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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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allgemeinen Landtage in d er b esond ern V e r sa in mlung desAdels,
am 3. Decbr. 1795. Folgen die Unterschriften. --

Es würde zu.weit führen, dieses merkwürdige Document einer ausführ¬
licheren Kritik zu unterwerfen; dennoch muß hervorgehoben werden, wie man
noch im Eingange desselben bemühet gewesen ist. den Schein zu bewahren,
als handle es sich darinnen um Rechte der Gesammtritterschaft Mecklen¬
burgs und erst am Schluß die Escamotage zum Vorschein kommt, wo es
heißt: Geschehen zu Sternberg auf dem allgemeinen Landtage in der be¬
sonderen Versammlung des Adels! Schon das auf beweist eine un¬
gesetzliche Handlung, denn dort dürfen nur Landesinteressen vertreten und
berathen werden; Adelsinteressen, wenn sie überhaupt zu vertreten erlaubt
sind, konnten nur während des Landtages verhandelt werden, da auf den-
selben nur allgemeine Landesangelegenheiten, wozu die Interim der Stände
auch gehören, zur Verhandlung kommen dürfen. Adclsinteressen unter dem
Deckmantel von Landesinteressen verfolgen, heißt den Landcsvcrtreter ver¬
suchen, sein Privatinteresse mit dein Wohle des Landes in Kollision bringen
und ihn seiner Treue gegen den Fürsten und seiner Pflicht gegen sein Vaterland
abtrünnig machen.

Freie Männer zu verpflichten, solche Privatinteressen, deren Rechtsbestand
jedenfalls auch heute noch zweifelhaft, mit "Person und Gut", wie es in der
Vereinsacte heißt, zu stützen, ist entwürdigend, und die Bestimmung, "daß der
Dissentirende sich jeder Ausflucht oder Einwendung enthalten und ihn keine
Rechtswohlthat schützen soll" ist eine Tyrannei sonder Gleichen! Wie viel
mehr, wenn man auf solche Weise einen freien Edelmann in solche Bande
schlägt, ja so weit geht, daß man sogar seine Nachkommen und Erben zu
einem so unwürdigen Treiben verpflichtet wissen will; und zwar dies alles
bei "adeligen Wort und Ehren!" Es hat wol noch niemals eine
Sklaverei gegeben wie diese! Da aber'bis heute noch kein Mitglied des
mecklenburgischen Adels, der doch manchen wirtlich edlen und hochherzigen
Mann unter sich zählt, gewagt, solche unerträgliche Fesseln zu brechen, so
darf man wol der Vermuthung Raum geben, daß. wenn auch nicht öffentlich
bekannt, doch im Geheimen empfindliche Strafen für jeden Abtrünnigen
existiren.

Durch eine solche Rekrutirung ist die Zahl der Streiter im sogenannten
konservativen Lager in Mecklenburg außerordentlich vermehrt, und kann man
aus der vorstehenden einfachen Darstellung des Sachverhältnisses den wahren
Grund des von einem großen Theil des deutschen Adels so sehr gepriesenen
mecklenburgischen Konservatismus deutlich erkennen. So war denn in Mecklen¬
burg der, wie wir wiederholen, noch heute gesetzlich zweifelhafte Besitz des ur¬
sprünglichen Landescigenthums. der drei Landeskloster, gut verpalüsadirt.


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allgemeinen Landtage in d er b esond ern V e r sa in mlung desAdels,
am 3. Decbr. 1795. Folgen die Unterschriften. —

Es würde zu.weit führen, dieses merkwürdige Document einer ausführ¬
licheren Kritik zu unterwerfen; dennoch muß hervorgehoben werden, wie man
noch im Eingange desselben bemühet gewesen ist. den Schein zu bewahren,
als handle es sich darinnen um Rechte der Gesammtritterschaft Mecklen¬
burgs und erst am Schluß die Escamotage zum Vorschein kommt, wo es
heißt: Geschehen zu Sternberg auf dem allgemeinen Landtage in der be¬
sonderen Versammlung des Adels! Schon das auf beweist eine un¬
gesetzliche Handlung, denn dort dürfen nur Landesinteressen vertreten und
berathen werden; Adelsinteressen, wenn sie überhaupt zu vertreten erlaubt
sind, konnten nur während des Landtages verhandelt werden, da auf den-
selben nur allgemeine Landesangelegenheiten, wozu die Interim der Stände
auch gehören, zur Verhandlung kommen dürfen. Adclsinteressen unter dem
Deckmantel von Landesinteressen verfolgen, heißt den Landcsvcrtreter ver¬
suchen, sein Privatinteresse mit dein Wohle des Landes in Kollision bringen
und ihn seiner Treue gegen den Fürsten und seiner Pflicht gegen sein Vaterland
abtrünnig machen.

Freie Männer zu verpflichten, solche Privatinteressen, deren Rechtsbestand
jedenfalls auch heute noch zweifelhaft, mit „Person und Gut", wie es in der
Vereinsacte heißt, zu stützen, ist entwürdigend, und die Bestimmung, „daß der
Dissentirende sich jeder Ausflucht oder Einwendung enthalten und ihn keine
Rechtswohlthat schützen soll" ist eine Tyrannei sonder Gleichen! Wie viel
mehr, wenn man auf solche Weise einen freien Edelmann in solche Bande
schlägt, ja so weit geht, daß man sogar seine Nachkommen und Erben zu
einem so unwürdigen Treiben verpflichtet wissen will; und zwar dies alles
bei „adeligen Wort und Ehren!" Es hat wol noch niemals eine
Sklaverei gegeben wie diese! Da aber'bis heute noch kein Mitglied des
mecklenburgischen Adels, der doch manchen wirtlich edlen und hochherzigen
Mann unter sich zählt, gewagt, solche unerträgliche Fesseln zu brechen, so
darf man wol der Vermuthung Raum geben, daß. wenn auch nicht öffentlich
bekannt, doch im Geheimen empfindliche Strafen für jeden Abtrünnigen
existiren.

Durch eine solche Rekrutirung ist die Zahl der Streiter im sogenannten
konservativen Lager in Mecklenburg außerordentlich vermehrt, und kann man
aus der vorstehenden einfachen Darstellung des Sachverhältnisses den wahren
Grund des von einem großen Theil des deutschen Adels so sehr gepriesenen
mecklenburgischen Konservatismus deutlich erkennen. So war denn in Mecklen¬
burg der, wie wir wiederholen, noch heute gesetzlich zweifelhafte Besitz des ur¬
sprünglichen Landescigenthums. der drei Landeskloster, gut verpalüsadirt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/507>, abgerufen am 22.07.2024.