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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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wir ihm vor allem diesen Charakter rein erhalten wissen. Wie dadurch den
haltlosen Befürchtungen der besitzenden Classen vor dem rothen Gespenst sein
halbwegs gegründeter Vorwand geboten wird, hat sich der eingeschlagene
Weg auch der wissenschaftlichen Zustimmung unsrer Volk'swirthe zu erfreuen,
ein Moment, welches grade in Deutschland sehr in Anschlag zu bringen
ist. Und hier kommen wir beiläufig zu einem Anknüpfungspunkte in
Bezug auf den vorgeschlagenen Congreß, der vielleicht für sein Zustande¬
kommen eine Chance mehr bietet. Seit einiger Zeit bereitet sich nämlich eine
Zusammenkunft der deutschen Volkswirthe vor. womit der von uns er¬
wähnte Aufruf zur Bildung v olksw ire hschaftlich er Vereine zusam¬
menhängt. Wol ließen sich beide Congresse ganz füglich vereinen, und die
Zwecke beider würden durch eine solche Vereinigung nur gewinnen. Ver¬
weise doch die Volkswirthschaftslehre die Menschen in ihrem Erwerb und
ihren wirthschaftlichen Zuständen stets und ausschließlich aus die eigne Thä¬
tigkeit und Kraft. Die Associationen, als die organisirte Selbsthilfe, ver¬
halten sich also zu ihr wie die Praxis zur Theorie. Nun thut aber nirgend
die innigste Verschmelzung beider, der Theorie und Praxis, mehr noth, als
auf dem Gebiete dieses vorzugsweise der materiellen Lebensthätigkeit der Men¬
schen zugewendeten Ertenntnißzweiges. und nur dem Mangel hieran war
es zuzuschreiben, daß derselbe bisher beim großen Publicum, dem er als un¬
fruchtbare Speculation erschien, so auffallend vernachlässigt wurde. Diesen
Mißcredit würde die Wissenschaft zum großen Theil überwinden, wenn sie
jenen gemeinnützigen Instituten und praktischen Gestaltungen, welche bereits
tief in den Voltsverkehr eingreifen, ihre Theilnahme durch die That bezeugte
und sie als Verkörperung ihrer Lehren öffentlich anerkennte. Denn nur in¬
dem sie die ganze sociale Frage als das ihr gehörige Gebiet offen vor
der Nation anspricht, erhebt sich die Volkswirthschaftslehre zur Höhe ihrer
Sendung, und es kommt ihr zu, alle hier einschlagenden Schöpfungen und
Bestrebungen vor ihren Richterstuhl zu ziehen, das Gesunde und Probehal-
tige von der bloßen Spreu zu sondern, und mit fester Hand und klarem Blick
das Schiff der Civilisation durch Klippen und Untiefen dein Hafen zuzusteuern.
Diese Erwägungen liegen so nahe, daß nicht anzunehmen ist, die deutschen
Volkswirthe würden ihre Interessen so sehr verkennen, um eine solche Ver¬
einigung mit den Praktikern ihres Faches, der Männer des Gedankens mit
den Männern der That, von sich zurückzuweisen. Ohnedies bürgt für das
Gegentheil bei vielen von ihnen die Sympathie, welche sie der Assvciations-
sache bereits offen bethätigt haben, wovon die frankfurter Versammlung das
erfreulichste Zeugniß gab. Und so wünschen wir nur noch, daß unser Vor¬
schlag eine freundliche Aufnahme und Besprechung in weitern Kreisen, be¬
sonders Seitens der Tagespreise finden möge, und fassen schließlich die


wir ihm vor allem diesen Charakter rein erhalten wissen. Wie dadurch den
haltlosen Befürchtungen der besitzenden Classen vor dem rothen Gespenst sein
halbwegs gegründeter Vorwand geboten wird, hat sich der eingeschlagene
Weg auch der wissenschaftlichen Zustimmung unsrer Volk'swirthe zu erfreuen,
ein Moment, welches grade in Deutschland sehr in Anschlag zu bringen
ist. Und hier kommen wir beiläufig zu einem Anknüpfungspunkte in
Bezug auf den vorgeschlagenen Congreß, der vielleicht für sein Zustande¬
kommen eine Chance mehr bietet. Seit einiger Zeit bereitet sich nämlich eine
Zusammenkunft der deutschen Volkswirthe vor. womit der von uns er¬
wähnte Aufruf zur Bildung v olksw ire hschaftlich er Vereine zusam¬
menhängt. Wol ließen sich beide Congresse ganz füglich vereinen, und die
Zwecke beider würden durch eine solche Vereinigung nur gewinnen. Ver¬
weise doch die Volkswirthschaftslehre die Menschen in ihrem Erwerb und
ihren wirthschaftlichen Zuständen stets und ausschließlich aus die eigne Thä¬
tigkeit und Kraft. Die Associationen, als die organisirte Selbsthilfe, ver¬
halten sich also zu ihr wie die Praxis zur Theorie. Nun thut aber nirgend
die innigste Verschmelzung beider, der Theorie und Praxis, mehr noth, als
auf dem Gebiete dieses vorzugsweise der materiellen Lebensthätigkeit der Men¬
schen zugewendeten Ertenntnißzweiges. und nur dem Mangel hieran war
es zuzuschreiben, daß derselbe bisher beim großen Publicum, dem er als un¬
fruchtbare Speculation erschien, so auffallend vernachlässigt wurde. Diesen
Mißcredit würde die Wissenschaft zum großen Theil überwinden, wenn sie
jenen gemeinnützigen Instituten und praktischen Gestaltungen, welche bereits
tief in den Voltsverkehr eingreifen, ihre Theilnahme durch die That bezeugte
und sie als Verkörperung ihrer Lehren öffentlich anerkennte. Denn nur in¬
dem sie die ganze sociale Frage als das ihr gehörige Gebiet offen vor
der Nation anspricht, erhebt sich die Volkswirthschaftslehre zur Höhe ihrer
Sendung, und es kommt ihr zu, alle hier einschlagenden Schöpfungen und
Bestrebungen vor ihren Richterstuhl zu ziehen, das Gesunde und Probehal-
tige von der bloßen Spreu zu sondern, und mit fester Hand und klarem Blick
das Schiff der Civilisation durch Klippen und Untiefen dein Hafen zuzusteuern.
Diese Erwägungen liegen so nahe, daß nicht anzunehmen ist, die deutschen
Volkswirthe würden ihre Interessen so sehr verkennen, um eine solche Ver¬
einigung mit den Praktikern ihres Faches, der Männer des Gedankens mit
den Männern der That, von sich zurückzuweisen. Ohnedies bürgt für das
Gegentheil bei vielen von ihnen die Sympathie, welche sie der Assvciations-
sache bereits offen bethätigt haben, wovon die frankfurter Versammlung das
erfreulichste Zeugniß gab. Und so wünschen wir nur noch, daß unser Vor¬
schlag eine freundliche Aufnahme und Besprechung in weitern Kreisen, be¬
sonders Seitens der Tagespreise finden möge, und fassen schließlich die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/140>, abgerufen am 30.12.2024.