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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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Klee, bisweilen auch schimmerten Büschel rother Waldnelken seitwärts im
Waldesdunkel. Plötzlich öffneten sich vor uns die Wipfel, und die wohl¬
erhaltenen Ruinen einer alten Stadt- traten uns mit weißen Quadermauern
und Thürmen aus dem Grün einer Hochebne entgegen.

Wir befanden uns vor den Trümmern der Stadt Messene, die von
Epaminondas nach der Schlacht bei Leuktra als Bollwerk gegen die Macht
Spartas gegründet wurde, nachdem vorher ein befestigtes Lager das Volk
Messeniens hier vereinigt hatte, in welchem es sich mit jener heldenmüthigen
Ausdauer vertheidigte, die zu den glorreichsten Zügen der griechischen Ge¬
schichte zählt. Die Stadt breitete sich sast dritthalb Stunden im Umfang am
südwestlichen Abhang des Jthome und über die sattelartige Senkung zwischen
diesem, dem Evas und einem dritten im Westen sich erhebenden Berg aus.
Die Mauer ist gegen Süden hin nur noch zum Theil erhalten. Im Norden
dagegen, wo wir sie zuerst betraten, ist sie in ihrer vollen Höhe, sechs bis acht
Quadcrlagen übereinander, und ebenso in ihrer ganzen Breite beinahe vollständig
noch vorhanden, so daß man das deutlichste Bild einer antiken Festung vor
sich hat. Hier stehen auch noch die viereckigen Streitthürme mit ihren Fenster-
bffnungen in Zwischenräumen von einen, starken Pfeilschuß fast ganz so glatt
und unverrückt da, wie sie die Baumeister des Epaminondas errichtet. Man
sieht die Thürme, die Treppen, die Schießscharten und die Ausfallspforte",
man bemerkt deutlich die Löcher, in welchen die Tragbalken der Decken ruhten.

Wo die Nordmauer beim Herabsteigen vom Jedo.me und dem ihm west¬
lich gegenüberliegenden Berge die tiefste Stelle erreicht , etwa in der Mitte
des Thaleinschnitts, trifft man auf die Ruinen eines großen, rechts und links
von 32 bis 34 Fuß hohen Quaderthürmen flankirten Thores. Dasselbe ist
etwa sechs Schritt weit und führt zunächst in einen runden Hof, der von
schongefugten, gegen 20 Fuß hohen Mauern umgeben ist, und aus dem man
durch ein zweites Thor in das Innere der Stadt tritt. Der Denkstein, sast
drei Klaster lang. ist auf der einen Seite herabgefallen und in der Mitte
zersprungen. Um die Thürme rankt sich kleinblättriger Epheu, und in den
Spalten der Mauern hat hier und da ein kleiner Baum Wurzel geschlagen.
Bon den Hällfern der Stadt sind nur noch Schutthaufen und Grundmauern
zu finden, über die Stätte der meisten aber geht jetzt der Pflug, und auf der
Stelle von andern wuchert Gestrüpp und Buschwerk. Auch vou den Tempeln
trifft man nur noch geringe Reste. Der prachtvolle Marktbrunncn Arsinoö
ist bis auf den kleinen Bach, der ihn speiste, verschwunden. Dagegen läßt
sich die Stelle des Theaters noch wohl erkennen, und ebenso das Stadium
mit seinen Sitzstusen, unter denen ganze Massen von Kapitalen, Säulenbruch-
stücken und Metopen liegen. Endlich befindet sich, nicht sern von dem Dorfe
Mavromati, zwischen Jthome und Evas ein südliches Thor, welches rndeß


Klee, bisweilen auch schimmerten Büschel rother Waldnelken seitwärts im
Waldesdunkel. Plötzlich öffneten sich vor uns die Wipfel, und die wohl¬
erhaltenen Ruinen einer alten Stadt- traten uns mit weißen Quadermauern
und Thürmen aus dem Grün einer Hochebne entgegen.

Wir befanden uns vor den Trümmern der Stadt Messene, die von
Epaminondas nach der Schlacht bei Leuktra als Bollwerk gegen die Macht
Spartas gegründet wurde, nachdem vorher ein befestigtes Lager das Volk
Messeniens hier vereinigt hatte, in welchem es sich mit jener heldenmüthigen
Ausdauer vertheidigte, die zu den glorreichsten Zügen der griechischen Ge¬
schichte zählt. Die Stadt breitete sich sast dritthalb Stunden im Umfang am
südwestlichen Abhang des Jthome und über die sattelartige Senkung zwischen
diesem, dem Evas und einem dritten im Westen sich erhebenden Berg aus.
Die Mauer ist gegen Süden hin nur noch zum Theil erhalten. Im Norden
dagegen, wo wir sie zuerst betraten, ist sie in ihrer vollen Höhe, sechs bis acht
Quadcrlagen übereinander, und ebenso in ihrer ganzen Breite beinahe vollständig
noch vorhanden, so daß man das deutlichste Bild einer antiken Festung vor
sich hat. Hier stehen auch noch die viereckigen Streitthürme mit ihren Fenster-
bffnungen in Zwischenräumen von einen, starken Pfeilschuß fast ganz so glatt
und unverrückt da, wie sie die Baumeister des Epaminondas errichtet. Man
sieht die Thürme, die Treppen, die Schießscharten und die Ausfallspforte»,
man bemerkt deutlich die Löcher, in welchen die Tragbalken der Decken ruhten.

Wo die Nordmauer beim Herabsteigen vom Jedo.me und dem ihm west¬
lich gegenüberliegenden Berge die tiefste Stelle erreicht , etwa in der Mitte
des Thaleinschnitts, trifft man auf die Ruinen eines großen, rechts und links
von 32 bis 34 Fuß hohen Quaderthürmen flankirten Thores. Dasselbe ist
etwa sechs Schritt weit und führt zunächst in einen runden Hof, der von
schongefugten, gegen 20 Fuß hohen Mauern umgeben ist, und aus dem man
durch ein zweites Thor in das Innere der Stadt tritt. Der Denkstein, sast
drei Klaster lang. ist auf der einen Seite herabgefallen und in der Mitte
zersprungen. Um die Thürme rankt sich kleinblättriger Epheu, und in den
Spalten der Mauern hat hier und da ein kleiner Baum Wurzel geschlagen.
Bon den Hällfern der Stadt sind nur noch Schutthaufen und Grundmauern
zu finden, über die Stätte der meisten aber geht jetzt der Pflug, und auf der
Stelle von andern wuchert Gestrüpp und Buschwerk. Auch vou den Tempeln
trifft man nur noch geringe Reste. Der prachtvolle Marktbrunncn Arsinoö
ist bis auf den kleinen Bach, der ihn speiste, verschwunden. Dagegen läßt
sich die Stelle des Theaters noch wohl erkennen, und ebenso das Stadium
mit seinen Sitzstusen, unter denen ganze Massen von Kapitalen, Säulenbruch-
stücken und Metopen liegen. Endlich befindet sich, nicht sern von dem Dorfe
Mavromati, zwischen Jthome und Evas ein südliches Thor, welches rndeß


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[0519] Klee, bisweilen auch schimmerten Büschel rother Waldnelken seitwärts im Waldesdunkel. Plötzlich öffneten sich vor uns die Wipfel, und die wohl¬ erhaltenen Ruinen einer alten Stadt- traten uns mit weißen Quadermauern und Thürmen aus dem Grün einer Hochebne entgegen. Wir befanden uns vor den Trümmern der Stadt Messene, die von Epaminondas nach der Schlacht bei Leuktra als Bollwerk gegen die Macht Spartas gegründet wurde, nachdem vorher ein befestigtes Lager das Volk Messeniens hier vereinigt hatte, in welchem es sich mit jener heldenmüthigen Ausdauer vertheidigte, die zu den glorreichsten Zügen der griechischen Ge¬ schichte zählt. Die Stadt breitete sich sast dritthalb Stunden im Umfang am südwestlichen Abhang des Jthome und über die sattelartige Senkung zwischen diesem, dem Evas und einem dritten im Westen sich erhebenden Berg aus. Die Mauer ist gegen Süden hin nur noch zum Theil erhalten. Im Norden dagegen, wo wir sie zuerst betraten, ist sie in ihrer vollen Höhe, sechs bis acht Quadcrlagen übereinander, und ebenso in ihrer ganzen Breite beinahe vollständig noch vorhanden, so daß man das deutlichste Bild einer antiken Festung vor sich hat. Hier stehen auch noch die viereckigen Streitthürme mit ihren Fenster- bffnungen in Zwischenräumen von einen, starken Pfeilschuß fast ganz so glatt und unverrückt da, wie sie die Baumeister des Epaminondas errichtet. Man sieht die Thürme, die Treppen, die Schießscharten und die Ausfallspforte», man bemerkt deutlich die Löcher, in welchen die Tragbalken der Decken ruhten. Wo die Nordmauer beim Herabsteigen vom Jedo.me und dem ihm west¬ lich gegenüberliegenden Berge die tiefste Stelle erreicht , etwa in der Mitte des Thaleinschnitts, trifft man auf die Ruinen eines großen, rechts und links von 32 bis 34 Fuß hohen Quaderthürmen flankirten Thores. Dasselbe ist etwa sechs Schritt weit und führt zunächst in einen runden Hof, der von schongefugten, gegen 20 Fuß hohen Mauern umgeben ist, und aus dem man durch ein zweites Thor in das Innere der Stadt tritt. Der Denkstein, sast drei Klaster lang. ist auf der einen Seite herabgefallen und in der Mitte zersprungen. Um die Thürme rankt sich kleinblättriger Epheu, und in den Spalten der Mauern hat hier und da ein kleiner Baum Wurzel geschlagen. Bon den Hällfern der Stadt sind nur noch Schutthaufen und Grundmauern zu finden, über die Stätte der meisten aber geht jetzt der Pflug, und auf der Stelle von andern wuchert Gestrüpp und Buschwerk. Auch vou den Tempeln trifft man nur noch geringe Reste. Der prachtvolle Marktbrunncn Arsinoö ist bis auf den kleinen Bach, der ihn speiste, verschwunden. Dagegen läßt sich die Stelle des Theaters noch wohl erkennen, und ebenso das Stadium mit seinen Sitzstusen, unter denen ganze Massen von Kapitalen, Säulenbruch- stücken und Metopen liegen. Endlich befindet sich, nicht sern von dem Dorfe Mavromati, zwischen Jthome und Evas ein südliches Thor, welches rndeß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/519>, abgerufen am 22.07.2024.