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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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besondere Constantin durch Blick und Bewegung zu dramatisch thätigen Per¬
sönlichkeit gestempelt würde. Es fehlt, kurz gesagt, die Einheit der Kom¬
position, die bei einem größeren decorativer Werke nicht füglich entbehrt
werden kann. Noch schlimmer ist es freilich bei dem zweiten Wandbild, welches
die gothische und Rmaissamcperiodc behandelt, in dieser Hinsicht bestellt.

Wir wohnen im Mittelgrunde der Grundsteinlegung zum kölner Dome
durch Erzbischof Konrad von Hochstcden bei, die mit dem obligaten Prunk¬
apparate ausgestattet ist und wie die in Wirklichkeit geschaute Scene den Be¬
schauer mit unendlicher Langeweile erfüllt. Doch das ist nicht der Vorwurf,
den wir auf Seelilie laden. Er folgte darin eben der allgemeinen Meinung,
welche hohen Stil und erhabenen Ausdruck mit bedeutungslosen Pruntscencn
am besten vereinbar wähnt. Hätte sich Seelilie nur in den Schranken der ge¬
wöhnlichen Tradition gehalten. Er wollte aber auch pikant sein, durch fri¬
sche, lebendige Motive ergötzen und zerstörte dadurch alle einheitliche Wirkung.
Lächerlich erscheint die gesuchte Stellung eines Steinmetzen, der mit eingestemm¬
ten Arm und gehobenem Bein man weiß nicht gegen wen seinen kriegerischen
Muth wendet. Er paßt vortrefflich zu zwei Rittern und pnpageicngrüncn
Pagen, die auf der andern Seite der Handlung zusehen und ihr Aeußeres
der Rumpelkammer eines kleinstädtischen Theaters entlehnt haben. Die linke
Ecke des Bildes nehmen Albertus Magnus auf der Kanzel, Duns Scotus aus
einem Spaziergange begriffen, Thomas von Aquino, Cäsar von Heisterbach
und andere Kleriker ein, Gestalten, die passend gewählt, aber unglückselig
zusammengestellt sind, nicht die Ruhe athmen, die den Trägern eines sym¬
bolischen Gedankens, den Figuren eines decorativer Bildes innewohnen soll
und doch über die verfehlten Ansätze zum Leben und individueller Bewegung
nicht hinausreichen. Das Drolligste aber sind schon die Repräsentanten des
Hansabundcs. welche auf der andern Seite in der Nähe von Geldorp und
Rubens mit ihren Fahnen zu einem Kreise, als ob sie ein Ringelspiel beginnen
wollten, sich scharen und von welchen der eine, wahrscheinlich um das köl¬
nische Element schärfer anzudeuten, dem h. Gereon im alten Dombilde in den
Fehlern ziemlich treu nachgebildet ist.

Wahrlich, schmeichelhaft für den Künstler fiel unser Urtheil in Bezug auf
diese beiden Bilder nicht aus. Ihre Motive sind theilweise ohne Kenntniß
der kölnischen Geschichte ausgewählt, die Komposition entbehrt des pbantasie-
vollcn geistigen Lebens, der Verstand wurde zu Hilft gerufen, um mühselig
die einzelnen Figuren und Gruppen zusammenzusetzen, in dem Detail wer¬
den arge Flüchtigkeiten wahrgenommen, im Ausdrucke, so weit nach den Ent¬
würfen geschlossen werden kann, nur scharfe Extreme beliebt, insbesondere in
der Darstellung der Erzbischöfe aller Adel, jegliche Würde vermißt. Und den¬
noch sind die bis jetzt geschilderten Bilder wahre Meisterwerke, voll genialen


Grenzboten II. 1358. 57

besondere Constantin durch Blick und Bewegung zu dramatisch thätigen Per¬
sönlichkeit gestempelt würde. Es fehlt, kurz gesagt, die Einheit der Kom¬
position, die bei einem größeren decorativer Werke nicht füglich entbehrt
werden kann. Noch schlimmer ist es freilich bei dem zweiten Wandbild, welches
die gothische und Rmaissamcperiodc behandelt, in dieser Hinsicht bestellt.

Wir wohnen im Mittelgrunde der Grundsteinlegung zum kölner Dome
durch Erzbischof Konrad von Hochstcden bei, die mit dem obligaten Prunk¬
apparate ausgestattet ist und wie die in Wirklichkeit geschaute Scene den Be¬
schauer mit unendlicher Langeweile erfüllt. Doch das ist nicht der Vorwurf,
den wir auf Seelilie laden. Er folgte darin eben der allgemeinen Meinung,
welche hohen Stil und erhabenen Ausdruck mit bedeutungslosen Pruntscencn
am besten vereinbar wähnt. Hätte sich Seelilie nur in den Schranken der ge¬
wöhnlichen Tradition gehalten. Er wollte aber auch pikant sein, durch fri¬
sche, lebendige Motive ergötzen und zerstörte dadurch alle einheitliche Wirkung.
Lächerlich erscheint die gesuchte Stellung eines Steinmetzen, der mit eingestemm¬
ten Arm und gehobenem Bein man weiß nicht gegen wen seinen kriegerischen
Muth wendet. Er paßt vortrefflich zu zwei Rittern und pnpageicngrüncn
Pagen, die auf der andern Seite der Handlung zusehen und ihr Aeußeres
der Rumpelkammer eines kleinstädtischen Theaters entlehnt haben. Die linke
Ecke des Bildes nehmen Albertus Magnus auf der Kanzel, Duns Scotus aus
einem Spaziergange begriffen, Thomas von Aquino, Cäsar von Heisterbach
und andere Kleriker ein, Gestalten, die passend gewählt, aber unglückselig
zusammengestellt sind, nicht die Ruhe athmen, die den Trägern eines sym¬
bolischen Gedankens, den Figuren eines decorativer Bildes innewohnen soll
und doch über die verfehlten Ansätze zum Leben und individueller Bewegung
nicht hinausreichen. Das Drolligste aber sind schon die Repräsentanten des
Hansabundcs. welche auf der andern Seite in der Nähe von Geldorp und
Rubens mit ihren Fahnen zu einem Kreise, als ob sie ein Ringelspiel beginnen
wollten, sich scharen und von welchen der eine, wahrscheinlich um das köl¬
nische Element schärfer anzudeuten, dem h. Gereon im alten Dombilde in den
Fehlern ziemlich treu nachgebildet ist.

Wahrlich, schmeichelhaft für den Künstler fiel unser Urtheil in Bezug auf
diese beiden Bilder nicht aus. Ihre Motive sind theilweise ohne Kenntniß
der kölnischen Geschichte ausgewählt, die Komposition entbehrt des pbantasie-
vollcn geistigen Lebens, der Verstand wurde zu Hilft gerufen, um mühselig
die einzelnen Figuren und Gruppen zusammenzusetzen, in dem Detail wer¬
den arge Flüchtigkeiten wahrgenommen, im Ausdrucke, so weit nach den Ent¬
würfen geschlossen werden kann, nur scharfe Extreme beliebt, insbesondere in
der Darstellung der Erzbischöfe aller Adel, jegliche Würde vermißt. Und den¬
noch sind die bis jetzt geschilderten Bilder wahre Meisterwerke, voll genialen


Grenzboten II. 1358. 57
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[0457] besondere Constantin durch Blick und Bewegung zu dramatisch thätigen Per¬ sönlichkeit gestempelt würde. Es fehlt, kurz gesagt, die Einheit der Kom¬ position, die bei einem größeren decorativer Werke nicht füglich entbehrt werden kann. Noch schlimmer ist es freilich bei dem zweiten Wandbild, welches die gothische und Rmaissamcperiodc behandelt, in dieser Hinsicht bestellt. Wir wohnen im Mittelgrunde der Grundsteinlegung zum kölner Dome durch Erzbischof Konrad von Hochstcden bei, die mit dem obligaten Prunk¬ apparate ausgestattet ist und wie die in Wirklichkeit geschaute Scene den Be¬ schauer mit unendlicher Langeweile erfüllt. Doch das ist nicht der Vorwurf, den wir auf Seelilie laden. Er folgte darin eben der allgemeinen Meinung, welche hohen Stil und erhabenen Ausdruck mit bedeutungslosen Pruntscencn am besten vereinbar wähnt. Hätte sich Seelilie nur in den Schranken der ge¬ wöhnlichen Tradition gehalten. Er wollte aber auch pikant sein, durch fri¬ sche, lebendige Motive ergötzen und zerstörte dadurch alle einheitliche Wirkung. Lächerlich erscheint die gesuchte Stellung eines Steinmetzen, der mit eingestemm¬ ten Arm und gehobenem Bein man weiß nicht gegen wen seinen kriegerischen Muth wendet. Er paßt vortrefflich zu zwei Rittern und pnpageicngrüncn Pagen, die auf der andern Seite der Handlung zusehen und ihr Aeußeres der Rumpelkammer eines kleinstädtischen Theaters entlehnt haben. Die linke Ecke des Bildes nehmen Albertus Magnus auf der Kanzel, Duns Scotus aus einem Spaziergange begriffen, Thomas von Aquino, Cäsar von Heisterbach und andere Kleriker ein, Gestalten, die passend gewählt, aber unglückselig zusammengestellt sind, nicht die Ruhe athmen, die den Trägern eines sym¬ bolischen Gedankens, den Figuren eines decorativer Bildes innewohnen soll und doch über die verfehlten Ansätze zum Leben und individueller Bewegung nicht hinausreichen. Das Drolligste aber sind schon die Repräsentanten des Hansabundcs. welche auf der andern Seite in der Nähe von Geldorp und Rubens mit ihren Fahnen zu einem Kreise, als ob sie ein Ringelspiel beginnen wollten, sich scharen und von welchen der eine, wahrscheinlich um das köl¬ nische Element schärfer anzudeuten, dem h. Gereon im alten Dombilde in den Fehlern ziemlich treu nachgebildet ist. Wahrlich, schmeichelhaft für den Künstler fiel unser Urtheil in Bezug auf diese beiden Bilder nicht aus. Ihre Motive sind theilweise ohne Kenntniß der kölnischen Geschichte ausgewählt, die Komposition entbehrt des pbantasie- vollcn geistigen Lebens, der Verstand wurde zu Hilft gerufen, um mühselig die einzelnen Figuren und Gruppen zusammenzusetzen, in dem Detail wer¬ den arge Flüchtigkeiten wahrgenommen, im Ausdrucke, so weit nach den Ent¬ würfen geschlossen werden kann, nur scharfe Extreme beliebt, insbesondere in der Darstellung der Erzbischöfe aller Adel, jegliche Würde vermißt. Und den¬ noch sind die bis jetzt geschilderten Bilder wahre Meisterwerke, voll genialen Grenzboten II. 1358. 57

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/457>, abgerufen am 22.12.2024.