Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.Benutzung des in der Voruntersuchung gesammelten Materials vor der Jury ^se jetzt, nach Vollendung der Anklage und des versuchten Beweises durch Benutzung des in der Voruntersuchung gesammelten Materials vor der Jury ^se jetzt, nach Vollendung der Anklage und des versuchten Beweises durch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0221" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186633"/> <p xml:id="ID_514" prev="#ID_513"> Benutzung des in der Voruntersuchung gesammelten Materials vor der Jury<lb/> ausgeschlossen war. Aus,,diesem und den andern formellen Gründen konnte<lb/> denn auch die Leitung des Verhörs durch den Vorsitzenden im Gericht nicht<lb/> stattfinden, vielmehr war es der Kronadvocat selbst, dem sie zunächst zufiel.<lb/> Aber uicht unbeschränkt und nicht allein ihm. Der Vertheidiger unterließ<lb/> keinen Augenblick die strengste Überwachung aller Fragen, namentlich solcher,<lb/> die nicht genau zur Sache zu gehören schienen. Ueber jeden solchen Ein¬<lb/> spruch entschied dann nach Umständen der Vorsitzende oder das Gericht, so<lb/> wie diese und nicht minder ein jeder der Geschworenen da, wo ihnen Unklar¬<lb/> heiten oder Lücken geblieben waren, mit selbstständigen Fragen hervortreten<lb/> konnten. Die Eontrole aller Aussagen hatte dann der Vertheidiger oder der<lb/> Angeklagte selbst, die nun das sogenannte Kreuzverhör uuternnhmen d. h.<lb/> jeden einzelnen Zeugen unmittelbar nach dem ersten Verhör durch Fragen<lb/> über Specialitäten ins Gedränge zu führen versuchten, wobei es nun wieder<lb/> Sache des Anklägers ward, gegen Ungehörigkeiten und versuchte Ein¬<lb/> schüchterungen einzuschreiten. Ein lebendiges Bild der Wirkungen dieses<lb/> ganzen Systems kann man sich natürlich entweder nur durch den Augenschein<lb/> oder durch sorgfältiges Studium englischer Gerichtsverhandlungen machen,<lb/> aber man dürfte doch kaum zweifeln, daß es sowol dem in manchen Theilen<lb/> Deutschlands noch immer geltenden geheimen Ausfragen des Inquirenten zu<lb/> Protokoll, als der alleinigen Leitung das Zcugenverhörs durch den Präsidenten<lb/> in der französischen Jury weit vorzuziehen sei. Namentlich tritt bei ihm die<lb/> ganze Persönlichkeit des Zeugen und die Kunde seines Wissens in merk¬<lb/> würdiger Vollständigkeit vor das Bewußtsein der Geschwornen. Aber nur<lb/> die Zeugen selber werden in dieser Weise verhört, nicht der Angeklagte, denn es ist<lb/> nicht einmal jemand da, der zum Zweck der Erforschung um ihn eine Frage<lb/> richten könnte, und, was das Wichtigste ist, nach englischen Grundsätzen darf<lb/> niemand zu einer gerichtlichen Aussage genöthigt werden. die ita selbst be¬<lb/> schädigen könnte, so daß in den meisten Fällen der Vorsitzende des Gerichts¬<lb/> hofs an den Angeklagten vor Beginn der Verhandlungen die ausdrückliche<lb/> Warnung erläßt, nichts zu seinem eigenen Nachtheil auszusagen. Wer das<lb/> Herumzerren eines Angeklagten vor der französischen Jury erlebt hat. wie er<lb/> fortwährend vor aller Welt genöthigt wird, sich selbst das Grab zu graben,<lb/> das ihn aufnehmen will, der wird das Humane jener englischen Vorschrift<lb/> S"nz zu würdigen wissen.<lb/> '</p><lb/> <p xml:id="ID_515" next="#ID_516"> ^se jetzt, nach Vollendung der Anklage und des versuchten Beweises durch<lb/> Zeugen beginnt die wirkliche Vertheidigung. So wie jene darauf gerichtet<lb/> war. dre Thatsache des verübten Verbrechens Zug für Zug nachzuweisen<lb/> und zwar durch directe Beweise, nicht durch Protokolle oder sonstwelche<lb/> ähnliche Actenstücke, so mird es Aufgabe der Vertheidigung fern, entweder</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0221]
Benutzung des in der Voruntersuchung gesammelten Materials vor der Jury
ausgeschlossen war. Aus,,diesem und den andern formellen Gründen konnte
denn auch die Leitung des Verhörs durch den Vorsitzenden im Gericht nicht
stattfinden, vielmehr war es der Kronadvocat selbst, dem sie zunächst zufiel.
Aber uicht unbeschränkt und nicht allein ihm. Der Vertheidiger unterließ
keinen Augenblick die strengste Überwachung aller Fragen, namentlich solcher,
die nicht genau zur Sache zu gehören schienen. Ueber jeden solchen Ein¬
spruch entschied dann nach Umständen der Vorsitzende oder das Gericht, so
wie diese und nicht minder ein jeder der Geschworenen da, wo ihnen Unklar¬
heiten oder Lücken geblieben waren, mit selbstständigen Fragen hervortreten
konnten. Die Eontrole aller Aussagen hatte dann der Vertheidiger oder der
Angeklagte selbst, die nun das sogenannte Kreuzverhör uuternnhmen d. h.
jeden einzelnen Zeugen unmittelbar nach dem ersten Verhör durch Fragen
über Specialitäten ins Gedränge zu führen versuchten, wobei es nun wieder
Sache des Anklägers ward, gegen Ungehörigkeiten und versuchte Ein¬
schüchterungen einzuschreiten. Ein lebendiges Bild der Wirkungen dieses
ganzen Systems kann man sich natürlich entweder nur durch den Augenschein
oder durch sorgfältiges Studium englischer Gerichtsverhandlungen machen,
aber man dürfte doch kaum zweifeln, daß es sowol dem in manchen Theilen
Deutschlands noch immer geltenden geheimen Ausfragen des Inquirenten zu
Protokoll, als der alleinigen Leitung das Zcugenverhörs durch den Präsidenten
in der französischen Jury weit vorzuziehen sei. Namentlich tritt bei ihm die
ganze Persönlichkeit des Zeugen und die Kunde seines Wissens in merk¬
würdiger Vollständigkeit vor das Bewußtsein der Geschwornen. Aber nur
die Zeugen selber werden in dieser Weise verhört, nicht der Angeklagte, denn es ist
nicht einmal jemand da, der zum Zweck der Erforschung um ihn eine Frage
richten könnte, und, was das Wichtigste ist, nach englischen Grundsätzen darf
niemand zu einer gerichtlichen Aussage genöthigt werden. die ita selbst be¬
schädigen könnte, so daß in den meisten Fällen der Vorsitzende des Gerichts¬
hofs an den Angeklagten vor Beginn der Verhandlungen die ausdrückliche
Warnung erläßt, nichts zu seinem eigenen Nachtheil auszusagen. Wer das
Herumzerren eines Angeklagten vor der französischen Jury erlebt hat. wie er
fortwährend vor aller Welt genöthigt wird, sich selbst das Grab zu graben,
das ihn aufnehmen will, der wird das Humane jener englischen Vorschrift
S"nz zu würdigen wissen.
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^se jetzt, nach Vollendung der Anklage und des versuchten Beweises durch
Zeugen beginnt die wirkliche Vertheidigung. So wie jene darauf gerichtet
war. dre Thatsache des verübten Verbrechens Zug für Zug nachzuweisen
und zwar durch directe Beweise, nicht durch Protokolle oder sonstwelche
ähnliche Actenstücke, so mird es Aufgabe der Vertheidigung fern, entweder
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