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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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wiener Congrcßacte, sondern ausschließlich nach den unter den Uferstaaten auf¬
gerichteten Staatsverträgen sei für die Elbe zu fragen. Es bestreitet nun
niemand, das; die Uferstaaten als souveräne Staaten die Möglichkeit hatten,
einen Vertrag aus eignem Antriebe zu schließen, die Verträge aber, welche
wirklich geschlossen sind und welche doch allein in Betracht kommen, ezistiren
nur kraft der wiener Congreßacte und kann einer der Unterzeichner dieser Acte
beweisen, daß sie derselben widersprechende Bestimmungen enthalten, so ist
er an solche nicht gebunden und kann dagegen alle Mittel gebrauchen, welche
die Verletzung eines Vertrages völkerrechtlich an die Hand gibt. Der nassau¬
ische Bevollmächtigte, Hr. Marschnll, sagt in einer von H. Wurm citirten Denk¬
schrift vom 23. Febr. 1815 "daß für diesen Fall man keinen andern Gang
zu nehmen habe, als den in jedem andern Fall einzuschlagenden, wenn ein
Staat die Ausführung bestehender Vertrüge verweigerte."

Es ist oben ausgeführt, wie für die Flußschiffahrt in Wien wie in Paris
der Gedanke einer europäischen Controle festgehalten ist. Daß andere Staaten
ihr Recht des Einspruches gegen die die wiener Artikel verletzenden Eid- und
Rheinanken nicht geltend gemacht haben, ist eine schlimme Nachlässigkeit, deren
Folgen sie durch die neueste Donaunctc fühlen, aber ihr Recht ist dadurch
nicht aufgehoben. So mögen sie es geltend machen und zeigen, daß eS ihnen
mit der Freiheit der Flußschiffahrt Ernst ist. Hr. Wurm ist der Ansicht, die
nächstens zusammentretende pariser Eonfcrenz solle die wiener Artikel selbst re-
vidiren, wir geben ihm ganz Recht, daß selbst diese Bestimmungen noch nicht
die volle Freiheit der Bewegung gewähren, aber wir wollen bescheiden in
unsern Wünschen sein, wie es Deutsche" geziemt, die so wenig sür die Strom¬
schiffahrt gethan. Wir fordern nur, daß die künftige pariser Konferenz die
Artikel l(M--117 der wiener Acte zu einer Wahrheit mache, nicht blos für
die Donau, sondern für alle europäischen Ströme, und daß die ihnen wider¬
sprechenden Bestimmungen der speciellen Flußschiffahrtsacten außer Kraft er¬
klärt werden. In Wien ward gesagt, daß bei dem Flußzolltaris der Gesichts¬
punkt der Ermunterung des Handels und der Erleichterung der Schiffahrt ma߬
gebend sein solle; wenn man denn hört, daß für den Zentner Zink die ganze
Fracht von Breslau nach Hamburg 5 Sgr.. der Elbzoll aber für die kurze
Strecke von Wittenberg bis Hamburg 8^4 Sgr. beträgt, muß man nicht dem
Verfasser recht geben, wenn er ruft: "Was rst dergleichen anders, als, wenn
man deutsch reden soll, eine himmelschreiende Verletzung europäischer Ver¬
träge?" _,

Eine neue Revisionscommission ist zum Juni d. I. für die Elbe, "die
Niobe der europäischen Ströme" (S. 28.) angekündigt, wir hoffen von ihr,
trotz der redlichen Bestrebungen Oestreichs. Preußens. Sachsens und Ham¬
burgs, wenig. Mecklenburgs und Hannovers Finanzinteressen werden gegen


wiener Congrcßacte, sondern ausschließlich nach den unter den Uferstaaten auf¬
gerichteten Staatsverträgen sei für die Elbe zu fragen. Es bestreitet nun
niemand, das; die Uferstaaten als souveräne Staaten die Möglichkeit hatten,
einen Vertrag aus eignem Antriebe zu schließen, die Verträge aber, welche
wirklich geschlossen sind und welche doch allein in Betracht kommen, ezistiren
nur kraft der wiener Congreßacte und kann einer der Unterzeichner dieser Acte
beweisen, daß sie derselben widersprechende Bestimmungen enthalten, so ist
er an solche nicht gebunden und kann dagegen alle Mittel gebrauchen, welche
die Verletzung eines Vertrages völkerrechtlich an die Hand gibt. Der nassau¬
ische Bevollmächtigte, Hr. Marschnll, sagt in einer von H. Wurm citirten Denk¬
schrift vom 23. Febr. 1815 „daß für diesen Fall man keinen andern Gang
zu nehmen habe, als den in jedem andern Fall einzuschlagenden, wenn ein
Staat die Ausführung bestehender Vertrüge verweigerte."

Es ist oben ausgeführt, wie für die Flußschiffahrt in Wien wie in Paris
der Gedanke einer europäischen Controle festgehalten ist. Daß andere Staaten
ihr Recht des Einspruches gegen die die wiener Artikel verletzenden Eid- und
Rheinanken nicht geltend gemacht haben, ist eine schlimme Nachlässigkeit, deren
Folgen sie durch die neueste Donaunctc fühlen, aber ihr Recht ist dadurch
nicht aufgehoben. So mögen sie es geltend machen und zeigen, daß eS ihnen
mit der Freiheit der Flußschiffahrt Ernst ist. Hr. Wurm ist der Ansicht, die
nächstens zusammentretende pariser Eonfcrenz solle die wiener Artikel selbst re-
vidiren, wir geben ihm ganz Recht, daß selbst diese Bestimmungen noch nicht
die volle Freiheit der Bewegung gewähren, aber wir wollen bescheiden in
unsern Wünschen sein, wie es Deutsche» geziemt, die so wenig sür die Strom¬
schiffahrt gethan. Wir fordern nur, daß die künftige pariser Konferenz die
Artikel l(M—117 der wiener Acte zu einer Wahrheit mache, nicht blos für
die Donau, sondern für alle europäischen Ströme, und daß die ihnen wider¬
sprechenden Bestimmungen der speciellen Flußschiffahrtsacten außer Kraft er¬
klärt werden. In Wien ward gesagt, daß bei dem Flußzolltaris der Gesichts¬
punkt der Ermunterung des Handels und der Erleichterung der Schiffahrt ma߬
gebend sein solle; wenn man denn hört, daß für den Zentner Zink die ganze
Fracht von Breslau nach Hamburg 5 Sgr.. der Elbzoll aber für die kurze
Strecke von Wittenberg bis Hamburg 8^4 Sgr. beträgt, muß man nicht dem
Verfasser recht geben, wenn er ruft: „Was rst dergleichen anders, als, wenn
man deutsch reden soll, eine himmelschreiende Verletzung europäischer Ver¬
träge?" _,

Eine neue Revisionscommission ist zum Juni d. I. für die Elbe, „die
Niobe der europäischen Ströme" (S. 28.) angekündigt, wir hoffen von ihr,
trotz der redlichen Bestrebungen Oestreichs. Preußens. Sachsens und Ham¬
burgs, wenig. Mecklenburgs und Hannovers Finanzinteressen werden gegen


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[0215] wiener Congrcßacte, sondern ausschließlich nach den unter den Uferstaaten auf¬ gerichteten Staatsverträgen sei für die Elbe zu fragen. Es bestreitet nun niemand, das; die Uferstaaten als souveräne Staaten die Möglichkeit hatten, einen Vertrag aus eignem Antriebe zu schließen, die Verträge aber, welche wirklich geschlossen sind und welche doch allein in Betracht kommen, ezistiren nur kraft der wiener Congreßacte und kann einer der Unterzeichner dieser Acte beweisen, daß sie derselben widersprechende Bestimmungen enthalten, so ist er an solche nicht gebunden und kann dagegen alle Mittel gebrauchen, welche die Verletzung eines Vertrages völkerrechtlich an die Hand gibt. Der nassau¬ ische Bevollmächtigte, Hr. Marschnll, sagt in einer von H. Wurm citirten Denk¬ schrift vom 23. Febr. 1815 „daß für diesen Fall man keinen andern Gang zu nehmen habe, als den in jedem andern Fall einzuschlagenden, wenn ein Staat die Ausführung bestehender Vertrüge verweigerte." Es ist oben ausgeführt, wie für die Flußschiffahrt in Wien wie in Paris der Gedanke einer europäischen Controle festgehalten ist. Daß andere Staaten ihr Recht des Einspruches gegen die die wiener Artikel verletzenden Eid- und Rheinanken nicht geltend gemacht haben, ist eine schlimme Nachlässigkeit, deren Folgen sie durch die neueste Donaunctc fühlen, aber ihr Recht ist dadurch nicht aufgehoben. So mögen sie es geltend machen und zeigen, daß eS ihnen mit der Freiheit der Flußschiffahrt Ernst ist. Hr. Wurm ist der Ansicht, die nächstens zusammentretende pariser Eonfcrenz solle die wiener Artikel selbst re- vidiren, wir geben ihm ganz Recht, daß selbst diese Bestimmungen noch nicht die volle Freiheit der Bewegung gewähren, aber wir wollen bescheiden in unsern Wünschen sein, wie es Deutsche» geziemt, die so wenig sür die Strom¬ schiffahrt gethan. Wir fordern nur, daß die künftige pariser Konferenz die Artikel l(M—117 der wiener Acte zu einer Wahrheit mache, nicht blos für die Donau, sondern für alle europäischen Ströme, und daß die ihnen wider¬ sprechenden Bestimmungen der speciellen Flußschiffahrtsacten außer Kraft er¬ klärt werden. In Wien ward gesagt, daß bei dem Flußzolltaris der Gesichts¬ punkt der Ermunterung des Handels und der Erleichterung der Schiffahrt ma߬ gebend sein solle; wenn man denn hört, daß für den Zentner Zink die ganze Fracht von Breslau nach Hamburg 5 Sgr.. der Elbzoll aber für die kurze Strecke von Wittenberg bis Hamburg 8^4 Sgr. beträgt, muß man nicht dem Verfasser recht geben, wenn er ruft: „Was rst dergleichen anders, als, wenn man deutsch reden soll, eine himmelschreiende Verletzung europäischer Ver¬ träge?" _, Eine neue Revisionscommission ist zum Juni d. I. für die Elbe, „die Niobe der europäischen Ströme" (S. 28.) angekündigt, wir hoffen von ihr, trotz der redlichen Bestrebungen Oestreichs. Preußens. Sachsens und Ham¬ burgs, wenig. Mecklenburgs und Hannovers Finanzinteressen werden gegen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/215>, abgerufen am 21.12.2024.