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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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uinhersitzenden Griechen mit verächtlichen Blicken gestraft, mit ketzerischen Be¬
hagen gegen das Gebot der Fasten mitgenommenes kaltes Fleisch. Spiro,
der sich auf dem Weiterritt dieser Sünde gleichfalls schuldig machte, verthei¬
digte sich, als ich ihm dies zu Gemüthe führte, damit, daß e-r auf der Reise
sei, und erhielt von uns beiden bereitwillig Absolution. Bald nachher arbei¬
teten wir uns in die große messenische Ebene hinab, an deren gegenüberliegen¬
der Grenze uns der schöngeformte Jthome und daneben derEvas entgegen¬
trat. Die Ebene ist vortrefflich bebaut, voll Dörfer. Maulbeerpflanzungen,
Feigenbäume und Weingärten. In einem der Dörfer taufte Spiro nicht
weniger als sechs Gänse, und es sah trotz der Grausamkeit, mit der er die
armen Dinger lebendig an seinen Sattel hing, ungemein komisch aus, als
er mit der zappelnden schnatternden Last, einen weißen Regenschirm über sich
haltend, vor uus her zum Orte hinaussprengte. Ein Papa (Dorfgeistlicher),
der uns bei dem Gänschandel als Makler und Wechsler gedient, begleitete
uns, und wir waren erstaunt, wie despectirlich Spiro den Mann Gottes be¬
handelte. Später lernten wir dies einsehen. In Griechenland scheint ein
Dorfpope etwa die Geltung zu haben, die im Westen Amerikas ein Schul¬
meister hat. Wer zu nichts Besserem taugt, zieht den blauen Kaftan an. läßt
sich'vom Bischof weihen, tauft, traut und nahete des Sonntags das Ritual
ab und bleibt im Uebrigen so roh und so einfältig wie er gewachsen.

Während ein gewaltiger Regensturz, der schon geraume Zeit an den
Bergen hängend gedroht, herabrauschte, ritten wir im Galopp um die Hügel¬
kette unter dem Jthome, auf welcher sich das Dorf Meil ta Lak (Honig und
Milch) ausbreitet, und eine halbe Stunde später waren wir in dem Khan
von Mavrvsumcnos, der nicht fern von der Brücke liegt, die hier über den tiefen
und breiten Fluß gleiches Namens führt. Nachdem wir hier etwas geruht,
machten wir uns trotz des noch immer strömenden Regens nach dem Jthome
auf, und unser tapferer Entschluß wurde von dem alten Himmelsgott, dereinst
auf dem Gipfel des Berges wohnte, wohlgefällig angesehen. Der Regen ließ bald
nach unserm Eintritt in den Wald nach, und obwol der Weg der gefährlichste
und steilste, den wir bisher emporgeklimmt, und überdies durch den Regen
überaus schlüpfrig geworden war, so erfrischte der Anblick des grünen Laub>
waldes mit seinen dampfenden Schluchten und seinen in der rothen Nach¬
mittagsbeleuchtung blitzenden nassen Wipfeln doch so mächtig, daß wir auch
schwierigere Pfade fröhlich geritten wären. Um ein anmuthig gelegenes Ge-
birgsdorf auf steiler Höhe biegend, gelangten wir auf die andere Seite des
Berges, und nun ritten wir unter förmlichen Lauben hin. Azaleen und
Stacheleichcn überwölbten mit ihren Zweigen den Weg. Steineichen von
riesiger Größe streckten ihre mächtigen Arme über ein dichtes Gebüsch von
andern Bäumen und Sträuchern. Häufig trafen wir eine Art von türkischem


uinhersitzenden Griechen mit verächtlichen Blicken gestraft, mit ketzerischen Be¬
hagen gegen das Gebot der Fasten mitgenommenes kaltes Fleisch. Spiro,
der sich auf dem Weiterritt dieser Sünde gleichfalls schuldig machte, verthei¬
digte sich, als ich ihm dies zu Gemüthe führte, damit, daß e-r auf der Reise
sei, und erhielt von uns beiden bereitwillig Absolution. Bald nachher arbei¬
teten wir uns in die große messenische Ebene hinab, an deren gegenüberliegen¬
der Grenze uns der schöngeformte Jthome und daneben derEvas entgegen¬
trat. Die Ebene ist vortrefflich bebaut, voll Dörfer. Maulbeerpflanzungen,
Feigenbäume und Weingärten. In einem der Dörfer taufte Spiro nicht
weniger als sechs Gänse, und es sah trotz der Grausamkeit, mit der er die
armen Dinger lebendig an seinen Sattel hing, ungemein komisch aus, als
er mit der zappelnden schnatternden Last, einen weißen Regenschirm über sich
haltend, vor uus her zum Orte hinaussprengte. Ein Papa (Dorfgeistlicher),
der uns bei dem Gänschandel als Makler und Wechsler gedient, begleitete
uns, und wir waren erstaunt, wie despectirlich Spiro den Mann Gottes be¬
handelte. Später lernten wir dies einsehen. In Griechenland scheint ein
Dorfpope etwa die Geltung zu haben, die im Westen Amerikas ein Schul¬
meister hat. Wer zu nichts Besserem taugt, zieht den blauen Kaftan an. läßt
sich'vom Bischof weihen, tauft, traut und nahete des Sonntags das Ritual
ab und bleibt im Uebrigen so roh und so einfältig wie er gewachsen.

Während ein gewaltiger Regensturz, der schon geraume Zeit an den
Bergen hängend gedroht, herabrauschte, ritten wir im Galopp um die Hügel¬
kette unter dem Jthome, auf welcher sich das Dorf Meil ta Lak (Honig und
Milch) ausbreitet, und eine halbe Stunde später waren wir in dem Khan
von Mavrvsumcnos, der nicht fern von der Brücke liegt, die hier über den tiefen
und breiten Fluß gleiches Namens führt. Nachdem wir hier etwas geruht,
machten wir uns trotz des noch immer strömenden Regens nach dem Jthome
auf, und unser tapferer Entschluß wurde von dem alten Himmelsgott, dereinst
auf dem Gipfel des Berges wohnte, wohlgefällig angesehen. Der Regen ließ bald
nach unserm Eintritt in den Wald nach, und obwol der Weg der gefährlichste
und steilste, den wir bisher emporgeklimmt, und überdies durch den Regen
überaus schlüpfrig geworden war, so erfrischte der Anblick des grünen Laub>
waldes mit seinen dampfenden Schluchten und seinen in der rothen Nach¬
mittagsbeleuchtung blitzenden nassen Wipfeln doch so mächtig, daß wir auch
schwierigere Pfade fröhlich geritten wären. Um ein anmuthig gelegenes Ge-
birgsdorf auf steiler Höhe biegend, gelangten wir auf die andere Seite des
Berges, und nun ritten wir unter förmlichen Lauben hin. Azaleen und
Stacheleichcn überwölbten mit ihren Zweigen den Weg. Steineichen von
riesiger Größe streckten ihre mächtigen Arme über ein dichtes Gebüsch von
andern Bäumen und Sträuchern. Häufig trafen wir eine Art von türkischem


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[0518] uinhersitzenden Griechen mit verächtlichen Blicken gestraft, mit ketzerischen Be¬ hagen gegen das Gebot der Fasten mitgenommenes kaltes Fleisch. Spiro, der sich auf dem Weiterritt dieser Sünde gleichfalls schuldig machte, verthei¬ digte sich, als ich ihm dies zu Gemüthe führte, damit, daß e-r auf der Reise sei, und erhielt von uns beiden bereitwillig Absolution. Bald nachher arbei¬ teten wir uns in die große messenische Ebene hinab, an deren gegenüberliegen¬ der Grenze uns der schöngeformte Jthome und daneben derEvas entgegen¬ trat. Die Ebene ist vortrefflich bebaut, voll Dörfer. Maulbeerpflanzungen, Feigenbäume und Weingärten. In einem der Dörfer taufte Spiro nicht weniger als sechs Gänse, und es sah trotz der Grausamkeit, mit der er die armen Dinger lebendig an seinen Sattel hing, ungemein komisch aus, als er mit der zappelnden schnatternden Last, einen weißen Regenschirm über sich haltend, vor uus her zum Orte hinaussprengte. Ein Papa (Dorfgeistlicher), der uns bei dem Gänschandel als Makler und Wechsler gedient, begleitete uns, und wir waren erstaunt, wie despectirlich Spiro den Mann Gottes be¬ handelte. Später lernten wir dies einsehen. In Griechenland scheint ein Dorfpope etwa die Geltung zu haben, die im Westen Amerikas ein Schul¬ meister hat. Wer zu nichts Besserem taugt, zieht den blauen Kaftan an. läßt sich'vom Bischof weihen, tauft, traut und nahete des Sonntags das Ritual ab und bleibt im Uebrigen so roh und so einfältig wie er gewachsen. Während ein gewaltiger Regensturz, der schon geraume Zeit an den Bergen hängend gedroht, herabrauschte, ritten wir im Galopp um die Hügel¬ kette unter dem Jthome, auf welcher sich das Dorf Meil ta Lak (Honig und Milch) ausbreitet, und eine halbe Stunde später waren wir in dem Khan von Mavrvsumcnos, der nicht fern von der Brücke liegt, die hier über den tiefen und breiten Fluß gleiches Namens führt. Nachdem wir hier etwas geruht, machten wir uns trotz des noch immer strömenden Regens nach dem Jthome auf, und unser tapferer Entschluß wurde von dem alten Himmelsgott, dereinst auf dem Gipfel des Berges wohnte, wohlgefällig angesehen. Der Regen ließ bald nach unserm Eintritt in den Wald nach, und obwol der Weg der gefährlichste und steilste, den wir bisher emporgeklimmt, und überdies durch den Regen überaus schlüpfrig geworden war, so erfrischte der Anblick des grünen Laub> waldes mit seinen dampfenden Schluchten und seinen in der rothen Nach¬ mittagsbeleuchtung blitzenden nassen Wipfeln doch so mächtig, daß wir auch schwierigere Pfade fröhlich geritten wären. Um ein anmuthig gelegenes Ge- birgsdorf auf steiler Höhe biegend, gelangten wir auf die andere Seite des Berges, und nun ritten wir unter förmlichen Lauben hin. Azaleen und Stacheleichcn überwölbten mit ihren Zweigen den Weg. Steineichen von riesiger Größe streckten ihre mächtigen Arme über ein dichtes Gebüsch von andern Bäumen und Sträuchern. Häufig trafen wir eine Art von türkischem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/518>, abgerufen am 22.07.2024.