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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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In eine Flut von Geschäften stürzte ihn der Tod des Kaiser Joseph und
die darauf folgende Kaiserwahl. Die unnützen Formnlien, vel denen er
als Protestant nicht einmal die erste Stelle bekleiden konnte, verdrossen ihn
zwar, indessen fühlte er sich doch nicht wenig geschmeichelt, "an diesem großen


bei Philippi. Es ist el" lange nie gesehenes Schauspiel, Freiheit als Tochter des Lichts, ge¬
gründet auf Gesetze, n" der Spitze des größten Volks in Europa zu sehn, Die Convulsionen
sind stark; aber eine freie Anfassn"" ist für das nicht zu theuer. Was hat die englische, die
holländische, unsere nicht gelastet! Nun aber ninunt mich dach Wunder, ob die Deutschen sich
nicht bald schämen werde", ihrer Solidität, ihres superiorer Verstandes sich gegen die frivolen ^
Franzosen zu rühmen? -- Im Uebrigen ists äußerst aufmunternd zu sehen, daß, was Montes¬
quieu vor vierzig Jahren gesäet, nun aufblühe. Es wird nichts Gutes vergeblich gesäet; den",
wer sein wartet, derselbe stirbt nicht. Darum frisch zu. auch wir! denn selbst Helvetien wird
nicht allezeit schlummern." -- An Dohm, 6. Aug.: "Welch eine Scene in Frankreich!
Gesegnet sei ihr Eindruck auf Nationen und Regenten! Ich hoffe, mancher sultr"
im Reich werde heilsam erzittern, und auch manche Oligarchie lernen, daß man es
nicht zu weit treiben darf. . . Kultus eine Frage sein, ob ein luftrciuigendes Donnerwetter,
wen" es much hier und da euren erschlägt, nicht besser sei, als die Luftvergiftung, als Pest?" --
An s. Ur., 14. Aug.: "Der 14. Juli ist der schönste Tag seit dein Untergang der römischen
Weltherrschaft. Das vorige Säculum ahmte französische Frivolität "ach, das künftige wird
Muth an ihnen lernen. Um wenige Burgen reicher Barone, um die Köpfe weniger, meist schul¬
diger Großen, ist diese Freiheit wohlfeil erkauft. Sie wird eine .Kraft in ihre Eharnkterc legen,
wodurch die politische Macht wieder furchtbar emporsteige" wird. Möge" fix denn fallen, die,
welche zittern, ungerechte Richter, überspannte Tyranneien! es ist recht sehr gut, daß die Könige
und Räthe gewahr werden, sie seien auch Menschen." -- 16. Sept.: "Gut ist immer, das; die
Würste" gewahr "'erden, sie seie" Menschen, und daß die Vorsehung sie ans dem Schlof rüt¬
telt, in welche" die lange Geduld der Nationen sie eiugewiegt. Nur sollten die Eigcntlmmsrechte
und die Justiz nicht so gar verletzt werden! da sie in Frankreich beide so schrecklich leiden, so
wird auch mir bald ""glaublich, daß dasselbe Werk bestehen könne. Es ist nicht gleich dem
englischen vor hmrdert Jahren. Verstand präsidirte letzter",; diesen" Witz, Systeme, Phraseo¬
logie. Hierzu kommt, daß nach der Erfahrung aller Völker kein freies Volk ohne Sitten, noch
diese ohne Religion bestehen mögen." -- An Jacob!. ".Oct.: -- "Mir gefällt weder die Vcr-
schmährmg aller Erfahrungen voriger Zeiten und andrer Völker, uoch die gewaltthätige Ueber-
tretung der heiligsten Eigenthumsrechte, und die ganze belletristische Phraseologie, die ich oft
kaum verstehe." -- ".Febr. >79v: "Der französische Schwindel hat alle Köpfe so verwirrt, daß
Geistliche und Edle lau", wünsche" dürfen, frei zu werden, aus Furcht, ihr Ruin sei dabei.
Es ist zu befürchten', daß die unmäßigen Forderungen der Demagogen den Despotismus be¬
festigen, wo er "och j"ug ist, und seine Wiederkehr befördern, wo er verbannt schien; ich ge¬
stehe, daß ich von der Eonsistenz dieser überspannten Ideen mir keinen Begriff mache" kann."-
10. März 1790: "Viele hoffe" oder fürchte", der Fall des Throns "'erde eines de" Altar mit
umreißen. Ich gestehe, daß ich dieses "icht eben für das größte Unglück halte: in Christi Religion
si"d weder Priester "och Altäre . . Indessen wird etwas Aeußerliches immer doch anch sein
müssen: Ich glaube dieses, aber etwas Neues; das Alte bedürfte einer Wiedcrauffrischung; es
"nisse" periodische Revolutionen kommen, sonst schlummert alles in Sinnlosigkeit ein." --
>4. Jul. 1790: "Heute ist nun das Frciheitssest. Ich gestehe, das; ich doch bis"'eile" glaube, es
werde Bestand habe". Gott scheint mir dieses Wert zu turn; er will einmal eine neue Ord¬
nung der Dinge. Die Reformation von 1517 schien a"fa"gs anch "icht sich behaupten zu
können. Der Freiheitssinn ist z" tief und allgemein in die Völker gefahren. und zu offenbar
gewinnen sie dabei, um sichs wieder entreißen z" lassen. Partialrevvlutioiie" wird das Werk
noch viele leiden, aber der Geist wird wol bleiben."
Grcnzbote" II. 1858. !i"

In eine Flut von Geschäften stürzte ihn der Tod des Kaiser Joseph und
die darauf folgende Kaiserwahl. Die unnützen Formnlien, vel denen er
als Protestant nicht einmal die erste Stelle bekleiden konnte, verdrossen ihn
zwar, indessen fühlte er sich doch nicht wenig geschmeichelt, „an diesem großen


bei Philippi. Es ist el» lange nie gesehenes Schauspiel, Freiheit als Tochter des Lichts, ge¬
gründet auf Gesetze, n» der Spitze des größten Volks in Europa zu sehn, Die Convulsionen
sind stark; aber eine freie Anfassn»« ist für das nicht zu theuer. Was hat die englische, die
holländische, unsere nicht gelastet! Nun aber ninunt mich dach Wunder, ob die Deutschen sich
nicht bald schämen werde», ihrer Solidität, ihres superiorer Verstandes sich gegen die frivolen ^
Franzosen zu rühmen? — Im Uebrigen ists äußerst aufmunternd zu sehen, daß, was Montes¬
quieu vor vierzig Jahren gesäet, nun aufblühe. Es wird nichts Gutes vergeblich gesäet; den»,
wer sein wartet, derselbe stirbt nicht. Darum frisch zu. auch wir! denn selbst Helvetien wird
nicht allezeit schlummern." — An Dohm, 6. Aug.: „Welch eine Scene in Frankreich!
Gesegnet sei ihr Eindruck auf Nationen und Regenten! Ich hoffe, mancher sultr»
im Reich werde heilsam erzittern, und auch manche Oligarchie lernen, daß man es
nicht zu weit treiben darf. . . Kultus eine Frage sein, ob ein luftrciuigendes Donnerwetter,
wen» es much hier und da euren erschlägt, nicht besser sei, als die Luftvergiftung, als Pest?" —
An s. Ur., 14. Aug.: „Der 14. Juli ist der schönste Tag seit dein Untergang der römischen
Weltherrschaft. Das vorige Säculum ahmte französische Frivolität »ach, das künftige wird
Muth an ihnen lernen. Um wenige Burgen reicher Barone, um die Köpfe weniger, meist schul¬
diger Großen, ist diese Freiheit wohlfeil erkauft. Sie wird eine .Kraft in ihre Eharnkterc legen,
wodurch die politische Macht wieder furchtbar emporsteige» wird. Möge» fix denn fallen, die,
welche zittern, ungerechte Richter, überspannte Tyranneien! es ist recht sehr gut, daß die Könige
und Räthe gewahr werden, sie seien auch Menschen." — 16. Sept.: „Gut ist immer, das; die
Würste» gewahr »'erden, sie seie» Menschen, und daß die Vorsehung sie ans dem Schlof rüt¬
telt, in welche» die lange Geduld der Nationen sie eiugewiegt. Nur sollten die Eigcntlmmsrechte
und die Justiz nicht so gar verletzt werden! da sie in Frankreich beide so schrecklich leiden, so
wird auch mir bald »»glaublich, daß dasselbe Werk bestehen könne. Es ist nicht gleich dem
englischen vor hmrdert Jahren. Verstand präsidirte letzter»,; diesen« Witz, Systeme, Phraseo¬
logie. Hierzu kommt, daß nach der Erfahrung aller Völker kein freies Volk ohne Sitten, noch
diese ohne Religion bestehen mögen." — An Jacob!. ».Oct.: — „Mir gefällt weder die Vcr-
schmährmg aller Erfahrungen voriger Zeiten und andrer Völker, uoch die gewaltthätige Ueber-
tretung der heiligsten Eigenthumsrechte, und die ganze belletristische Phraseologie, die ich oft
kaum verstehe." — ».Febr. >79v: „Der französische Schwindel hat alle Köpfe so verwirrt, daß
Geistliche und Edle lau», wünsche» dürfen, frei zu werden, aus Furcht, ihr Ruin sei dabei.
Es ist zu befürchten', daß die unmäßigen Forderungen der Demagogen den Despotismus be¬
festigen, wo er »och j»ug ist, und seine Wiederkehr befördern, wo er verbannt schien; ich ge¬
stehe, daß ich von der Eonsistenz dieser überspannten Ideen mir keinen Begriff mache» kann."-
10. März 1790: „Viele hoffe» oder fürchte», der Fall des Throns »'erde eines de» Altar mit
umreißen. Ich gestehe, daß ich dieses »icht eben für das größte Unglück halte: in Christi Religion
si»d weder Priester »och Altäre . . Indessen wird etwas Aeußerliches immer doch anch sein
müssen: Ich glaube dieses, aber etwas Neues; das Alte bedürfte einer Wiedcrauffrischung; es
»nisse» periodische Revolutionen kommen, sonst schlummert alles in Sinnlosigkeit ein." —
>4. Jul. 1790: „Heute ist nun das Frciheitssest. Ich gestehe, das; ich doch bis»'eile» glaube, es
werde Bestand habe». Gott scheint mir dieses Wert zu turn; er will einmal eine neue Ord¬
nung der Dinge. Die Reformation von 1517 schien a»fa»gs anch »icht sich behaupten zu
können. Der Freiheitssinn ist z» tief und allgemein in die Völker gefahren. und zu offenbar
gewinnen sie dabei, um sichs wieder entreißen z» lassen. Partialrevvlutioiie» wird das Werk
noch viele leiden, aber der Geist wird wol bleiben."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/241>, abgerufen am 30.12.2024.