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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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durchströmten Grunde, freundlich in Bäumen und Büschen und hat selbst einige
Häuser mit Glasfenstern, die wir geraume Zeit nicht gesehen. Im Innern
ist es aber ganz ebenso schmuzig und unwirthlich wie die übrigen kleinen
Städte Griechenlands, und wir waren froh, als Spiro die erforderlichen Ein¬
käufe vollendet hatte und uns nun den gegenübergelegenen mit Neben bepflanz¬
ten Berg hinaufführte, von dem wir eine Stunde später in das Alpheusthal
hinabritten. Dasselbe besteht hier aus hohen kahlen Bergketten, an deren
Fuß sich bewaldete, von vielen Schluchten durchschnittene Hügelreihen hin¬
ziehen; zwischen diesen liegt eine bald schmalere, bald breitere Ebene, durch
die der Fluß, in dieser Gegend bei gewöhnlichem Wasserstande 50--60 Fuß
breit, in mannigfaltigen Windungen sich hinschlüngelt. Der Wald, durch
den der Weg nach Olympia läuft, ist jung und nicht hoch, aber sehr dicht,
und es halten sich in ihm, wenn Spiro nicht log, außer Wildschweinen auch
Wölfe auf. Auf einer Strecke von drei Stunden passirten wir nur ein ein¬
ziges Dorf, und dieses bestand überdies nur aus Hütten von Korbgeflecht, die
mit Stroh gedeckt waren. Es war ein bloßes Sommcrdors, welches im
Frühjahr bezogen und im Spätherbst wieder verlassen wird, und deren wir
später noch mehre antrafen.

Endlich gegen Abend erreichten wir die Furt, wo wir über den Fluß
gehen sollten, ritten hindurch, wobei das Wasser den Pferden bis an den
Bauch ging, und gelangten, nachdem wir eine Strecke dem rechts sich hinziehenden
trocknen Theile des Flußbettes gefolgt, nach dem Dorfe Hagiannis, indessen
Nähe auf dem Rande eines Hügels etwa hundert Schritt vom Ufer der Khan
Zacharias steht, wo wir unser Zelt sür die Nacht aufschlagen ließen und nach
einem Bade in dem kühlen reißenden Wasser und einem respectabeln Abend¬
essen die Erschöpfung verschliefen, die wir nach d.en Anstrengungen der letzten
Tage allmälig zu suhlen begannen.

Die Sonne hatte uns vergeblich geweckt. Es lag sich gut auf den Na-
pierschen Patentbetten Spiros und wir waren eben in einen nachträglichen
Morgenschlummer gefallen, als die Nachricht, unsere Pferde seien gestohlen,
uns rasch auf die Beine brachte. Sie wären weggetrieben von der Weide,
wo Barba Anthoni sie die Nacht gehütet, verschwunden, entführt, geraubt,
zum Teufel, schrie Spiro athemlos, verzweifelt in die Zeltthür herein. Es
war alle Ursache zum Verzweifeln vorhanden, wenn es sich wirklich so ver¬
hielt. Wir waren im Südwesten des Peloponnes, mehre Tagereisen von den
Stellen entfernt, wo Dampfer landen, ohne Gelegenheit, uns die englischen
Sättel zu ersetzen, auf denen allein ausdauerndes Reiten möglich ist, und
überdies, da wir uns nur einige Pfund Sterling für außerordentliche Fälle
mitgenommen, ohne ausreichende Mittel andere Pferde zu miethen. Zum
Glück war es nicht so schlimm, als Spiro in der ersten Bestürzung gemeint.


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durchströmten Grunde, freundlich in Bäumen und Büschen und hat selbst einige
Häuser mit Glasfenstern, die wir geraume Zeit nicht gesehen. Im Innern
ist es aber ganz ebenso schmuzig und unwirthlich wie die übrigen kleinen
Städte Griechenlands, und wir waren froh, als Spiro die erforderlichen Ein¬
käufe vollendet hatte und uns nun den gegenübergelegenen mit Neben bepflanz¬
ten Berg hinaufführte, von dem wir eine Stunde später in das Alpheusthal
hinabritten. Dasselbe besteht hier aus hohen kahlen Bergketten, an deren
Fuß sich bewaldete, von vielen Schluchten durchschnittene Hügelreihen hin¬
ziehen; zwischen diesen liegt eine bald schmalere, bald breitere Ebene, durch
die der Fluß, in dieser Gegend bei gewöhnlichem Wasserstande 50—60 Fuß
breit, in mannigfaltigen Windungen sich hinschlüngelt. Der Wald, durch
den der Weg nach Olympia läuft, ist jung und nicht hoch, aber sehr dicht,
und es halten sich in ihm, wenn Spiro nicht log, außer Wildschweinen auch
Wölfe auf. Auf einer Strecke von drei Stunden passirten wir nur ein ein¬
ziges Dorf, und dieses bestand überdies nur aus Hütten von Korbgeflecht, die
mit Stroh gedeckt waren. Es war ein bloßes Sommcrdors, welches im
Frühjahr bezogen und im Spätherbst wieder verlassen wird, und deren wir
später noch mehre antrafen.

Endlich gegen Abend erreichten wir die Furt, wo wir über den Fluß
gehen sollten, ritten hindurch, wobei das Wasser den Pferden bis an den
Bauch ging, und gelangten, nachdem wir eine Strecke dem rechts sich hinziehenden
trocknen Theile des Flußbettes gefolgt, nach dem Dorfe Hagiannis, indessen
Nähe auf dem Rande eines Hügels etwa hundert Schritt vom Ufer der Khan
Zacharias steht, wo wir unser Zelt sür die Nacht aufschlagen ließen und nach
einem Bade in dem kühlen reißenden Wasser und einem respectabeln Abend¬
essen die Erschöpfung verschliefen, die wir nach d.en Anstrengungen der letzten
Tage allmälig zu suhlen begannen.

Die Sonne hatte uns vergeblich geweckt. Es lag sich gut auf den Na-
pierschen Patentbetten Spiros und wir waren eben in einen nachträglichen
Morgenschlummer gefallen, als die Nachricht, unsere Pferde seien gestohlen,
uns rasch auf die Beine brachte. Sie wären weggetrieben von der Weide,
wo Barba Anthoni sie die Nacht gehütet, verschwunden, entführt, geraubt,
zum Teufel, schrie Spiro athemlos, verzweifelt in die Zeltthür herein. Es
war alle Ursache zum Verzweifeln vorhanden, wenn es sich wirklich so ver¬
hielt. Wir waren im Südwesten des Peloponnes, mehre Tagereisen von den
Stellen entfernt, wo Dampfer landen, ohne Gelegenheit, uns die englischen
Sättel zu ersetzen, auf denen allein ausdauerndes Reiten möglich ist, und
überdies, da wir uns nur einige Pfund Sterling für außerordentliche Fälle
mitgenommen, ohne ausreichende Mittel andere Pferde zu miethen. Zum
Glück war es nicht so schlimm, als Spiro in der ersten Bestürzung gemeint.


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[0523] durchströmten Grunde, freundlich in Bäumen und Büschen und hat selbst einige Häuser mit Glasfenstern, die wir geraume Zeit nicht gesehen. Im Innern ist es aber ganz ebenso schmuzig und unwirthlich wie die übrigen kleinen Städte Griechenlands, und wir waren froh, als Spiro die erforderlichen Ein¬ käufe vollendet hatte und uns nun den gegenübergelegenen mit Neben bepflanz¬ ten Berg hinaufführte, von dem wir eine Stunde später in das Alpheusthal hinabritten. Dasselbe besteht hier aus hohen kahlen Bergketten, an deren Fuß sich bewaldete, von vielen Schluchten durchschnittene Hügelreihen hin¬ ziehen; zwischen diesen liegt eine bald schmalere, bald breitere Ebene, durch die der Fluß, in dieser Gegend bei gewöhnlichem Wasserstande 50—60 Fuß breit, in mannigfaltigen Windungen sich hinschlüngelt. Der Wald, durch den der Weg nach Olympia läuft, ist jung und nicht hoch, aber sehr dicht, und es halten sich in ihm, wenn Spiro nicht log, außer Wildschweinen auch Wölfe auf. Auf einer Strecke von drei Stunden passirten wir nur ein ein¬ ziges Dorf, und dieses bestand überdies nur aus Hütten von Korbgeflecht, die mit Stroh gedeckt waren. Es war ein bloßes Sommcrdors, welches im Frühjahr bezogen und im Spätherbst wieder verlassen wird, und deren wir später noch mehre antrafen. Endlich gegen Abend erreichten wir die Furt, wo wir über den Fluß gehen sollten, ritten hindurch, wobei das Wasser den Pferden bis an den Bauch ging, und gelangten, nachdem wir eine Strecke dem rechts sich hinziehenden trocknen Theile des Flußbettes gefolgt, nach dem Dorfe Hagiannis, indessen Nähe auf dem Rande eines Hügels etwa hundert Schritt vom Ufer der Khan Zacharias steht, wo wir unser Zelt sür die Nacht aufschlagen ließen und nach einem Bade in dem kühlen reißenden Wasser und einem respectabeln Abend¬ essen die Erschöpfung verschliefen, die wir nach d.en Anstrengungen der letzten Tage allmälig zu suhlen begannen. Die Sonne hatte uns vergeblich geweckt. Es lag sich gut auf den Na- pierschen Patentbetten Spiros und wir waren eben in einen nachträglichen Morgenschlummer gefallen, als die Nachricht, unsere Pferde seien gestohlen, uns rasch auf die Beine brachte. Sie wären weggetrieben von der Weide, wo Barba Anthoni sie die Nacht gehütet, verschwunden, entführt, geraubt, zum Teufel, schrie Spiro athemlos, verzweifelt in die Zeltthür herein. Es war alle Ursache zum Verzweifeln vorhanden, wenn es sich wirklich so ver¬ hielt. Wir waren im Südwesten des Peloponnes, mehre Tagereisen von den Stellen entfernt, wo Dampfer landen, ohne Gelegenheit, uns die englischen Sättel zu ersetzen, auf denen allein ausdauerndes Reiten möglich ist, und überdies, da wir uns nur einige Pfund Sterling für außerordentliche Fälle mitgenommen, ohne ausreichende Mittel andere Pferde zu miethen. Zum Glück war es nicht so schlimm, als Spiro in der ersten Bestürzung gemeint. 65*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/523>, abgerufen am 26.06.2024.