Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.Unmuth. Die Menschen zwingen, daß sie etwas Besseres thun oder thun Unmuth. Die Menschen zwingen, daß sie etwas Besseres thun oder thun <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0469" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186882"/> <p xml:id="ID_1051" prev="#ID_1050" next="#ID_1052"> Unmuth. Die Menschen zwingen, daß sie etwas Besseres thun oder thun<lb/> lassen, als sie selbst wollen und gern ungeschehen sähen, ist für mich noch<lb/> die einzige Aufheiterung, deren ich fähig bin." 23. Sept. 1808: „Tief fühle<lb/> ich den Unmuth. der Sie drücken und Ihr edles Herz beugen muß; mit be¬<lb/> klemmtem Herzen berechne ich es. wohin ein solches Verfahren endlich füh¬<lb/> ren muß. und worauf es vielleicht gar angelegt ist. Halten Sie gleichwol<lb/> dos Steuerruder fest . . . Nur Gewalt mus^Sie verdrängen; nie geben Sie<lb/> das Hest denen, die Sie verdrängen wollen, in die Hand; ist alles ohne Hoff¬<lb/> nung zur Rettung. so muß doch Ihr Rückzug gesichert und ehrenvoll sein."<lb/> 24. Nov. 1808: „Wir sehen voraus, daß Sie selbst nichts wirken können;<lb/> man verlangt blos Ausführung französischer Beschlüsse; ich beklage Sie, Ihre<lb/> verzweifelte Lage, unsere Universität, unsere Literatur. Deutschland . . . Sie<lb/> so wenig als ich können den Strom aufhalten, nicht einmal die Ufer sichern<lb/> . . Sie wünschte ich in Sicherheit; mich rettet Aller und dessen natürliche<lb/> Folge . . . Wie bedaure ich Sie, daß Sie das Ende Ihrer Laufbahn nicht<lb/> so nahe vor sich sehen als ich!" — Am 19. Sept, 1808, als ein Geschenk<lb/> des Königs in den Gek. Anz. zu melden war. schreibt er: „Das Schöne und<lb/> Gute preise ich gern, aber die Würde der Universität liegt mir auch am Her¬<lb/> zen, und doch auch daneben die Achtung meiner Deutschen gegen mich selbst;<lb/> so ist es mir unmöglich, bis zur französischen Hyperbolc hinaufzuklimmen."<lb/> — Es war vielleicht eine Folge solcher Aeußerungen, daß mit Borwissen<lb/> Müllers die Abfassung des neuen Programms dem theol. Prof. Eichhorn<lb/> übertragen wurde. Er führte seinen Auftrag mit einer so lächerlichen Krie¬<lb/> cherei aus. daß Heyne empört wurde. (2. Nov. 1808) „Wenn von meiner<lb/> persönlichen Kränkung die Rede wäre, würde ich mich bald darüber wegsetzen;<lb/> aber es ist die Herabwürdigung der Georgia Augusta. was mir weh thut<lb/> . . . Daß mein Ton. meine Denk- und Handlungsart zu der neuen Ordnung<lb/> der Dinge nicht paßt, sage ich laut; aber meinen Charakter muß ich behaup¬<lb/> ten; es wäre schändlich, in meinem achtzigsten Jahr noch in die große Classe<lb/> der Menschen mich einzumischen, die kein Gefühl für die Würde der Univer¬<lb/> sität haben, ebenso wenig von dem. was sie sich, dem alten Vaterland, der<lb/> allen Negierung schuldig sind." Das Schlimmste war. daß das Programm<lb/> anonym erschien, also Henne zugeschrieben werden konnte: „Ich kann unmög¬<lb/> lich die Abfassung der akademischen Programme weiter fortsetzen, weder mit<lb/> Ehren, noch mit Nutzen . . . Das auswärtige Publicum ist einmal an<lb/> meinem Charakter irre geworden, und die Würde der Universität ist nun be¬<lb/> fleckt, ihr Ansehen gesunken, Patrioten sind voll Unwillen, und der rohe, ge¬<lb/> mein denkende Haufe jubelt. Alles was ich weiter zur Behauptung der alten<lb/> Achtung für Göttingen sagen und schreiben konnte, hat seinen Eindruck ver-<lb/> loren; nur wenige wissen den eigentlichen Vorgang, die Meisten schütteln den</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0469]
Unmuth. Die Menschen zwingen, daß sie etwas Besseres thun oder thun
lassen, als sie selbst wollen und gern ungeschehen sähen, ist für mich noch
die einzige Aufheiterung, deren ich fähig bin." 23. Sept. 1808: „Tief fühle
ich den Unmuth. der Sie drücken und Ihr edles Herz beugen muß; mit be¬
klemmtem Herzen berechne ich es. wohin ein solches Verfahren endlich füh¬
ren muß. und worauf es vielleicht gar angelegt ist. Halten Sie gleichwol
dos Steuerruder fest . . . Nur Gewalt mus^Sie verdrängen; nie geben Sie
das Hest denen, die Sie verdrängen wollen, in die Hand; ist alles ohne Hoff¬
nung zur Rettung. so muß doch Ihr Rückzug gesichert und ehrenvoll sein."
24. Nov. 1808: „Wir sehen voraus, daß Sie selbst nichts wirken können;
man verlangt blos Ausführung französischer Beschlüsse; ich beklage Sie, Ihre
verzweifelte Lage, unsere Universität, unsere Literatur. Deutschland . . . Sie
so wenig als ich können den Strom aufhalten, nicht einmal die Ufer sichern
. . Sie wünschte ich in Sicherheit; mich rettet Aller und dessen natürliche
Folge . . . Wie bedaure ich Sie, daß Sie das Ende Ihrer Laufbahn nicht
so nahe vor sich sehen als ich!" — Am 19. Sept, 1808, als ein Geschenk
des Königs in den Gek. Anz. zu melden war. schreibt er: „Das Schöne und
Gute preise ich gern, aber die Würde der Universität liegt mir auch am Her¬
zen, und doch auch daneben die Achtung meiner Deutschen gegen mich selbst;
so ist es mir unmöglich, bis zur französischen Hyperbolc hinaufzuklimmen."
— Es war vielleicht eine Folge solcher Aeußerungen, daß mit Borwissen
Müllers die Abfassung des neuen Programms dem theol. Prof. Eichhorn
übertragen wurde. Er führte seinen Auftrag mit einer so lächerlichen Krie¬
cherei aus. daß Heyne empört wurde. (2. Nov. 1808) „Wenn von meiner
persönlichen Kränkung die Rede wäre, würde ich mich bald darüber wegsetzen;
aber es ist die Herabwürdigung der Georgia Augusta. was mir weh thut
. . . Daß mein Ton. meine Denk- und Handlungsart zu der neuen Ordnung
der Dinge nicht paßt, sage ich laut; aber meinen Charakter muß ich behaup¬
ten; es wäre schändlich, in meinem achtzigsten Jahr noch in die große Classe
der Menschen mich einzumischen, die kein Gefühl für die Würde der Univer¬
sität haben, ebenso wenig von dem. was sie sich, dem alten Vaterland, der
allen Negierung schuldig sind." Das Schlimmste war. daß das Programm
anonym erschien, also Henne zugeschrieben werden konnte: „Ich kann unmög¬
lich die Abfassung der akademischen Programme weiter fortsetzen, weder mit
Ehren, noch mit Nutzen . . . Das auswärtige Publicum ist einmal an
meinem Charakter irre geworden, und die Würde der Universität ist nun be¬
fleckt, ihr Ansehen gesunken, Patrioten sind voll Unwillen, und der rohe, ge¬
mein denkende Haufe jubelt. Alles was ich weiter zur Behauptung der alten
Achtung für Göttingen sagen und schreiben konnte, hat seinen Eindruck ver-
loren; nur wenige wissen den eigentlichen Vorgang, die Meisten schütteln den
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