrer Lage, schreibt er an Müller 27. Juni 1808, sah und dachte<lb/> ich mir längst; Sie sind wirklich Märtyrer der guten Studien, aber wir sind<lb/> nun einmal für die Hefe der Zeiten aufbehalten. Zu verhindern, daß nicht<lb/> alles noch schlimmer oder ganz schlecht wird, ist für diese Zeiten ein so gro¬<lb/> ßes Verdienst, als zu anderer Zeit ein Volk auf den Gipfel der guten Lite¬<lb/> ratur zu erheben . . Ich habe mich längst auf den Fuß gesetzt, nichts zu<lb/> hoffen, aber mit aller Kraft zu handeln, als hoffte ich alles. Dank sei dem<lb/> Himmel, die Erfahrung hat mich belehrt, daß auf diesem Wege immer noch<lb/> etwas gewonnen wird, und man bewahrt sich dabei gegen Täuschung und</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0468]
der Kummer ein Gewicht, das sich in Summen bringen ließe, wie viel tausend
Centner würden in diesen Blättern auseinanderliegen!" so schrieb Heyne. als
er nach Müllers Tod die 60 Amtsbriefe desselben seinem Bruder übersandte.
Sie machen in der That einen traurigen Eindruck. — 22. Jun. 1808. „Es
kommt so viel zusammen, daß das Maß zuweilen überläuft; die Anmaßungen
der Präfecte. welchen unbegreiflicherweise ursprünglich die Aufsicht über die
Studien in den Departements aufgetragen wurde, und welche nun fortfahren,
hinter meinem Rücken zu operiren; unüberwindliche Vorurtheile gegen die Zahl
der Professoren! die Unordnung, welche zu», Theil artificiell ist, indem der Stand
der Sache manchmal verhehlt wird. Aus diesem allem ensteht so viel Aerger.
daß ich mehrmnls gedacht habe, meine Stelle niederzulegen; das Eine hält
mich ab. daß ich fürchte, sie komme in gar unrechte Hände." — 3. Nov. „Es
geht oft hart; und wenn ick meiner jugendlichen Vorsätze, Pläne. Hoffnungen
gedenke, bricht mir das Herz." — 20. Nov. „Ich muß dies Leid mit anderm
schlucken, das wirklich anfängt meine Gesundheit zu untergraben. Ich hegte
immer die Hoffnung, durch die Aufopferung meiner selbst etwas Gutes für
die Wissenschaft zu wirken; sie verläßt mich mehr als je, Sie sehen mich viel¬
leicht bald ohne Gehalt, ohne Vermögen, verschuldet, meinem Gefühl alles
aufopfern." — 23. Nov. „Diesmal habe ich mich nicht enthalten können,
meinen lebhaftesten Unwillen auszudrücken; sollte ich nicht lieber zu Fuß
fortgehn, als scheinen solchen Dingen meinen Namen zu leihn. — Ich
halte meine Seele empor, so gut ich kann; es hält aber sehr schwer.
Die Erinnerung voriger Zeit, wo ich in der Freiheit oder unter gütigen Für¬
sten in Ruhe die Geschichte schrieb, erregt in mir gewöhnlich ^ Neigung zu
Thränen." So geht es durch alle Briefe dieser traurigen Jahre; man muß
sagen, daß Müller seine Schuld schwer gebüßt hat. — Eine festere Stellung
hatte der alte Heyne. Nach Wolfs Vorgang ist man gegen diesen würdigen
Mann höchst ungerecht gewesen; seine philologische Methode läßt freilich viel
zu wünschen übrig, aber in unserer classischen Periode hat er durch Anregung
aufs segensreichste gewirkt, und in der» Zeit der Noth den fremden Eroberern
gegenüber mit edler Männlichkeit die Würde der Wissenschaft gewahrt. „Das
Peinliche Ihrer Lage, schreibt er an Müller 27. Juni 1808, sah und dachte
ich mir längst; Sie sind wirklich Märtyrer der guten Studien, aber wir sind
nun einmal für die Hefe der Zeiten aufbehalten. Zu verhindern, daß nicht
alles noch schlimmer oder ganz schlecht wird, ist für diese Zeiten ein so gro¬
ßes Verdienst, als zu anderer Zeit ein Volk auf den Gipfel der guten Lite¬
ratur zu erheben . . Ich habe mich längst auf den Fuß gesetzt, nichts zu
hoffen, aber mit aller Kraft zu handeln, als hoffte ich alles. Dank sei dem
Himmel, die Erfahrung hat mich belehrt, daß auf diesem Wege immer noch
etwas gewonnen wird, und man bewahrt sich dabei gegen Täuschung und
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