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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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hatte. "Auf dem einen erfreute ein Dampfschiff mit grünen Masten und rothen
Segeln das Auge. Ein anderes zeigte einen Plan von Kronstäbe mit flie¬
genden Bomben. Daneben präsentirte sich eine bunte Louise oder Pauline
mit der Frisur und den Pusfenärmeln der zwanziger Jahre, und neben dieser
wieder hatte der Sammler dieser Galerie von Kunstwerken eine Auswahl von
Holzschnitten ans -- wer hätte "den hier gesucht -- Johann Jakob Webers
illustrirten Volkskalender angebracht: den erschossenen Dortü neben dem leib¬
haftigen Harleß. eine Scene aus den Rastadter Gefängnissen neben dem mit
steifnackigem Gleichmuth über den Zaun einer hohen weißen Halsbinde aus
uns herniederschauenden Staatsrath Druey. Unter und zur Seite der Herren
endlich klebten -- böse Herzen hätten darin etwas wie Wappenzeichen oder
symbolische Thiere erblicken können -- verschiedene Bilder einer Abcbuchs¬
zoologie: ein Bar, ein Esel u. s. w. Aehnlich wie dieser sind alle Khans
beschaffen, die wir un Ve-rianf der Reise besuchten, und wenn bei diesen
andern die Bildergalerie mangelt, so wird sie reichlich durch jene Rußfahnen
von Kria Vryssi und durch fleißiger mit Jnsektenblut marmorirte Wände
erhebt.

Der nächste Tag führte uns zunächst in das tiefe Thal hinter Levndari
hinab und dann hinaus durch einen Eichenwald, wie ich ihn so stolz und
schon in Griechenland nicht vermutb,et hätte, in dein wir aber leider zugleich
ein recht deutliches Beispiel der unverantwortlich leichtsinnigen Weise fanden,
mit der man hier die Forsten behandelt. An vielen Stellen hatte, man,
offenbar blos zum Vergnügen, die prächtigen Bäume angesengt, andere waren
ähnlich wie in den amerikanischen Clearings durch Abschälung der Rinde
ertödtet, wieder andere verkohlt oder gefällt. An einer Stelle hatte man eine
ganze weite Strecke gerötet, vermuthlich, um Ackerland zu gewinnen. Ich
bin der Meinung, daß man die Zeit klüger darauf verwendet hätte, der Ver¬
sumpfung der Nachbarschaft durch Drainiren, oder wenn das zu viel verlangt
ist, durch einfaches Grabenziehen zu steuern, und ich gebe zu, daß die Mei¬
nung, Neugriechenland würde besser daran sein, wenn es statt seiner schwarzen
todten Heiligen noch die alten lebensvollen Dryaden verehrte, unchristlich,
nicht aber, daß sie unvernünftig ist. Auf alle Fälle sollte es in einem baum¬
armen Lande eine Schande sein, Bäume ohne Noth zu ertödten, hier aber
geht der erste beste Schlingel, der einen Zahnstocher braucht, hinaus und
schlägt die schönste Eiche nieder. Hübsche Durchblicke auf Berg und Thal,
das Gezirp der gelb und rothen Heupferde, die an sonnigen Stellen hüpften,
der melancholische Ruf des Kukuks im schattigen Dickicht vertrieben den Aerger
über diesen Forstfrevel, und wir genossen tiefathmend die Kühle und den
Walddust, die an die ferne Heimath erinnerten.

Gegen neun Uhr frühstückten wir im Khan von Derhenya. von den. dorr


hatte. "Auf dem einen erfreute ein Dampfschiff mit grünen Masten und rothen
Segeln das Auge. Ein anderes zeigte einen Plan von Kronstäbe mit flie¬
genden Bomben. Daneben präsentirte sich eine bunte Louise oder Pauline
mit der Frisur und den Pusfenärmeln der zwanziger Jahre, und neben dieser
wieder hatte der Sammler dieser Galerie von Kunstwerken eine Auswahl von
Holzschnitten ans — wer hätte »den hier gesucht — Johann Jakob Webers
illustrirten Volkskalender angebracht: den erschossenen Dortü neben dem leib¬
haftigen Harleß. eine Scene aus den Rastadter Gefängnissen neben dem mit
steifnackigem Gleichmuth über den Zaun einer hohen weißen Halsbinde aus
uns herniederschauenden Staatsrath Druey. Unter und zur Seite der Herren
endlich klebten — böse Herzen hätten darin etwas wie Wappenzeichen oder
symbolische Thiere erblicken können — verschiedene Bilder einer Abcbuchs¬
zoologie: ein Bar, ein Esel u. s. w. Aehnlich wie dieser sind alle Khans
beschaffen, die wir un Ve-rianf der Reise besuchten, und wenn bei diesen
andern die Bildergalerie mangelt, so wird sie reichlich durch jene Rußfahnen
von Kria Vryssi und durch fleißiger mit Jnsektenblut marmorirte Wände
erhebt.

Der nächste Tag führte uns zunächst in das tiefe Thal hinter Levndari
hinab und dann hinaus durch einen Eichenwald, wie ich ihn so stolz und
schon in Griechenland nicht vermutb,et hätte, in dein wir aber leider zugleich
ein recht deutliches Beispiel der unverantwortlich leichtsinnigen Weise fanden,
mit der man hier die Forsten behandelt. An vielen Stellen hatte, man,
offenbar blos zum Vergnügen, die prächtigen Bäume angesengt, andere waren
ähnlich wie in den amerikanischen Clearings durch Abschälung der Rinde
ertödtet, wieder andere verkohlt oder gefällt. An einer Stelle hatte man eine
ganze weite Strecke gerötet, vermuthlich, um Ackerland zu gewinnen. Ich
bin der Meinung, daß man die Zeit klüger darauf verwendet hätte, der Ver¬
sumpfung der Nachbarschaft durch Drainiren, oder wenn das zu viel verlangt
ist, durch einfaches Grabenziehen zu steuern, und ich gebe zu, daß die Mei¬
nung, Neugriechenland würde besser daran sein, wenn es statt seiner schwarzen
todten Heiligen noch die alten lebensvollen Dryaden verehrte, unchristlich,
nicht aber, daß sie unvernünftig ist. Auf alle Fälle sollte es in einem baum¬
armen Lande eine Schande sein, Bäume ohne Noth zu ertödten, hier aber
geht der erste beste Schlingel, der einen Zahnstocher braucht, hinaus und
schlägt die schönste Eiche nieder. Hübsche Durchblicke auf Berg und Thal,
das Gezirp der gelb und rothen Heupferde, die an sonnigen Stellen hüpften,
der melancholische Ruf des Kukuks im schattigen Dickicht vertrieben den Aerger
über diesen Forstfrevel, und wir genossen tiefathmend die Kühle und den
Walddust, die an die ferne Heimath erinnerten.

Gegen neun Uhr frühstückten wir im Khan von Derhenya. von den. dorr


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/517>, abgerufen am 22.07.2024.