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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Schwunges und sittlicher Kraft, wenn man sie mit den beiden Bildern ver¬
gleicht, welche das moderne Kunstleben Kölns behandeln.

Der dritte Entwurf führt uns Wallraf und seine Zeitgenossen vor. Der
liebenswürdige Kanonikus, dem Köln sein Museum verdankt, stützt sich links
im Vordergrunde auf das berühmte Medusenhaupt, das hier nicht allein als
das werthvollste Stück die ganze Sammlung Wallrafs vertritt, sondern
auch nqch der Intention des Künstlers die classische Kunstrichtung jener
Zeit versinnlichen und dieses Bild mit der vorangehenden Schilderung der
Nenaissanceperiode vemitteln soll. Wallraf zur Seite stehen Denoel, ein in
Localkreisen wohlbekannter Kunstliebhaber und der pariser Architekt Gau,
welcher schon in frühster Jugend seine Geburtsstadt verlassen; diesem schließen
sich Görres und Bertrano an, den Mittelpunkt aber nimmt Friedrich
Schlegel mit dem Brüderpaare Boisser6e ein, welche beide, insbesondere aber
Melchior Boisseröe mit einem Pack Bilder unter dem Arme sich eiligst, als
suchten sie nach vollbrachter Schuld ihr Heil in der Flucht, von der Mittel¬
gruppe entfernen. Wir sagen nichts von der zopfigen Weise, in welcher
secirte moderne Figuren durch umgeworfene Mantelstücke zu stilgerechten Ge¬
stalten zustutzt, nichts von der gezwungenen und für die Freunde des Hrn.
Nichartz peinlichen Stellung, welchen dieser, von einem Genius mit Fingern
gewiesen, auf dem Bilde einnimmt, nichts von der historischen Lüge, als
ob Friedrich Schlegel seinen kölnischen Freunden erst die Wunder der mittel¬
alterlichen Kunst geoffenbart, da wir doch die sichere Kunde haben, daß
das Gegentheil stattfand. Empört und entrüstet sind wir aber und mit
uns alle Gutdenkcnden über den an den Brüdern Boisseree verübten Frevel.
Man muß nämlich wissen, daß eine Partei in Köln es diesen berühmten Kunst¬
sammlern gar sehr verarge, daß sie zahlreiche Werke der altkölnischen Schule
vor dem sichern Verderben gerettet, und durch ihre Sammlung Kölns Nuhm
gegründet. Dieser Aerger wurde im Laufe der Zeiten mylhcnbildend und
brachte Anekdoten zur Welt, als ob M. Boisseree in seinem Sammeleifer keine
Grenzen und Schranken gekannt. An diese gemeinen wohlbekannten Gerüchte
denkt unwillkürlich der Beschauer beim Anblick des fliehenden Boisser6e, an
dieselben, so müssen wir leider annehmen, um uns die Composition erklärlich
zu machen, dachte auch der Künstler. Boisscrve theilt übrigens das Schicksal,
dem Spotte Preis gegeben zu werden, mit gar hohen Häuptern. Auf dem Gegen-
bilde malte secirte als Hauptfigur die riesige gothische Kreuzblume, die voll¬
endet vor dem Domportal aufgestellt und der Bewunderung des königlichen
Protectors und des ganzen Hofes vorgehalten wird. Die Auffassung dieses
Actes ist so trivial, die Geberde des königlichen Schutzherrn, das Costüm seiner
Umgebung (stilisirte Soldatenmäntel mit herabhängenden Aermeln) so nahe


Schwunges und sittlicher Kraft, wenn man sie mit den beiden Bildern ver¬
gleicht, welche das moderne Kunstleben Kölns behandeln.

Der dritte Entwurf führt uns Wallraf und seine Zeitgenossen vor. Der
liebenswürdige Kanonikus, dem Köln sein Museum verdankt, stützt sich links
im Vordergrunde auf das berühmte Medusenhaupt, das hier nicht allein als
das werthvollste Stück die ganze Sammlung Wallrafs vertritt, sondern
auch nqch der Intention des Künstlers die classische Kunstrichtung jener
Zeit versinnlichen und dieses Bild mit der vorangehenden Schilderung der
Nenaissanceperiode vemitteln soll. Wallraf zur Seite stehen Denoel, ein in
Localkreisen wohlbekannter Kunstliebhaber und der pariser Architekt Gau,
welcher schon in frühster Jugend seine Geburtsstadt verlassen; diesem schließen
sich Görres und Bertrano an, den Mittelpunkt aber nimmt Friedrich
Schlegel mit dem Brüderpaare Boisser6e ein, welche beide, insbesondere aber
Melchior Boisseröe mit einem Pack Bilder unter dem Arme sich eiligst, als
suchten sie nach vollbrachter Schuld ihr Heil in der Flucht, von der Mittel¬
gruppe entfernen. Wir sagen nichts von der zopfigen Weise, in welcher
secirte moderne Figuren durch umgeworfene Mantelstücke zu stilgerechten Ge¬
stalten zustutzt, nichts von der gezwungenen und für die Freunde des Hrn.
Nichartz peinlichen Stellung, welchen dieser, von einem Genius mit Fingern
gewiesen, auf dem Bilde einnimmt, nichts von der historischen Lüge, als
ob Friedrich Schlegel seinen kölnischen Freunden erst die Wunder der mittel¬
alterlichen Kunst geoffenbart, da wir doch die sichere Kunde haben, daß
das Gegentheil stattfand. Empört und entrüstet sind wir aber und mit
uns alle Gutdenkcnden über den an den Brüdern Boisseree verübten Frevel.
Man muß nämlich wissen, daß eine Partei in Köln es diesen berühmten Kunst¬
sammlern gar sehr verarge, daß sie zahlreiche Werke der altkölnischen Schule
vor dem sichern Verderben gerettet, und durch ihre Sammlung Kölns Nuhm
gegründet. Dieser Aerger wurde im Laufe der Zeiten mylhcnbildend und
brachte Anekdoten zur Welt, als ob M. Boisseree in seinem Sammeleifer keine
Grenzen und Schranken gekannt. An diese gemeinen wohlbekannten Gerüchte
denkt unwillkürlich der Beschauer beim Anblick des fliehenden Boisser6e, an
dieselben, so müssen wir leider annehmen, um uns die Composition erklärlich
zu machen, dachte auch der Künstler. Boisscrve theilt übrigens das Schicksal,
dem Spotte Preis gegeben zu werden, mit gar hohen Häuptern. Auf dem Gegen-
bilde malte secirte als Hauptfigur die riesige gothische Kreuzblume, die voll¬
endet vor dem Domportal aufgestellt und der Bewunderung des königlichen
Protectors und des ganzen Hofes vorgehalten wird. Die Auffassung dieses
Actes ist so trivial, die Geberde des königlichen Schutzherrn, das Costüm seiner
Umgebung (stilisirte Soldatenmäntel mit herabhängenden Aermeln) so nahe


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[0458] Schwunges und sittlicher Kraft, wenn man sie mit den beiden Bildern ver¬ gleicht, welche das moderne Kunstleben Kölns behandeln. Der dritte Entwurf führt uns Wallraf und seine Zeitgenossen vor. Der liebenswürdige Kanonikus, dem Köln sein Museum verdankt, stützt sich links im Vordergrunde auf das berühmte Medusenhaupt, das hier nicht allein als das werthvollste Stück die ganze Sammlung Wallrafs vertritt, sondern auch nqch der Intention des Künstlers die classische Kunstrichtung jener Zeit versinnlichen und dieses Bild mit der vorangehenden Schilderung der Nenaissanceperiode vemitteln soll. Wallraf zur Seite stehen Denoel, ein in Localkreisen wohlbekannter Kunstliebhaber und der pariser Architekt Gau, welcher schon in frühster Jugend seine Geburtsstadt verlassen; diesem schließen sich Görres und Bertrano an, den Mittelpunkt aber nimmt Friedrich Schlegel mit dem Brüderpaare Boisser6e ein, welche beide, insbesondere aber Melchior Boisseröe mit einem Pack Bilder unter dem Arme sich eiligst, als suchten sie nach vollbrachter Schuld ihr Heil in der Flucht, von der Mittel¬ gruppe entfernen. Wir sagen nichts von der zopfigen Weise, in welcher secirte moderne Figuren durch umgeworfene Mantelstücke zu stilgerechten Ge¬ stalten zustutzt, nichts von der gezwungenen und für die Freunde des Hrn. Nichartz peinlichen Stellung, welchen dieser, von einem Genius mit Fingern gewiesen, auf dem Bilde einnimmt, nichts von der historischen Lüge, als ob Friedrich Schlegel seinen kölnischen Freunden erst die Wunder der mittel¬ alterlichen Kunst geoffenbart, da wir doch die sichere Kunde haben, daß das Gegentheil stattfand. Empört und entrüstet sind wir aber und mit uns alle Gutdenkcnden über den an den Brüdern Boisseree verübten Frevel. Man muß nämlich wissen, daß eine Partei in Köln es diesen berühmten Kunst¬ sammlern gar sehr verarge, daß sie zahlreiche Werke der altkölnischen Schule vor dem sichern Verderben gerettet, und durch ihre Sammlung Kölns Nuhm gegründet. Dieser Aerger wurde im Laufe der Zeiten mylhcnbildend und brachte Anekdoten zur Welt, als ob M. Boisseree in seinem Sammeleifer keine Grenzen und Schranken gekannt. An diese gemeinen wohlbekannten Gerüchte denkt unwillkürlich der Beschauer beim Anblick des fliehenden Boisser6e, an dieselben, so müssen wir leider annehmen, um uns die Composition erklärlich zu machen, dachte auch der Künstler. Boisscrve theilt übrigens das Schicksal, dem Spotte Preis gegeben zu werden, mit gar hohen Häuptern. Auf dem Gegen- bilde malte secirte als Hauptfigur die riesige gothische Kreuzblume, die voll¬ endet vor dem Domportal aufgestellt und der Bewunderung des königlichen Protectors und des ganzen Hofes vorgehalten wird. Die Auffassung dieses Actes ist so trivial, die Geberde des königlichen Schutzherrn, das Costüm seiner Umgebung (stilisirte Soldatenmäntel mit herabhängenden Aermeln) so nahe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/458>, abgerufen am 22.12.2024.