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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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als für Gcsichtwasehen, -- ein Strom, dessen User eingestürzt sind, heißt Accchcla
wörtlich Wasser-Fresser-Land; -- die schönste Stelle am Champlainsee, wo die Wogen
an Felsen branden. - führt den Namen Ticondaroga, wörtlich Wasser-Stein-Schlagen.
Nach tieferen Gründen solcher Eigenschaften der Jndianersprache braucht man nicht
lange zu suchen, wir sind in dieser Beziehung fortwährend von einer Menge kleiner
Indianer umgeben. Die Kinder bis zum siebenten Jahre denken grade so, bilden
ihre Worte und Sätze grade so wie die Indianer, und man kann sich leicht das
Vergnügen machen, zu hören wie flink und lustig die Rinderzunge indianische Worte
nachspricht, z.B. die Namen der sechs Nationen in New-Uork-Senat: Oncida, Onvn-
daga, Cayuga, Seneca, Wyandot, Tuscarora.

Noch ein tieferer Blick in die Jndinnernatnr hinein erschließt sich bei Beob¬
achtung ihres religiösen Gebahrens. Des Indianers Charakter ist von einer ernsten
Religiosität ganz erfüllt, sie beherrscht vollständig sein Denken und Thun. Es ist
jedoch eine eigne Art von Religiosität. Der Wilde glaubt sich überall von unsicht¬
baren Geistern umgeben, von Dämonen oder Mariens, in deren Gewalt zu komme"
er sich fürchtet. In jedem Dinge, jedem Ereignis;, das ihn betroffen macht, steckt
für ihn ein geheimnißvoller Geist: so im Bär oder Büffel, der seinem guten Schuß
entgeht, im wildranschcnden Strom oder Gewitter, im hcranrasselnden Dampfschiff,
im Ticktack der Uhr. Wie alle Völker niederer Bildung, glaubt er fest an Träume,
an Ahnungen, und hat tausend gute oder böse Borbedeutungen. Nicht das kleinste
Werk unternimmt er, ohne vorher die Manilns durch Opfer, Beschwörungen und
allerlei Teufeleien zu sühnen und sich geneigt zu machen. Kein Bursche geht auf
seinen ersten Kriegspfad ans, ohne durch Nachtwachen, Faste" und Beschwörungen
an einsamen Orte" sich eine" Schutzgeist, gleichsam seinen Leibmanitu einzufangen,
den er wie durch plötzliche Eingebung auf einmal in einem bunten Steinchen, in
eine", Ast oder Wurzclfigürche" z" entdecken glaubt. Der heilige Sack, welcher bei
den religiösen Tänzen der Indianer eine große Rolle spielt, und bei dessen Berührung
sie häufig i" Zuckungen fallen, enthält nichts als eine Sammlung von allerlei
Knöchelchen, Muscheln und Holzfigürchen, an welche die Mariens gefesselt sind. Der
Priester bei den Indianern, welcher fortwährend mit den Mariens umgeht und die
Kraft seiner Beschwörungen am -besten abzuschätzen weiß, kann nicht anders als
ein Gaukler werden. der immer mit wunderbaren Zeichen und Beschwörungen zu
erscheinen hat, um sich und die ander" zu betrügen. Die Religion der Indianer ist
also keine Ehrfurcht vor dem hehren allgewaltigen Weltgeiste, keine kindliche Liebe
zu Gott, sie ist Furcht, tiefe düstere Furcht vor den unheimlichen Gewalten. Alles in
der Natur kann dem Indianer plötzlich verdächtig scheinen, dann schreckt er in sich zurück
und verhält sich still und stumm, und zittert insgeheim wie ein armes Schlachtopfer.
Zum Begriff von Gott kann er sich gar nicht erheben, der "große Geist" ist ihm
alles Unbekannte und Geheimnißvolle, das er nicht näher zu bezeichnen weiß. Ans
seinen unzähligen Mariens von stärkerer oder geringerer Macht errichtet er in seiner
Phantasie eine Geisterpyramide, aber aus seine" Sinnen liegt es wie eine drückende
Nebeldecke, so daß er die Blicke nicht bis zur Höhe der Pyramide erheben kann.
Sieht er eine Leiche, so ist ihn, unklar, ob die Seele noch darin weilt, oder schon
weit weg ist. Er setzt bei der Leiche Speisen und Getränke nieder, und fabelt da¬
bei vielerlei über den Geisterpfad, den die Seelen der Abgestorbenen wandeln, ohne


als für Gcsichtwasehen, — ein Strom, dessen User eingestürzt sind, heißt Accchcla
wörtlich Wasser-Fresser-Land; — die schönste Stelle am Champlainsee, wo die Wogen
an Felsen branden. - führt den Namen Ticondaroga, wörtlich Wasser-Stein-Schlagen.
Nach tieferen Gründen solcher Eigenschaften der Jndianersprache braucht man nicht
lange zu suchen, wir sind in dieser Beziehung fortwährend von einer Menge kleiner
Indianer umgeben. Die Kinder bis zum siebenten Jahre denken grade so, bilden
ihre Worte und Sätze grade so wie die Indianer, und man kann sich leicht das
Vergnügen machen, zu hören wie flink und lustig die Rinderzunge indianische Worte
nachspricht, z.B. die Namen der sechs Nationen in New-Uork-Senat: Oncida, Onvn-
daga, Cayuga, Seneca, Wyandot, Tuscarora.

Noch ein tieferer Blick in die Jndinnernatnr hinein erschließt sich bei Beob¬
achtung ihres religiösen Gebahrens. Des Indianers Charakter ist von einer ernsten
Religiosität ganz erfüllt, sie beherrscht vollständig sein Denken und Thun. Es ist
jedoch eine eigne Art von Religiosität. Der Wilde glaubt sich überall von unsicht¬
baren Geistern umgeben, von Dämonen oder Mariens, in deren Gewalt zu komme»
er sich fürchtet. In jedem Dinge, jedem Ereignis;, das ihn betroffen macht, steckt
für ihn ein geheimnißvoller Geist: so im Bär oder Büffel, der seinem guten Schuß
entgeht, im wildranschcnden Strom oder Gewitter, im hcranrasselnden Dampfschiff,
im Ticktack der Uhr. Wie alle Völker niederer Bildung, glaubt er fest an Träume,
an Ahnungen, und hat tausend gute oder böse Borbedeutungen. Nicht das kleinste
Werk unternimmt er, ohne vorher die Manilns durch Opfer, Beschwörungen und
allerlei Teufeleien zu sühnen und sich geneigt zu machen. Kein Bursche geht auf
seinen ersten Kriegspfad ans, ohne durch Nachtwachen, Faste» und Beschwörungen
an einsamen Orte» sich eine» Schutzgeist, gleichsam seinen Leibmanitu einzufangen,
den er wie durch plötzliche Eingebung auf einmal in einem bunten Steinchen, in
eine», Ast oder Wurzclfigürche» z» entdecken glaubt. Der heilige Sack, welcher bei
den religiösen Tänzen der Indianer eine große Rolle spielt, und bei dessen Berührung
sie häufig i» Zuckungen fallen, enthält nichts als eine Sammlung von allerlei
Knöchelchen, Muscheln und Holzfigürchen, an welche die Mariens gefesselt sind. Der
Priester bei den Indianern, welcher fortwährend mit den Mariens umgeht und die
Kraft seiner Beschwörungen am -besten abzuschätzen weiß, kann nicht anders als
ein Gaukler werden. der immer mit wunderbaren Zeichen und Beschwörungen zu
erscheinen hat, um sich und die ander» zu betrügen. Die Religion der Indianer ist
also keine Ehrfurcht vor dem hehren allgewaltigen Weltgeiste, keine kindliche Liebe
zu Gott, sie ist Furcht, tiefe düstere Furcht vor den unheimlichen Gewalten. Alles in
der Natur kann dem Indianer plötzlich verdächtig scheinen, dann schreckt er in sich zurück
und verhält sich still und stumm, und zittert insgeheim wie ein armes Schlachtopfer.
Zum Begriff von Gott kann er sich gar nicht erheben, der „große Geist" ist ihm
alles Unbekannte und Geheimnißvolle, das er nicht näher zu bezeichnen weiß. Ans
seinen unzähligen Mariens von stärkerer oder geringerer Macht errichtet er in seiner
Phantasie eine Geisterpyramide, aber aus seine» Sinnen liegt es wie eine drückende
Nebeldecke, so daß er die Blicke nicht bis zur Höhe der Pyramide erheben kann.
Sieht er eine Leiche, so ist ihn, unklar, ob die Seele noch darin weilt, oder schon
weit weg ist. Er setzt bei der Leiche Speisen und Getränke nieder, und fabelt da¬
bei vielerlei über den Geisterpfad, den die Seelen der Abgestorbenen wandeln, ohne


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/442>, abgerufen am 22.12.2024.