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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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angelegten Straßen und etwa zwölfhundert Einwohnern, die sich meist von
Ackerbau nähren. Der rothe Wein, den wir hier tranken, war besser, als
irgend einer, den wir bis dahin im Peloponnes bekommen. Als wir in dem
Kaffeehause gegenüber dem Gerichtsgebäude saßen, sahen wir die Gefangenen
im obern Stock hinter den Gitterfenstern munter die Romaika tanzen.

Auch in Sparta lebt ein deutscher Arzt, ein Doctor Kessel aus dem
Badenschen. Wir fanden in ihm einen feinen und sehr unterrichteten Mann
der über die Neugriechen günstiger urtheilte, als andere Landsleute, denen
wir bisher begegnet, und von ihnen nur das Eine zu tadeln wußte, daß sie
nichts vollkommen zu Ende führen könnten, immer Neues anfangen müßten,
an das Dach des Hauses, wie er sich ausdrückte, vor dem Grunde dachten.
Er lebte in angenehmen Verhältnissen, schien sich indeß nicht recht wohl zu
fühlen und sprach davon, nach Pallas auszuwandern, wo er früher schon sich
aufgehalten. Seine Frau war eine Negerin, die er -- ein immerhin starkes
Stück von Dankbarkeit -- geheirathet, weil sie ihm während einer Krankheit,
die ihn in Naupl.la überfallen, eine treubeharrliche Pflegerin gewesen war.
Wir machten mit ihm einen Gang nach den malerisch auf dem Ostabhange
des Taygetus gelegenen Mistra', einer im dreizehnten Jahrhundert von
fränkischen Rittern erbauten Neste, unter der sich eine ziemlich ausgedehnte
Stadt mit mehren Kirchen und Klöstern hinzieht. Die Burg ist Ruine, auch
die Stadt ist großentheils verlassen und verfallen, bietet aber, mit ihren
Trümmern zwischen allerlei breitwipfeligeu Bäumen a" den Klippe" hängend,
nur einen um so romantischeren Anblick. Nicht weit davon, über dein Dorfe
Parvri schaut man in eine tiefe düstre Kluft hinab, in der man, wol nur
durch das Gefühl der Schauerlichkeit des Ortes geleitet, den Kaiadas findet,
in welchen dre Spartaner einst ihre Verbrecher zu stürzen pflegten. In der Kluft
rauscht ein schäumender Bach. Die Vegetation ist ringsum überaus üppig.
Gruppe" von Platanen und Steineichen wechseln mit prächtigen Feigenbäumen,
kleinen Orangen- und Olivenhainen und Maulbeerpflanzungen, zwischen denen
hierund da. hoch und schlank wie italienische Pappeln, schwarze Cypressen ragen,
wahrend an den Wassern, die aus den Nachbargründen nach der Ebne hinnb-
rieseln, die rothen Blüten von Oleandern heraufschimmcrn. Weiter oben im
Gebirge blicken hellgrüne Triften aus den Blößen herab, die der Tannenwald
läßt, und darüber glänzen in den Spalten der grauen Felshäupter, schmalen
Wasserfällen gleich, in malerischer Vertheilung Streifen von Schnee.

Das Eurotasthal behält von Sparta abwärts noch mehre Meile" seine
dortige Breite. Weiterhin verengt es sich zu einer wilden Schlucht. Dann
strömt der Fluß dnrch eine kleine sumpfige Ebne dem Meere zu. Auf den
Ausläufern des Taygetus wohnen die jetzt gezähmten Mainoten, auf den
Höhen des Parnon die nur von Viehzucht lebenden Tzakonier, deren eigen-


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angelegten Straßen und etwa zwölfhundert Einwohnern, die sich meist von
Ackerbau nähren. Der rothe Wein, den wir hier tranken, war besser, als
irgend einer, den wir bis dahin im Peloponnes bekommen. Als wir in dem
Kaffeehause gegenüber dem Gerichtsgebäude saßen, sahen wir die Gefangenen
im obern Stock hinter den Gitterfenstern munter die Romaika tanzen.

Auch in Sparta lebt ein deutscher Arzt, ein Doctor Kessel aus dem
Badenschen. Wir fanden in ihm einen feinen und sehr unterrichteten Mann
der über die Neugriechen günstiger urtheilte, als andere Landsleute, denen
wir bisher begegnet, und von ihnen nur das Eine zu tadeln wußte, daß sie
nichts vollkommen zu Ende führen könnten, immer Neues anfangen müßten,
an das Dach des Hauses, wie er sich ausdrückte, vor dem Grunde dachten.
Er lebte in angenehmen Verhältnissen, schien sich indeß nicht recht wohl zu
fühlen und sprach davon, nach Pallas auszuwandern, wo er früher schon sich
aufgehalten. Seine Frau war eine Negerin, die er — ein immerhin starkes
Stück von Dankbarkeit — geheirathet, weil sie ihm während einer Krankheit,
die ihn in Naupl.la überfallen, eine treubeharrliche Pflegerin gewesen war.
Wir machten mit ihm einen Gang nach den malerisch auf dem Ostabhange
des Taygetus gelegenen Mistra', einer im dreizehnten Jahrhundert von
fränkischen Rittern erbauten Neste, unter der sich eine ziemlich ausgedehnte
Stadt mit mehren Kirchen und Klöstern hinzieht. Die Burg ist Ruine, auch
die Stadt ist großentheils verlassen und verfallen, bietet aber, mit ihren
Trümmern zwischen allerlei breitwipfeligeu Bäumen a» den Klippe» hängend,
nur einen um so romantischeren Anblick. Nicht weit davon, über dein Dorfe
Parvri schaut man in eine tiefe düstre Kluft hinab, in der man, wol nur
durch das Gefühl der Schauerlichkeit des Ortes geleitet, den Kaiadas findet,
in welchen dre Spartaner einst ihre Verbrecher zu stürzen pflegten. In der Kluft
rauscht ein schäumender Bach. Die Vegetation ist ringsum überaus üppig.
Gruppe» von Platanen und Steineichen wechseln mit prächtigen Feigenbäumen,
kleinen Orangen- und Olivenhainen und Maulbeerpflanzungen, zwischen denen
hierund da. hoch und schlank wie italienische Pappeln, schwarze Cypressen ragen,
wahrend an den Wassern, die aus den Nachbargründen nach der Ebne hinnb-
rieseln, die rothen Blüten von Oleandern heraufschimmcrn. Weiter oben im
Gebirge blicken hellgrüne Triften aus den Blößen herab, die der Tannenwald
läßt, und darüber glänzen in den Spalten der grauen Felshäupter, schmalen
Wasserfällen gleich, in malerischer Vertheilung Streifen von Schnee.

Das Eurotasthal behält von Sparta abwärts noch mehre Meile» seine
dortige Breite. Weiterhin verengt es sich zu einer wilden Schlucht. Dann
strömt der Fluß dnrch eine kleine sumpfige Ebne dem Meere zu. Auf den
Ausläufern des Taygetus wohnen die jetzt gezähmten Mainoten, auf den
Höhen des Parnon die nur von Viehzucht lebenden Tzakonier, deren eigen-


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[0513] angelegten Straßen und etwa zwölfhundert Einwohnern, die sich meist von Ackerbau nähren. Der rothe Wein, den wir hier tranken, war besser, als irgend einer, den wir bis dahin im Peloponnes bekommen. Als wir in dem Kaffeehause gegenüber dem Gerichtsgebäude saßen, sahen wir die Gefangenen im obern Stock hinter den Gitterfenstern munter die Romaika tanzen. Auch in Sparta lebt ein deutscher Arzt, ein Doctor Kessel aus dem Badenschen. Wir fanden in ihm einen feinen und sehr unterrichteten Mann der über die Neugriechen günstiger urtheilte, als andere Landsleute, denen wir bisher begegnet, und von ihnen nur das Eine zu tadeln wußte, daß sie nichts vollkommen zu Ende führen könnten, immer Neues anfangen müßten, an das Dach des Hauses, wie er sich ausdrückte, vor dem Grunde dachten. Er lebte in angenehmen Verhältnissen, schien sich indeß nicht recht wohl zu fühlen und sprach davon, nach Pallas auszuwandern, wo er früher schon sich aufgehalten. Seine Frau war eine Negerin, die er — ein immerhin starkes Stück von Dankbarkeit — geheirathet, weil sie ihm während einer Krankheit, die ihn in Naupl.la überfallen, eine treubeharrliche Pflegerin gewesen war. Wir machten mit ihm einen Gang nach den malerisch auf dem Ostabhange des Taygetus gelegenen Mistra', einer im dreizehnten Jahrhundert von fränkischen Rittern erbauten Neste, unter der sich eine ziemlich ausgedehnte Stadt mit mehren Kirchen und Klöstern hinzieht. Die Burg ist Ruine, auch die Stadt ist großentheils verlassen und verfallen, bietet aber, mit ihren Trümmern zwischen allerlei breitwipfeligeu Bäumen a» den Klippe» hängend, nur einen um so romantischeren Anblick. Nicht weit davon, über dein Dorfe Parvri schaut man in eine tiefe düstre Kluft hinab, in der man, wol nur durch das Gefühl der Schauerlichkeit des Ortes geleitet, den Kaiadas findet, in welchen dre Spartaner einst ihre Verbrecher zu stürzen pflegten. In der Kluft rauscht ein schäumender Bach. Die Vegetation ist ringsum überaus üppig. Gruppe» von Platanen und Steineichen wechseln mit prächtigen Feigenbäumen, kleinen Orangen- und Olivenhainen und Maulbeerpflanzungen, zwischen denen hierund da. hoch und schlank wie italienische Pappeln, schwarze Cypressen ragen, wahrend an den Wassern, die aus den Nachbargründen nach der Ebne hinnb- rieseln, die rothen Blüten von Oleandern heraufschimmcrn. Weiter oben im Gebirge blicken hellgrüne Triften aus den Blößen herab, die der Tannenwald läßt, und darüber glänzen in den Spalten der grauen Felshäupter, schmalen Wasserfällen gleich, in malerischer Vertheilung Streifen von Schnee. Das Eurotasthal behält von Sparta abwärts noch mehre Meile» seine dortige Breite. Weiterhin verengt es sich zu einer wilden Schlucht. Dann strömt der Fluß dnrch eine kleine sumpfige Ebne dem Meere zu. Auf den Ausläufern des Taygetus wohnen die jetzt gezähmten Mainoten, auf den Höhen des Parnon die nur von Viehzucht lebenden Tzakonier, deren eigen- Ärenzbmen III. 18os. t>4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/513>, abgerufen am 22.07.2024.