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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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Rauche des neben uns auflodernden Herdfeuers gepeinigt, des Nachts von
Flöhen überfallen und des Morgens mit den Nußflocken bestreut, die wie zer¬
fetzte Fahnen vom Sparrwerke des Daches herabhingen, das Wort, es künf¬
tig, wenn irgend möglich, beim Zelte bewenden zu lassen.

Am nächsten Tage zogen wir in südlicher Richtung weiter durch das Thal,
das sich hier bald zu Schluchten verengt, bald zu kleinen Kesseln erweitert.
Die Berge sind in dieser Gegend nicht hoch, aber sehr rauh. An ihren Seiten
trifft man hin und wieder Gerstenfelder, in der Tiefe stehen einzelne dickstäm-
mige Platanen mit dürftigen Wipfeln, einzelne Steineichen und wilde Bum-
bäuine. Hin und wieder hört man das Geklingel der Glocken von Schas-
und Ziegenherden und den melancholischen Gesang eines Hirten. Im Ganzen
macht die Gegend den Eindruck einer Einöde, und die wenigen Menschen,
denen wir begegneten, glichen mit ihren groben Zügen und ihrer abgerissenen
schmuzigen Kleidung eher allem Andern, als den schmucken Arüadiern unsrer
Jugeudtmume.

Zwei Stunden von dem Khan überschreitet man in einem Engpaß die
Wasserscheide des Gebirgs. und bald nachher bemerkt man. daß die Landschaft'
sich ändert. Die Seiten der Berge bedecken sich mit Azaleen. Erdbeerbäumen.
Lentiscus und den Büschen der baumartigen Haide. Jm Thale stehen Grup¬
pen von Maulbeerbäumen. Aus den Seitcnschluchten rieseln kleine Bäche'
herab. Plötzlich öffnet sich nach Süden hin der bis dahin eingeengte Gesichts¬
kreis, und der Reisende schaut über einen Wald von Olivenbäumen hinab in
das anderthalbtausend Fuß unter ihm sich ausbreitende grüne Thal des Eu-
rotas. Der Contrast desselben mit der Erinnerung an die eben durchmcssene
dürre, kahle Wildniß macht den Eindruck um so anmuthiger. Auf der Thal¬
sohle windet sich in der Sonne schimmernd, mit blumenreichen Oleandern
geschmückt, der schöne Fluß hin. An seinen Ufern stehen, von dunkeln Maul¬
beerpflanzungen, lichtgrünen Weingärten und gelben Getreidefeldern umgeben,
zahlreiche Dörfer mit rothen Dächern. Andere Dörfer liegen malerisch am
AbHange der niedrigen Hügelketten, die sich mit gerundeten Kuppen rechts und
links vom Flusse hinziehen, und über dem freundlichen Bilde in der Tiefe
thürmt sich im Osten der Gebirgszug des Parnon, während im Westen..am
Fuße und in den zahlreichen Schluchten rauchblau, in halber Höhe grau und
mit einzelnen schwarzen Tannen bewachsen, weiter oben einfach grau und zu¬
letzt mit Schnee bedeckt, der majestätische Taygetus emporragt. Das tiefe
üppiggrüne Thal, der siebentausend Fuß hohe, schroffe Bergwall mit seinem
Fnrbenspiel. seinen glänzenden Schneerillen, seinen sieben spitzen Gipfeln, die sich
scharf von dem Himmel abheben, seinem schwarzen Wald und den rothen Dörfern
an seinen Seiten, ist wol das großartigste Bild unter den Binnenlandschaften '
des Peloponnes, und dieses Bild so une'rwartet vor dem Auge ausgerollt und


Rauche des neben uns auflodernden Herdfeuers gepeinigt, des Nachts von
Flöhen überfallen und des Morgens mit den Nußflocken bestreut, die wie zer¬
fetzte Fahnen vom Sparrwerke des Daches herabhingen, das Wort, es künf¬
tig, wenn irgend möglich, beim Zelte bewenden zu lassen.

Am nächsten Tage zogen wir in südlicher Richtung weiter durch das Thal,
das sich hier bald zu Schluchten verengt, bald zu kleinen Kesseln erweitert.
Die Berge sind in dieser Gegend nicht hoch, aber sehr rauh. An ihren Seiten
trifft man hin und wieder Gerstenfelder, in der Tiefe stehen einzelne dickstäm-
mige Platanen mit dürftigen Wipfeln, einzelne Steineichen und wilde Bum-
bäuine. Hin und wieder hört man das Geklingel der Glocken von Schas-
und Ziegenherden und den melancholischen Gesang eines Hirten. Im Ganzen
macht die Gegend den Eindruck einer Einöde, und die wenigen Menschen,
denen wir begegneten, glichen mit ihren groben Zügen und ihrer abgerissenen
schmuzigen Kleidung eher allem Andern, als den schmucken Arüadiern unsrer
Jugeudtmume.

Zwei Stunden von dem Khan überschreitet man in einem Engpaß die
Wasserscheide des Gebirgs. und bald nachher bemerkt man. daß die Landschaft'
sich ändert. Die Seiten der Berge bedecken sich mit Azaleen. Erdbeerbäumen.
Lentiscus und den Büschen der baumartigen Haide. Jm Thale stehen Grup¬
pen von Maulbeerbäumen. Aus den Seitcnschluchten rieseln kleine Bäche'
herab. Plötzlich öffnet sich nach Süden hin der bis dahin eingeengte Gesichts¬
kreis, und der Reisende schaut über einen Wald von Olivenbäumen hinab in
das anderthalbtausend Fuß unter ihm sich ausbreitende grüne Thal des Eu-
rotas. Der Contrast desselben mit der Erinnerung an die eben durchmcssene
dürre, kahle Wildniß macht den Eindruck um so anmuthiger. Auf der Thal¬
sohle windet sich in der Sonne schimmernd, mit blumenreichen Oleandern
geschmückt, der schöne Fluß hin. An seinen Ufern stehen, von dunkeln Maul¬
beerpflanzungen, lichtgrünen Weingärten und gelben Getreidefeldern umgeben,
zahlreiche Dörfer mit rothen Dächern. Andere Dörfer liegen malerisch am
AbHange der niedrigen Hügelketten, die sich mit gerundeten Kuppen rechts und
links vom Flusse hinziehen, und über dem freundlichen Bilde in der Tiefe
thürmt sich im Osten der Gebirgszug des Parnon, während im Westen..am
Fuße und in den zahlreichen Schluchten rauchblau, in halber Höhe grau und
mit einzelnen schwarzen Tannen bewachsen, weiter oben einfach grau und zu¬
letzt mit Schnee bedeckt, der majestätische Taygetus emporragt. Das tiefe
üppiggrüne Thal, der siebentausend Fuß hohe, schroffe Bergwall mit seinem
Fnrbenspiel. seinen glänzenden Schneerillen, seinen sieben spitzen Gipfeln, die sich
scharf von dem Himmel abheben, seinem schwarzen Wald und den rothen Dörfern
an seinen Seiten, ist wol das großartigste Bild unter den Binnenlandschaften '
des Peloponnes, und dieses Bild so une'rwartet vor dem Auge ausgerollt und


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[0511] Rauche des neben uns auflodernden Herdfeuers gepeinigt, des Nachts von Flöhen überfallen und des Morgens mit den Nußflocken bestreut, die wie zer¬ fetzte Fahnen vom Sparrwerke des Daches herabhingen, das Wort, es künf¬ tig, wenn irgend möglich, beim Zelte bewenden zu lassen. Am nächsten Tage zogen wir in südlicher Richtung weiter durch das Thal, das sich hier bald zu Schluchten verengt, bald zu kleinen Kesseln erweitert. Die Berge sind in dieser Gegend nicht hoch, aber sehr rauh. An ihren Seiten trifft man hin und wieder Gerstenfelder, in der Tiefe stehen einzelne dickstäm- mige Platanen mit dürftigen Wipfeln, einzelne Steineichen und wilde Bum- bäuine. Hin und wieder hört man das Geklingel der Glocken von Schas- und Ziegenherden und den melancholischen Gesang eines Hirten. Im Ganzen macht die Gegend den Eindruck einer Einöde, und die wenigen Menschen, denen wir begegneten, glichen mit ihren groben Zügen und ihrer abgerissenen schmuzigen Kleidung eher allem Andern, als den schmucken Arüadiern unsrer Jugeudtmume. Zwei Stunden von dem Khan überschreitet man in einem Engpaß die Wasserscheide des Gebirgs. und bald nachher bemerkt man. daß die Landschaft' sich ändert. Die Seiten der Berge bedecken sich mit Azaleen. Erdbeerbäumen. Lentiscus und den Büschen der baumartigen Haide. Jm Thale stehen Grup¬ pen von Maulbeerbäumen. Aus den Seitcnschluchten rieseln kleine Bäche' herab. Plötzlich öffnet sich nach Süden hin der bis dahin eingeengte Gesichts¬ kreis, und der Reisende schaut über einen Wald von Olivenbäumen hinab in das anderthalbtausend Fuß unter ihm sich ausbreitende grüne Thal des Eu- rotas. Der Contrast desselben mit der Erinnerung an die eben durchmcssene dürre, kahle Wildniß macht den Eindruck um so anmuthiger. Auf der Thal¬ sohle windet sich in der Sonne schimmernd, mit blumenreichen Oleandern geschmückt, der schöne Fluß hin. An seinen Ufern stehen, von dunkeln Maul¬ beerpflanzungen, lichtgrünen Weingärten und gelben Getreidefeldern umgeben, zahlreiche Dörfer mit rothen Dächern. Andere Dörfer liegen malerisch am AbHange der niedrigen Hügelketten, die sich mit gerundeten Kuppen rechts und links vom Flusse hinziehen, und über dem freundlichen Bilde in der Tiefe thürmt sich im Osten der Gebirgszug des Parnon, während im Westen..am Fuße und in den zahlreichen Schluchten rauchblau, in halber Höhe grau und mit einzelnen schwarzen Tannen bewachsen, weiter oben einfach grau und zu¬ letzt mit Schnee bedeckt, der majestätische Taygetus emporragt. Das tiefe üppiggrüne Thal, der siebentausend Fuß hohe, schroffe Bergwall mit seinem Fnrbenspiel. seinen glänzenden Schneerillen, seinen sieben spitzen Gipfeln, die sich scharf von dem Himmel abheben, seinem schwarzen Wald und den rothen Dörfern an seinen Seiten, ist wol das großartigste Bild unter den Binnenlandschaften ' des Peloponnes, und dieses Bild so une'rwartet vor dem Auge ausgerollt und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/511>, abgerufen am 22.07.2024.