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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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an einem so heitern Tage, bei hellster Nachmittagsbeleuchtung und klarster
Lust zu erblicken, wie es uns vergönnt war, wirkt gradezu überwältigend,
und mehrmals hielten wir auf dem Wege in die Tiefe an, um es in seiner
ganzen vollen Pracht in die Seele auszunehmen.

Der Führer hatte uns auf unsre Frage nach Sparta eine.Gruppe rother
Dächer mit einer weißen Kirche gezeigt, die ungefähr in der Mitte des Thales,
etwas erhöht über dem Flusse lag. Wir glaubten die Stadt in ungefähr einer
Stunde erreichen zu können, bedurften dazu jedoch fast drei Stunden, da der
Weg bergab überaus beschwerlich ist und andrerseits die Reinheit der Luft
über die Entfernungen täuscht. Endlich hatten wir, die Pferde hinter uns
herziehend, stolpernd, rutschend, springend, die Sohle des Thales gewonnen.
Rechts von dem Wege, den wir genommen, führt eine große, ausfallend steil
gewölbte Brücke über das Wasser. Wir benutzten sie, dem durch die gefähr¬
liche Beschaffenheit solcher Bauten gerechtfertigten Landesbrauch folgend, stets
neben den Brücken über die Flüsse zu gehen, nicht, durchritten das Wasser
bei einer Furt und kamen eine Stunde später nach der Stadt, wo wir unser
Zelt aus dem großen freien Platze vor der neuen Kirche aufschlagen ließen.

Wir wissen, daß das alte Sparta keine geschlossene Stadt war, sondern
sich in einzeln liegenden Häusern und Gehöften über einen der Hügel unter
dem Taygetus ausbreitete. Erst in der Zeit des Demetrius Poiiorketes bekam
es Mauern und Gräben und zugleich eine Burg, die sich aus dem Gipfel eines
Hügels im Norden der Stadt erhob. Die Ruinen, welche man auf dieser
Stätte antrifft, gehören nur zum kleinsten Theil der Stadt des Leonidas an,
das Meiste stammt aus der Zeit der Römer und Byzantiner. Hierher zählt
das Theater, das wahrscheinlich die Stelle der einstigen Akropolis einnimmt.
Es ist ziemlich groß, lehnt sich mit seiner Rückseite an einen Hügel, während
die beiden andern Seiten ans Quadern von gelblichem Kalkstein erbaut sind,
und hat seine Sitzstusen bis aus wenige kaum erkennbare Spuren verloren.
Ein halbverschüttetes Thorgewände aus mächtigen Steinbalken könnte der Ein¬
gang zum Tempel der Athene Chalkioikos sein, in den Pausanias nach Ent¬
deckung seines Verraths floh, um den Hungertod zu sterben. Rechts und
links, so wie auf der Ebne zwischen dem Theater und dem heutigen Sparta
ragten aus den Gerstenfeldern und unter den Maulbeer- und Feigenbäumen,
die wir hier erblickten, zahlreiche Neste von Gemäuer. Im Osten des Theater¬
hügels steht ein runder römischer Ziegelbau, vielleicht ein Odeon, Südwestlich
von hier endlich trifft man aus die Ruinen eines viereckigen Gebäudes aus
großen Quadern, welches Spiro das Grabmal des Leonidas sein ließ -- eine
Behauptung, mit der er einmal Necht gehabt haben mag. da auch Pausanias
dieses Denkmal in die Nähe des Theaters verlegt.

Das jetzige Sparta ist ein freundliches Städtchen mit breiten, regelmäßig


an einem so heitern Tage, bei hellster Nachmittagsbeleuchtung und klarster
Lust zu erblicken, wie es uns vergönnt war, wirkt gradezu überwältigend,
und mehrmals hielten wir auf dem Wege in die Tiefe an, um es in seiner
ganzen vollen Pracht in die Seele auszunehmen.

Der Führer hatte uns auf unsre Frage nach Sparta eine.Gruppe rother
Dächer mit einer weißen Kirche gezeigt, die ungefähr in der Mitte des Thales,
etwas erhöht über dem Flusse lag. Wir glaubten die Stadt in ungefähr einer
Stunde erreichen zu können, bedurften dazu jedoch fast drei Stunden, da der
Weg bergab überaus beschwerlich ist und andrerseits die Reinheit der Luft
über die Entfernungen täuscht. Endlich hatten wir, die Pferde hinter uns
herziehend, stolpernd, rutschend, springend, die Sohle des Thales gewonnen.
Rechts von dem Wege, den wir genommen, führt eine große, ausfallend steil
gewölbte Brücke über das Wasser. Wir benutzten sie, dem durch die gefähr¬
liche Beschaffenheit solcher Bauten gerechtfertigten Landesbrauch folgend, stets
neben den Brücken über die Flüsse zu gehen, nicht, durchritten das Wasser
bei einer Furt und kamen eine Stunde später nach der Stadt, wo wir unser
Zelt aus dem großen freien Platze vor der neuen Kirche aufschlagen ließen.

Wir wissen, daß das alte Sparta keine geschlossene Stadt war, sondern
sich in einzeln liegenden Häusern und Gehöften über einen der Hügel unter
dem Taygetus ausbreitete. Erst in der Zeit des Demetrius Poiiorketes bekam
es Mauern und Gräben und zugleich eine Burg, die sich aus dem Gipfel eines
Hügels im Norden der Stadt erhob. Die Ruinen, welche man auf dieser
Stätte antrifft, gehören nur zum kleinsten Theil der Stadt des Leonidas an,
das Meiste stammt aus der Zeit der Römer und Byzantiner. Hierher zählt
das Theater, das wahrscheinlich die Stelle der einstigen Akropolis einnimmt.
Es ist ziemlich groß, lehnt sich mit seiner Rückseite an einen Hügel, während
die beiden andern Seiten ans Quadern von gelblichem Kalkstein erbaut sind,
und hat seine Sitzstusen bis aus wenige kaum erkennbare Spuren verloren.
Ein halbverschüttetes Thorgewände aus mächtigen Steinbalken könnte der Ein¬
gang zum Tempel der Athene Chalkioikos sein, in den Pausanias nach Ent¬
deckung seines Verraths floh, um den Hungertod zu sterben. Rechts und
links, so wie auf der Ebne zwischen dem Theater und dem heutigen Sparta
ragten aus den Gerstenfeldern und unter den Maulbeer- und Feigenbäumen,
die wir hier erblickten, zahlreiche Neste von Gemäuer. Im Osten des Theater¬
hügels steht ein runder römischer Ziegelbau, vielleicht ein Odeon, Südwestlich
von hier endlich trifft man aus die Ruinen eines viereckigen Gebäudes aus
großen Quadern, welches Spiro das Grabmal des Leonidas sein ließ — eine
Behauptung, mit der er einmal Necht gehabt haben mag. da auch Pausanias
dieses Denkmal in die Nähe des Theaters verlegt.

Das jetzige Sparta ist ein freundliches Städtchen mit breiten, regelmäßig


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/512>, abgerufen am 22.07.2024.