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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Einige namhafte Schriftsteller brachten diese Art Literatur in Ausnahme; die
Titel der Büchlein combinirte man mit dem Worte Teufel: der Hostcufel,
Eheteufcl, Gesindeteufel, Jagdteufel, Hasenteufel, (gegen die Pluderhosen)
Spielteufel, Saufteufel u. s. w. Etwa 40 derselben gehören dem i<!, Jahr¬
hundert an. In Sammlungen, antiquarischen Verzeichnissen u. s. w> findet
man sie wol unter dein befremdlichen Titel. "Suite der Teufel" zusammen¬
gefaßt. Die Mehrzahl dieser moralischen Tractütlein ist langweilig, auch
für unsre Kenntniß alter Enlturzustände nicht besonders wichtig, aber fast in
allen erscheint der Teufel schon als ein Synonym für verkehrte Neigungen
der Menschennatur selbst. Und obgleich kaum einer der frommen Verfasser zu
gestanden hätte, daß er die Realität Satans bezweifele, so verflüchtigt sich
ihnen doch unter den Händen sein Wesen zu einer Abstraktion. Diese kleinen
Schriften haben mehr als anderes eine entsprechende rationalistische Aus¬
fassung populär gemacht.

Am> Ende des Jahrhunderts, das so hoffnungsreich angefangen hatte,
war ur Deutschland, in der Sprache der Zeit zu rede", nichts mächtig als
der Teufel. Durch Psaffcngezänk und Fürsteneigennutz, durch die unseligen
politischen Verhältnisse Deutschlands war der Flug des Protestantismus ge¬
hemmt, die katholische Reaction erhob wachsend ihr Haupt. Ueberall im
Lande, in der Politik, auf den Kanzeln, in den Gelehrtenstuben der Geistlichen
war mehr Haß als Liebe. Unter einer geistlosen Dogmatik verkümmerten die
Geister, die Herzen der Gläubigen wurden durch trübe Ahnungen bedrückt.
Die Besseren sorgten um die elende Lage des deutschen Vaterlandes, die
Gläubigste" wurden durch die Geistlichen und zahllose Kalendermacher in
fortwährender Spannung und Sorge erhalten, daß das Ende der Welt be¬
vorstehe. Grade das häufige Austreten des Teufels erschien Vielen als
Vorzeichen des nahen Weltendes. Unterdeß lebte die Masse des Volkes, Vor¬
nehme und Geringe, einem rohen Genuß in dem damals reichen Lande.
Der Luxus war arg geworden, jede Art von Schwelgerei wurde allgemein.
Wer den Teufel nicht fürchtete, fand es auch nicht behaglich, sich viel um
Gott und seine Heiligen zu kümmern. Unter solchen Aspecten begann das
furchtbare Jahrhundert der Kriege.

Die lange Soldatenherrschaft des 17. Jahrhunderts brachte dem Teufel
zu seinen vielen Charaktermasken noch eine neue. Die sich ihm jetzt ergaben
oder in solchem Verdacht standen, hatten Veranlassung. von ihm nicht zuerst
Geld und Gut zu verlangen, sondern Sicherheit des eigenen selbes gegen
Hieb und Stich. Der Glaube, daß man sich durch einen -- allerdings
verhüngnißvollen -- Zauber festmachen könne, ist uralt, er ist vielleicht
schon aus der gemeinsamen Heimath der Griechen und Germanen nach Eu¬
ropa herabgekommen. Wie schon Siegfried im Blut des Drachen, der aus


Einige namhafte Schriftsteller brachten diese Art Literatur in Ausnahme; die
Titel der Büchlein combinirte man mit dem Worte Teufel: der Hostcufel,
Eheteufcl, Gesindeteufel, Jagdteufel, Hasenteufel, (gegen die Pluderhosen)
Spielteufel, Saufteufel u. s. w. Etwa 40 derselben gehören dem i<!, Jahr¬
hundert an. In Sammlungen, antiquarischen Verzeichnissen u. s. w> findet
man sie wol unter dein befremdlichen Titel. „Suite der Teufel" zusammen¬
gefaßt. Die Mehrzahl dieser moralischen Tractütlein ist langweilig, auch
für unsre Kenntniß alter Enlturzustände nicht besonders wichtig, aber fast in
allen erscheint der Teufel schon als ein Synonym für verkehrte Neigungen
der Menschennatur selbst. Und obgleich kaum einer der frommen Verfasser zu
gestanden hätte, daß er die Realität Satans bezweifele, so verflüchtigt sich
ihnen doch unter den Händen sein Wesen zu einer Abstraktion. Diese kleinen
Schriften haben mehr als anderes eine entsprechende rationalistische Aus¬
fassung populär gemacht.

Am> Ende des Jahrhunderts, das so hoffnungsreich angefangen hatte,
war ur Deutschland, in der Sprache der Zeit zu rede», nichts mächtig als
der Teufel. Durch Psaffcngezänk und Fürsteneigennutz, durch die unseligen
politischen Verhältnisse Deutschlands war der Flug des Protestantismus ge¬
hemmt, die katholische Reaction erhob wachsend ihr Haupt. Ueberall im
Lande, in der Politik, auf den Kanzeln, in den Gelehrtenstuben der Geistlichen
war mehr Haß als Liebe. Unter einer geistlosen Dogmatik verkümmerten die
Geister, die Herzen der Gläubigen wurden durch trübe Ahnungen bedrückt.
Die Besseren sorgten um die elende Lage des deutschen Vaterlandes, die
Gläubigste» wurden durch die Geistlichen und zahllose Kalendermacher in
fortwährender Spannung und Sorge erhalten, daß das Ende der Welt be¬
vorstehe. Grade das häufige Austreten des Teufels erschien Vielen als
Vorzeichen des nahen Weltendes. Unterdeß lebte die Masse des Volkes, Vor¬
nehme und Geringe, einem rohen Genuß in dem damals reichen Lande.
Der Luxus war arg geworden, jede Art von Schwelgerei wurde allgemein.
Wer den Teufel nicht fürchtete, fand es auch nicht behaglich, sich viel um
Gott und seine Heiligen zu kümmern. Unter solchen Aspecten begann das
furchtbare Jahrhundert der Kriege.

Die lange Soldatenherrschaft des 17. Jahrhunderts brachte dem Teufel
zu seinen vielen Charaktermasken noch eine neue. Die sich ihm jetzt ergaben
oder in solchem Verdacht standen, hatten Veranlassung. von ihm nicht zuerst
Geld und Gut zu verlangen, sondern Sicherheit des eigenen selbes gegen
Hieb und Stich. Der Glaube, daß man sich durch einen — allerdings
verhüngnißvollen — Zauber festmachen könne, ist uralt, er ist vielleicht
schon aus der gemeinsamen Heimath der Griechen und Germanen nach Eu¬
ropa herabgekommen. Wie schon Siegfried im Blut des Drachen, der aus


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[0391] Einige namhafte Schriftsteller brachten diese Art Literatur in Ausnahme; die Titel der Büchlein combinirte man mit dem Worte Teufel: der Hostcufel, Eheteufcl, Gesindeteufel, Jagdteufel, Hasenteufel, (gegen die Pluderhosen) Spielteufel, Saufteufel u. s. w. Etwa 40 derselben gehören dem i<!, Jahr¬ hundert an. In Sammlungen, antiquarischen Verzeichnissen u. s. w> findet man sie wol unter dein befremdlichen Titel. „Suite der Teufel" zusammen¬ gefaßt. Die Mehrzahl dieser moralischen Tractütlein ist langweilig, auch für unsre Kenntniß alter Enlturzustände nicht besonders wichtig, aber fast in allen erscheint der Teufel schon als ein Synonym für verkehrte Neigungen der Menschennatur selbst. Und obgleich kaum einer der frommen Verfasser zu gestanden hätte, daß er die Realität Satans bezweifele, so verflüchtigt sich ihnen doch unter den Händen sein Wesen zu einer Abstraktion. Diese kleinen Schriften haben mehr als anderes eine entsprechende rationalistische Aus¬ fassung populär gemacht. Am> Ende des Jahrhunderts, das so hoffnungsreich angefangen hatte, war ur Deutschland, in der Sprache der Zeit zu rede», nichts mächtig als der Teufel. Durch Psaffcngezänk und Fürsteneigennutz, durch die unseligen politischen Verhältnisse Deutschlands war der Flug des Protestantismus ge¬ hemmt, die katholische Reaction erhob wachsend ihr Haupt. Ueberall im Lande, in der Politik, auf den Kanzeln, in den Gelehrtenstuben der Geistlichen war mehr Haß als Liebe. Unter einer geistlosen Dogmatik verkümmerten die Geister, die Herzen der Gläubigen wurden durch trübe Ahnungen bedrückt. Die Besseren sorgten um die elende Lage des deutschen Vaterlandes, die Gläubigste» wurden durch die Geistlichen und zahllose Kalendermacher in fortwährender Spannung und Sorge erhalten, daß das Ende der Welt be¬ vorstehe. Grade das häufige Austreten des Teufels erschien Vielen als Vorzeichen des nahen Weltendes. Unterdeß lebte die Masse des Volkes, Vor¬ nehme und Geringe, einem rohen Genuß in dem damals reichen Lande. Der Luxus war arg geworden, jede Art von Schwelgerei wurde allgemein. Wer den Teufel nicht fürchtete, fand es auch nicht behaglich, sich viel um Gott und seine Heiligen zu kümmern. Unter solchen Aspecten begann das furchtbare Jahrhundert der Kriege. Die lange Soldatenherrschaft des 17. Jahrhunderts brachte dem Teufel zu seinen vielen Charaktermasken noch eine neue. Die sich ihm jetzt ergaben oder in solchem Verdacht standen, hatten Veranlassung. von ihm nicht zuerst Geld und Gut zu verlangen, sondern Sicherheit des eigenen selbes gegen Hieb und Stich. Der Glaube, daß man sich durch einen — allerdings verhüngnißvollen — Zauber festmachen könne, ist uralt, er ist vielleicht schon aus der gemeinsamen Heimath der Griechen und Germanen nach Eu¬ ropa herabgekommen. Wie schon Siegfried im Blut des Drachen, der aus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/391>, abgerufen am 21.12.2024.