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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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solche Behörde, wäre sie nur sonst zweckmäßig aus praktischen Geschäfts¬
männern und anerkannten Autoritäten auf dem vorliegenden Felde zusammen¬
gesetzt, und von aller bureaukratischen Beimischung frei, könnte ganz von selbst
einen höchst wohlthätigen Einfluß auf die Organisation der fraglichen Vereine
ausüben, insofern sie gewisse unerläßliche Grundforderungen an deren Einrich¬
tungen stellte, von deren Zutreffen die Ertheilung jener Gerechtsame abhängig
gemacht würde. Da ihre Einwirkung hierbei immer nur eine begutachtende,
eine berathende bleibt, und auch die Existenz der Bereine, welche sich ihr
nicht fügen, keineswegs angetastet wird, so wird die Freiheit der ganzen Be¬
wegung dadurch nicht im mindesten alterirt. Aber freilich weiter dürfte
man mit der ganzen Einmischung auch nicht gehn und müßte alles andere
der Thätigkeit der Privaten überlassen, wo dann nur noch die Frage ent¬
stände, ob nicht vielleicht, ebenfalls nach englischem Vorgange, ein stehendes
Comite von Promotoren im Vereinswege, vielleicht als Ausfluß der pro-
jectirten Kongresse, zu bilden wäre, welches die Angelegenheit während der
Pausen zwischen jenen nicht aus den Händen ließe und diesen gewissermaßen
vorarbeitete. Seine Aufgabe wäre : nach allen Seiten hin anzuregen, zu
fördern, aufzuklären, bei Constituirung der Vereine mit Rath und That an
die Hand zu gehen, die Statuten zu begutachten, den Verkehr der Associationen
unter einander zu vermitteln, vielleicht sogar für den Geldcommerz einen Halt-
und Mittelpunkt zu bieten, endlich die gemachten Erfahrungen und ge¬
wonnenen Resultate, kurz das ganze statistische Material zu sammeln und zu
sichten und sodann in gehöriger. Weise zur öffentlichen Kenntniß zu bringen.

Was man aber auch von allen diesen Vorschlägen halten mag, so ist
es jedenfalls an der Zeit, sich für irgend etwas zu entscheiden. Die
Agitation auf socialem Gebiete ist da, sie braucht nicht etwa erst gemacht
zu werden, und Heil oder Unheil hängen davon ab, auf welche Bahnen sie
sich wirft. Unter den arbeitenden Classen rührt es sich überall und ebenso
allgemein ist der Drang zu helfen unter den höhern Gesellschaftsschichten, da
sich die Nothwendigkeit, daß etwas geschehen muß. immer greller hervordrängt.
Und um den Einigungspunkt für die vielfach auseinandergehenden Bestrebungen
zu finden, wie ihn die Größe der Aufgabe erfordert, was ist, wir wieder-
holen' es immer wieder, hierzu wohl geeigneter als ein Congreß. ein Kongreß
mit allen seinen Hilfsmitteln, seiner Autorität, als der Repräsentant der
aufgeklärten, öffentlichen Meinung? Ein nationaler freilich, ein deutscher
Congreß muß es sein, wir sagten es schon, da die Bewegung eben in
Deutschland einen eigenthümlichen und, wie wir nachgewiesen zu haben glau¬
ben, einen wahrhaft nationalen Charakter angenommen hat. Fern von aller
socialistischen Beimischung, vollständig der industriellen und humanen Ent¬
wicklungsstufe des deutschen Handwerkers und Arbeiters entsprechend, möchten


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solche Behörde, wäre sie nur sonst zweckmäßig aus praktischen Geschäfts¬
männern und anerkannten Autoritäten auf dem vorliegenden Felde zusammen¬
gesetzt, und von aller bureaukratischen Beimischung frei, könnte ganz von selbst
einen höchst wohlthätigen Einfluß auf die Organisation der fraglichen Vereine
ausüben, insofern sie gewisse unerläßliche Grundforderungen an deren Einrich¬
tungen stellte, von deren Zutreffen die Ertheilung jener Gerechtsame abhängig
gemacht würde. Da ihre Einwirkung hierbei immer nur eine begutachtende,
eine berathende bleibt, und auch die Existenz der Bereine, welche sich ihr
nicht fügen, keineswegs angetastet wird, so wird die Freiheit der ganzen Be¬
wegung dadurch nicht im mindesten alterirt. Aber freilich weiter dürfte
man mit der ganzen Einmischung auch nicht gehn und müßte alles andere
der Thätigkeit der Privaten überlassen, wo dann nur noch die Frage ent¬
stände, ob nicht vielleicht, ebenfalls nach englischem Vorgange, ein stehendes
Comite von Promotoren im Vereinswege, vielleicht als Ausfluß der pro-
jectirten Kongresse, zu bilden wäre, welches die Angelegenheit während der
Pausen zwischen jenen nicht aus den Händen ließe und diesen gewissermaßen
vorarbeitete. Seine Aufgabe wäre : nach allen Seiten hin anzuregen, zu
fördern, aufzuklären, bei Constituirung der Vereine mit Rath und That an
die Hand zu gehen, die Statuten zu begutachten, den Verkehr der Associationen
unter einander zu vermitteln, vielleicht sogar für den Geldcommerz einen Halt-
und Mittelpunkt zu bieten, endlich die gemachten Erfahrungen und ge¬
wonnenen Resultate, kurz das ganze statistische Material zu sammeln und zu
sichten und sodann in gehöriger. Weise zur öffentlichen Kenntniß zu bringen.

Was man aber auch von allen diesen Vorschlägen halten mag, so ist
es jedenfalls an der Zeit, sich für irgend etwas zu entscheiden. Die
Agitation auf socialem Gebiete ist da, sie braucht nicht etwa erst gemacht
zu werden, und Heil oder Unheil hängen davon ab, auf welche Bahnen sie
sich wirft. Unter den arbeitenden Classen rührt es sich überall und ebenso
allgemein ist der Drang zu helfen unter den höhern Gesellschaftsschichten, da
sich die Nothwendigkeit, daß etwas geschehen muß. immer greller hervordrängt.
Und um den Einigungspunkt für die vielfach auseinandergehenden Bestrebungen
zu finden, wie ihn die Größe der Aufgabe erfordert, was ist, wir wieder-
holen' es immer wieder, hierzu wohl geeigneter als ein Congreß. ein Kongreß
mit allen seinen Hilfsmitteln, seiner Autorität, als der Repräsentant der
aufgeklärten, öffentlichen Meinung? Ein nationaler freilich, ein deutscher
Congreß muß es sein, wir sagten es schon, da die Bewegung eben in
Deutschland einen eigenthümlichen und, wie wir nachgewiesen zu haben glau¬
ben, einen wahrhaft nationalen Charakter angenommen hat. Fern von aller
socialistischen Beimischung, vollständig der industriellen und humanen Ent¬
wicklungsstufe des deutschen Handwerkers und Arbeiters entsprechend, möchten


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[0139] solche Behörde, wäre sie nur sonst zweckmäßig aus praktischen Geschäfts¬ männern und anerkannten Autoritäten auf dem vorliegenden Felde zusammen¬ gesetzt, und von aller bureaukratischen Beimischung frei, könnte ganz von selbst einen höchst wohlthätigen Einfluß auf die Organisation der fraglichen Vereine ausüben, insofern sie gewisse unerläßliche Grundforderungen an deren Einrich¬ tungen stellte, von deren Zutreffen die Ertheilung jener Gerechtsame abhängig gemacht würde. Da ihre Einwirkung hierbei immer nur eine begutachtende, eine berathende bleibt, und auch die Existenz der Bereine, welche sich ihr nicht fügen, keineswegs angetastet wird, so wird die Freiheit der ganzen Be¬ wegung dadurch nicht im mindesten alterirt. Aber freilich weiter dürfte man mit der ganzen Einmischung auch nicht gehn und müßte alles andere der Thätigkeit der Privaten überlassen, wo dann nur noch die Frage ent¬ stände, ob nicht vielleicht, ebenfalls nach englischem Vorgange, ein stehendes Comite von Promotoren im Vereinswege, vielleicht als Ausfluß der pro- jectirten Kongresse, zu bilden wäre, welches die Angelegenheit während der Pausen zwischen jenen nicht aus den Händen ließe und diesen gewissermaßen vorarbeitete. Seine Aufgabe wäre : nach allen Seiten hin anzuregen, zu fördern, aufzuklären, bei Constituirung der Vereine mit Rath und That an die Hand zu gehen, die Statuten zu begutachten, den Verkehr der Associationen unter einander zu vermitteln, vielleicht sogar für den Geldcommerz einen Halt- und Mittelpunkt zu bieten, endlich die gemachten Erfahrungen und ge¬ wonnenen Resultate, kurz das ganze statistische Material zu sammeln und zu sichten und sodann in gehöriger. Weise zur öffentlichen Kenntniß zu bringen. Was man aber auch von allen diesen Vorschlägen halten mag, so ist es jedenfalls an der Zeit, sich für irgend etwas zu entscheiden. Die Agitation auf socialem Gebiete ist da, sie braucht nicht etwa erst gemacht zu werden, und Heil oder Unheil hängen davon ab, auf welche Bahnen sie sich wirft. Unter den arbeitenden Classen rührt es sich überall und ebenso allgemein ist der Drang zu helfen unter den höhern Gesellschaftsschichten, da sich die Nothwendigkeit, daß etwas geschehen muß. immer greller hervordrängt. Und um den Einigungspunkt für die vielfach auseinandergehenden Bestrebungen zu finden, wie ihn die Größe der Aufgabe erfordert, was ist, wir wieder- holen' es immer wieder, hierzu wohl geeigneter als ein Congreß. ein Kongreß mit allen seinen Hilfsmitteln, seiner Autorität, als der Repräsentant der aufgeklärten, öffentlichen Meinung? Ein nationaler freilich, ein deutscher Congreß muß es sein, wir sagten es schon, da die Bewegung eben in Deutschland einen eigenthümlichen und, wie wir nachgewiesen zu haben glau¬ ben, einen wahrhaft nationalen Charakter angenommen hat. Fern von aller socialistischen Beimischung, vollständig der industriellen und humanen Ent¬ wicklungsstufe des deutschen Handwerkers und Arbeiters entsprechend, möchten 17*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/139>, abgerufen am 21.12.2024.