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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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meiner mag -- das ist unserer Nation Lotus Wo. Und diese Union wäre da,
ihn zu befestigen! Diese weltgepnesene Union reducirte sich also am Ende auf
zwei Punkte: zu machen, daß Baiern das Glück habe, statt Josephs 2. den
Herzog von Zweibrücken zum Landesvater zu bekommen! wenn Kaiser Joseph
mit rascher Hand, ohne zuvor ein Menschenalter hindurch über die Form zu
deliberiren, einen eingewurzelten Mißbrauch hinwegreißen null, diesen Miß-
brauch aufs äußerste zu vertheidigen, damit er doch seine fünfzig Jahre noch
stehen und wirken möge!" -- Auch diesmal bezeichnet'Müller die Annäherung
der beiden Religionsparteien als nothwendig zum Fortschritt der deutschen
Cultur, "Doctor Luthers Werk war nothwendig und gut. Aber es gab, zu¬
mal nach dieses großen Mannes Tode, die Erbitterung der beiden Religions-
parteien dein deutschen Geist eine schiefe Richtung. Ueber Bestimmung des
Unergründlichen wurde das vor den Füßen Liegende vergessen; die Theologen
und Jesuiten wußten den vaterländische" Verstand solchermaßen zu verrücken,
daß nicht nur aller Fortgang der echten Lebensweisheit und des guten Ge¬
schmacks versäumt und hintertrieben, sondern mich ein Fürst mehr und mehr von
dem andern, jedermann aber vom Vaterlandsgefühl entfremdet wurde. End¬
lich seit geläuterte Einsicht in allen drei Neichsreligionen den gleichen Gott
gezeigt, über Formen und Formeln gleichgiltiger gemacht, und die äußerliche
Einrichtung der Kirche nach gesunden Staatsgrundsätzen geprüft hat, beküm¬
mert sich niemand mehr um jene heillosen Zänkereien. Es ist so weit ge¬
kommen, daß Protestanten manchmal finden, auch der Papst könne eine billige
Sache haben; und die Katholischen das ungerechte Joch selbst abwerfen, für
dessen Altgcmeinmachung ihre Väter ehemals stritten." Vom Fürstenbund sei
überhaupt nichts zu erwarten, wenn er nicht im ersten Feuer das Nöthige
durchführe. "Ich kann nicht begreifen, wie Deutsche Verstand und Muth
verloren haben sollten, endlich einmal den Machtsprung zuthun, hinaus über
die Jahrhunderte alten Pedanterien, zu ordentlichen Kanunergerichtsvisilntiouen,
einer wohleingerichteten Reichshofrathsvisitation, festen Vorschriften und einem
subsidiarischen Gesetzbuch; zu einer zweckmäßigen, billigen und beständigen
Wahlcapitulation, einer thätigem Neichstagsvcrfafsnng, einer guten Ntichs-
polizei, einer angemessenen Desenfivanstalt; zu echtem Reichsznsaimnenhange;
alsdann auch zu gemeinem Vaterlnndögeiste, damit auch wir endlich sagen
dürften: Wir sind eine Nation!" --- "Zu einer andern Zeit eine weitere
Schilderung des Reichs, was Satyre scheint, ist leider Geschichte." Und
doch ist für den Augenblick nicht die geringste Hoffnung, baß von Seiten der
verbündeten Hüft ^was geschehe. "Hier stehen meine Gedanken still; ich
weiß nichts mehr. Ich sehe ein graues Dunkel, ein Chaos von Widersprüche"
vor mir, über welchen ohne Zweifel ein Geist der Weisheit brüiel, aus dein


meiner mag — das ist unserer Nation Lotus Wo. Und diese Union wäre da,
ihn zu befestigen! Diese weltgepnesene Union reducirte sich also am Ende auf
zwei Punkte: zu machen, daß Baiern das Glück habe, statt Josephs 2. den
Herzog von Zweibrücken zum Landesvater zu bekommen! wenn Kaiser Joseph
mit rascher Hand, ohne zuvor ein Menschenalter hindurch über die Form zu
deliberiren, einen eingewurzelten Mißbrauch hinwegreißen null, diesen Miß-
brauch aufs äußerste zu vertheidigen, damit er doch seine fünfzig Jahre noch
stehen und wirken möge!" — Auch diesmal bezeichnet'Müller die Annäherung
der beiden Religionsparteien als nothwendig zum Fortschritt der deutschen
Cultur, „Doctor Luthers Werk war nothwendig und gut. Aber es gab, zu¬
mal nach dieses großen Mannes Tode, die Erbitterung der beiden Religions-
parteien dein deutschen Geist eine schiefe Richtung. Ueber Bestimmung des
Unergründlichen wurde das vor den Füßen Liegende vergessen; die Theologen
und Jesuiten wußten den vaterländische» Verstand solchermaßen zu verrücken,
daß nicht nur aller Fortgang der echten Lebensweisheit und des guten Ge¬
schmacks versäumt und hintertrieben, sondern mich ein Fürst mehr und mehr von
dem andern, jedermann aber vom Vaterlandsgefühl entfremdet wurde. End¬
lich seit geläuterte Einsicht in allen drei Neichsreligionen den gleichen Gott
gezeigt, über Formen und Formeln gleichgiltiger gemacht, und die äußerliche
Einrichtung der Kirche nach gesunden Staatsgrundsätzen geprüft hat, beküm¬
mert sich niemand mehr um jene heillosen Zänkereien. Es ist so weit ge¬
kommen, daß Protestanten manchmal finden, auch der Papst könne eine billige
Sache haben; und die Katholischen das ungerechte Joch selbst abwerfen, für
dessen Altgcmeinmachung ihre Väter ehemals stritten." Vom Fürstenbund sei
überhaupt nichts zu erwarten, wenn er nicht im ersten Feuer das Nöthige
durchführe. „Ich kann nicht begreifen, wie Deutsche Verstand und Muth
verloren haben sollten, endlich einmal den Machtsprung zuthun, hinaus über
die Jahrhunderte alten Pedanterien, zu ordentlichen Kanunergerichtsvisilntiouen,
einer wohleingerichteten Reichshofrathsvisitation, festen Vorschriften und einem
subsidiarischen Gesetzbuch; zu einer zweckmäßigen, billigen und beständigen
Wahlcapitulation, einer thätigem Neichstagsvcrfafsnng, einer guten Ntichs-
polizei, einer angemessenen Desenfivanstalt; zu echtem Reichsznsaimnenhange;
alsdann auch zu gemeinem Vaterlnndögeiste, damit auch wir endlich sagen
dürften: Wir sind eine Nation!" —- „Zu einer andern Zeit eine weitere
Schilderung des Reichs, was Satyre scheint, ist leider Geschichte." Und
doch ist für den Augenblick nicht die geringste Hoffnung, baß von Seiten der
verbündeten Hüft ^was geschehe. „Hier stehen meine Gedanken still; ich
weiß nichts mehr. Ich sehe ein graues Dunkel, ein Chaos von Widersprüche»
vor mir, über welchen ohne Zweifel ein Geist der Weisheit brüiel, aus dein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/239>, abgerufen am 30.12.2024.