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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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sprechend ist sodann rechts im Vordergrund Karl der Große thronend ange¬
bracht, von Eginhard. Alcuin, Turpin u. a. umgeben, und das ganze Bild
endlich durch die Kirchenstifter der romanischen Periode, die in einer Kirchen¬
bank sitzend die betreffenden Modelle vor sich halten, abgeschlossen.

Was wir zuerst tadelnd hervorheben müssen, ist die durchaus ungenü¬
gende und schiefe Charakteristik der kölnischen Kunst. Große und gegründete
Bedenken lassen sich schon gegen das Herbeiziehen Constantins anführen, da
dessen Brückenbau doch unmöglich als ein Moment der kölnischen Kunstgeschichte
gellen kann. Vollends unbegreiflich erscheint aber die anspruchsvolle Stellung
Kaiser Karls d. Gr., der bekanntlich auf die kölnische Kunst, wie auf die
Geschichte Kölns überhaupt nicht den geringsten Einfluß übte. Wir hatten
secirte in Verdacht, daß er das aachner Münster mit dem kölner Dom ver¬
wechselt habe, als wir uns erinnerten, daß Boisseräe in seiner Geschichte des
kölner Domes sagt: "Die drei christlichen Kaiser, welche am meisten Epoche
gemacht, Konstantin. Karl d. Große und Friedrich Barbarossa übten auch auf
den Bau der kölner Domkirche großen Einfluß." Offenbar liegt in diesem Aus-
spruch die Quelle der Schilderung Steinles vor uns. Mit dem würdigen
Boisser6e wollen wir keineswegs über seine Ucberschützung des altern kölner
Domes rechten, ihn nicht anklagen, daß die kunsthistorische Bildung zu seiner
Zeit eine mangelhafte war, dagegen verargen wir es dem Künstler, daß er
aus autlqunten Büchern Belehrung schöpfte, und sich in der kölnischen Ge¬
schichte nicht besser und genauer umsah. Hätte er das gethan, er würde nicht
die weitere, noch viel gröbere Sünde verschuldet haben, daß er die Vertreter
der romanischen Periode in einen Winkel zurückschob, als ob während dieses
Zeitraumes die Kunst zu Köln bedeutungslos geblieben, und erst mit dem
Antritt des gothischen Stiles zu neuem Leben erwacht wäre. secirte hat
keine Ahnung von der Macht und Herrlichkeit der kölnischen Kunst während
der romanischen Periode, er weiß nicht, daß sie grade im 12. Jahrhundert
ihren eigenthümlichen, reichen und reizenden Ausdruck gesunden, ihre Blüte
über alle Gattungen der Kunst ausgedehnt, mit einem Worte ihren Höhepunkt
erreicht.

Und wären noch die fremden Eigenschaften des Bildes darnach angethan,
uns die schlechte Wahl der Motive vergessen zu lassen. Aber auch in dieser
Hinsicht befriedigt es die billigsten Anforderungen nicht. Die beiden Kaiser
machen den Anspruch, als die Mittelpunkte der Scene zu gelten. Damit steht
es in schneidendem Widerspruche, daß sie für ihre Umgebung auf dem Bilde
so gut wie gar nicht vorhanden sind, diese für sich thätig auftritt, und durch
Stellung und Bewegung eine vollkommene Unbekümmertheit um die beiden
Helden ausdrückt. Wenn den lehtern eine gewisse statuarische Existenz ver¬
liehen wäre, so könnte man dieselbe rechtfertigen, wenn nur nicht wieder ins-


sprechend ist sodann rechts im Vordergrund Karl der Große thronend ange¬
bracht, von Eginhard. Alcuin, Turpin u. a. umgeben, und das ganze Bild
endlich durch die Kirchenstifter der romanischen Periode, die in einer Kirchen¬
bank sitzend die betreffenden Modelle vor sich halten, abgeschlossen.

Was wir zuerst tadelnd hervorheben müssen, ist die durchaus ungenü¬
gende und schiefe Charakteristik der kölnischen Kunst. Große und gegründete
Bedenken lassen sich schon gegen das Herbeiziehen Constantins anführen, da
dessen Brückenbau doch unmöglich als ein Moment der kölnischen Kunstgeschichte
gellen kann. Vollends unbegreiflich erscheint aber die anspruchsvolle Stellung
Kaiser Karls d. Gr., der bekanntlich auf die kölnische Kunst, wie auf die
Geschichte Kölns überhaupt nicht den geringsten Einfluß übte. Wir hatten
secirte in Verdacht, daß er das aachner Münster mit dem kölner Dom ver¬
wechselt habe, als wir uns erinnerten, daß Boisseräe in seiner Geschichte des
kölner Domes sagt: „Die drei christlichen Kaiser, welche am meisten Epoche
gemacht, Konstantin. Karl d. Große und Friedrich Barbarossa übten auch auf
den Bau der kölner Domkirche großen Einfluß." Offenbar liegt in diesem Aus-
spruch die Quelle der Schilderung Steinles vor uns. Mit dem würdigen
Boisser6e wollen wir keineswegs über seine Ucberschützung des altern kölner
Domes rechten, ihn nicht anklagen, daß die kunsthistorische Bildung zu seiner
Zeit eine mangelhafte war, dagegen verargen wir es dem Künstler, daß er
aus autlqunten Büchern Belehrung schöpfte, und sich in der kölnischen Ge¬
schichte nicht besser und genauer umsah. Hätte er das gethan, er würde nicht
die weitere, noch viel gröbere Sünde verschuldet haben, daß er die Vertreter
der romanischen Periode in einen Winkel zurückschob, als ob während dieses
Zeitraumes die Kunst zu Köln bedeutungslos geblieben, und erst mit dem
Antritt des gothischen Stiles zu neuem Leben erwacht wäre. secirte hat
keine Ahnung von der Macht und Herrlichkeit der kölnischen Kunst während
der romanischen Periode, er weiß nicht, daß sie grade im 12. Jahrhundert
ihren eigenthümlichen, reichen und reizenden Ausdruck gesunden, ihre Blüte
über alle Gattungen der Kunst ausgedehnt, mit einem Worte ihren Höhepunkt
erreicht.

Und wären noch die fremden Eigenschaften des Bildes darnach angethan,
uns die schlechte Wahl der Motive vergessen zu lassen. Aber auch in dieser
Hinsicht befriedigt es die billigsten Anforderungen nicht. Die beiden Kaiser
machen den Anspruch, als die Mittelpunkte der Scene zu gelten. Damit steht
es in schneidendem Widerspruche, daß sie für ihre Umgebung auf dem Bilde
so gut wie gar nicht vorhanden sind, diese für sich thätig auftritt, und durch
Stellung und Bewegung eine vollkommene Unbekümmertheit um die beiden
Helden ausdrückt. Wenn den lehtern eine gewisse statuarische Existenz ver¬
liehen wäre, so könnte man dieselbe rechtfertigen, wenn nur nicht wieder ins-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/456>, abgerufen am 22.12.2024.