Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.konnte man blos erwiesene Taugenichtse zur Strafe abgeben und hatte dabei Unerwähnt darf allerdings nicht bleiben, daß die Krone die materiellen ') Daß die Krone ihre Domäncnkäuft vorzüglich in Großrußland betrieb, war ebenfalls
konnte man blos erwiesene Taugenichtse zur Strafe abgeben und hatte dabei Unerwähnt darf allerdings nicht bleiben, daß die Krone die materiellen ') Daß die Krone ihre Domäncnkäuft vorzüglich in Großrußland betrieb, war ebenfalls
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0061" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105872"/> <p xml:id="ID_125" prev="#ID_124"> konnte man blos erwiesene Taugenichtse zur Strafe abgeben und hatte dabei<lb/> ebenfalls Kosten; die Recrutirung las sich aber blos die gesündesten Menschen<lb/> aus. also die bcstrentirenden Capitale des Lcibhcrrrn. Unter solchen Verhält¬<lb/> nissen geschah es nun oft. das, die minder bodenreichen Grundherrn sich ihrer<lb/> lebendigen Capitale auf die unmenschlichste Weise entäußerten. Namentlich<lb/> scheute man deren Verschickung nach Sibirien nicht, welche der Leibherr ohne<lb/> richterliches Urtheil verfügen konnte; ferner machte man Uebcrsiedlungcn auf<lb/> entfernte Besitzungen nach Belieben, verhinderte die Verheiratungen u. s. w.<lb/> Solchen Willkürlichkeiten ward nun allerdings durch verschiedene Ukase ein Ziel<lb/> gesetzt; das Recht der Gutsherrn zur Verschickung ihrer Leibeignen, so wie<lb/> ihrer Abgabe zur Armee ohne richterliches Urtheil ward beschränkt; die Ver-<lb/> heirathung der zu ein und demselben Gute Gehörigen blieb nicht mehr an<lb/> die Erlaubniß des Herrn gebunden; für den Verkauf der Eigenhörigen wurden<lb/> strenge Rechtsformen festgesetzt, deren Verletzung sie frei werden ließ u. ,.w. —<lb/> Allein während solchen einzelnen Anordnungen jede principielle Consequenz<lb/> vorenthalten blieb. — namentlich die freie Selbstbestimmung des Leibeignen<lb/> in der Wahl seiner Erwerbsthätigkeit — wiegt auch noch die Frage sehr schwer:<lb/> war es vorher nicht eben die Negierung gewesen, welche durch ihr staatswirth-<lb/> schaftliches Verfahren die Uebel des Leibcigcnschaftsvcrhäitnisses wieder ver¬<lb/> schärft hatte? Und wurde die materielle Lage der Leibeignen wirtlich um so<lb/> viel verbessert, als die der Lcibherrn dadurch verschlechtert, daß man ihre Eigen¬<lb/> thumsrechte beschränkte?</p><lb/> <p xml:id="ID_126"> Unerwähnt darf allerdings nicht bleiben, daß die Krone die materiellen<lb/> Nothstände der Grundherrn nicht blos dazu benutzte, um durch Güterkauf ihren<lb/> eignen Privatbesitz immer mehr zu erweitern. Indem sie heirate die Hälfte von<lb/> Grosnußland als Domänen erwarb, stellte sie hier vielmehr die Leibeignen in<lb/> materieller Beziehung auf gleiche Stufe mit den Kronbauern und erschuf außer¬<lb/> dem das Ministerium der Domänen (1338) als deren specielle Verwaltungs¬<lb/> behörde. Dabei bleibt es jedoch bemerkenswerth genug, daß die Gesetzgebung<lb/> auch hier zerbröckelnd an das nationale Gemeindewesen herantrat, dessen sorg¬<lb/> same Conservirung früher ein höchst bedeutsames Moment der Domänen¬<lb/> verwaltung und einen specifischen Gegensatz zu den Organisationsexperimenten<lb/> in den Mililärcoionicn ausgemacht hatte. Indem jedem Domänenbauern<lb/> das Recht verliehen wurde, den ihm angewiesenen Boden persönlich zu vererben,<lb/> wußte sich natürlich der Unterschied von Arm und Reich in die Gemeinden<lb/> Zuführen, mußte sich die Competenz der Gemeinde über ihre Mitglieder immer<lb/> »lehr beschränken. In gleichem Verhältniß erweiterte sich jedoch ebenso conse-<lb/> quent der Einfluß des Beamtenregimeuts in das Innerste des Communal-<lb/> lcbens hinein.")</p><lb/> <note xml:id="FID_6" place="foot" next="#FID_7"> ') Daß die Krone ihre Domäncnkäuft vorzüglich in Großrußland betrieb, war ebenfalls</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0061]
konnte man blos erwiesene Taugenichtse zur Strafe abgeben und hatte dabei
ebenfalls Kosten; die Recrutirung las sich aber blos die gesündesten Menschen
aus. also die bcstrentirenden Capitale des Lcibhcrrrn. Unter solchen Verhält¬
nissen geschah es nun oft. das, die minder bodenreichen Grundherrn sich ihrer
lebendigen Capitale auf die unmenschlichste Weise entäußerten. Namentlich
scheute man deren Verschickung nach Sibirien nicht, welche der Leibherr ohne
richterliches Urtheil verfügen konnte; ferner machte man Uebcrsiedlungcn auf
entfernte Besitzungen nach Belieben, verhinderte die Verheiratungen u. s. w.
Solchen Willkürlichkeiten ward nun allerdings durch verschiedene Ukase ein Ziel
gesetzt; das Recht der Gutsherrn zur Verschickung ihrer Leibeignen, so wie
ihrer Abgabe zur Armee ohne richterliches Urtheil ward beschränkt; die Ver-
heirathung der zu ein und demselben Gute Gehörigen blieb nicht mehr an
die Erlaubniß des Herrn gebunden; für den Verkauf der Eigenhörigen wurden
strenge Rechtsformen festgesetzt, deren Verletzung sie frei werden ließ u. ,.w. —
Allein während solchen einzelnen Anordnungen jede principielle Consequenz
vorenthalten blieb. — namentlich die freie Selbstbestimmung des Leibeignen
in der Wahl seiner Erwerbsthätigkeit — wiegt auch noch die Frage sehr schwer:
war es vorher nicht eben die Negierung gewesen, welche durch ihr staatswirth-
schaftliches Verfahren die Uebel des Leibcigcnschaftsvcrhäitnisses wieder ver¬
schärft hatte? Und wurde die materielle Lage der Leibeignen wirtlich um so
viel verbessert, als die der Lcibherrn dadurch verschlechtert, daß man ihre Eigen¬
thumsrechte beschränkte?
Unerwähnt darf allerdings nicht bleiben, daß die Krone die materiellen
Nothstände der Grundherrn nicht blos dazu benutzte, um durch Güterkauf ihren
eignen Privatbesitz immer mehr zu erweitern. Indem sie heirate die Hälfte von
Grosnußland als Domänen erwarb, stellte sie hier vielmehr die Leibeignen in
materieller Beziehung auf gleiche Stufe mit den Kronbauern und erschuf außer¬
dem das Ministerium der Domänen (1338) als deren specielle Verwaltungs¬
behörde. Dabei bleibt es jedoch bemerkenswerth genug, daß die Gesetzgebung
auch hier zerbröckelnd an das nationale Gemeindewesen herantrat, dessen sorg¬
same Conservirung früher ein höchst bedeutsames Moment der Domänen¬
verwaltung und einen specifischen Gegensatz zu den Organisationsexperimenten
in den Mililärcoionicn ausgemacht hatte. Indem jedem Domänenbauern
das Recht verliehen wurde, den ihm angewiesenen Boden persönlich zu vererben,
wußte sich natürlich der Unterschied von Arm und Reich in die Gemeinden
Zuführen, mußte sich die Competenz der Gemeinde über ihre Mitglieder immer
»lehr beschränken. In gleichem Verhältniß erweiterte sich jedoch ebenso conse-
quent der Einfluß des Beamtenregimeuts in das Innerste des Communal-
lcbens hinein.")
') Daß die Krone ihre Domäncnkäuft vorzüglich in Großrußland betrieb, war ebenfalls
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