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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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Das Bollwerk wurde aber noch verstärkt, als endlich einmal das Landes¬
regiment Ende vorigen Jahrhunderts Notiz von der Ausübung der vermeint¬
lichen Vonechte des "eingebornen Adels" nahm, und die mehrjährigen Ver¬
handlungen damit endeten, daß im Jahre 1799 selbst die damals neu in-
stallirten Minister von Brandenstein und von Normann sich von dieser Ge¬
sellschaft rccipiren ließen und somit jegliche Erörterung über die Sache zwischen
diesen beiden Factoren der Regierung und dem Adel ani g-ela, gelegt
wurde.

Inzwischen hat die Zahl der Mitglieder der Ritterschaft bürgerlichen
Standes so zugenommen, daß die bürgerlichen Ritter schon seit Jahren be¬
deutend mehr Stimmen ins Feld stellen, als die Adeligen, und da die ersteren
auch nach und nach immer mehr den Landtag besuchten, so mußte es ihnen
bald noch klarer werden, daß ihnen viele ihrer landständischen Rechte vom
Adel vorenthalten würden, und namentlich die gegenwärtige Nutznießung der
Klöster eine durchaus ungesetzliche sei. Seit dem Jahre 1838 hat denn auch
aus den mecklenburgischen Landtagen mehr oder minder ein Kampf in der
Ritterschaft obgewaltet, aber das Einzige, was die bürgerlichen Ritter bis
dato errungen haben, ist die passive Wählbarkeit eines ritterschaftlichen De->
putirten in den engern Ausschuß. Dagegen sind alle ihre Bemühungen, das Landes¬
eigenthum, die Klöster, wenn auch nur theilweise wieder ihrer ursprünglichen Bestim¬
mung "der Auferziehung christlicher Jungstauen", entgegenzuführen. bisher fruchtlos
geblieben. Obgleich auf Landtagen alle Beschlüsse in Klostcrsachen im Namen der
ganzen Ritter und Landschaftgefaßt werden, wird denRittern bürgerlichenStandes
jede Mitwirkung an diesen Beschlüssen abgesprochen; bei Abstimmungen wer¬
den ihre Stimmzettel von den adeligen Landmarschällen zurückgewiesen, die
aus den Mitteln der bürgerlichen Ritter mitsalarirten Landesbeamten, die
Syndici, Secrctäre u. s. s. werden zu den Geschäften dieser Gesell¬
schaft adhibirt und es werden mehre Tage hindurch Sitzungen in Klostcr¬
sachen gehalten, während die bürgerlichen Landesvertreter, von den Verhand¬
lungen willkürlich vom Adel ausgeschlossen, Zeit und Geld opfern müssen.
Die Beschwerden hierüber an die Landesherren sind bisher fast gänzlich un¬
beachtet geblieben, wenn man nicht die zwei gleichlautenden Schwerin- und
Strelitzschcn Rcscripte vom Jahre 1841 berücksichtigen will, wovon der Schluß
also lautet:

"So wie Wir daher diesen Besitzstand aufrecht erhalten und schützen wer¬
den, so soll dagegen diese Unsere Entschließung über diese Angelegenheit in
keiner Weise präjudicirlich sein." Wenn nun gleich diese unpräjudicirlichen
Rescripte schon häusig vom Adel hervorgehoben sind als eine Bestätigung
'seiner Ansprüche, so muß es mit der inneren Ueberzeugung von dein vor¬
geblichen Rechte dennoch nicht seine Richtigkeit haben, denn sonst würde man.


Das Bollwerk wurde aber noch verstärkt, als endlich einmal das Landes¬
regiment Ende vorigen Jahrhunderts Notiz von der Ausübung der vermeint¬
lichen Vonechte des „eingebornen Adels" nahm, und die mehrjährigen Ver¬
handlungen damit endeten, daß im Jahre 1799 selbst die damals neu in-
stallirten Minister von Brandenstein und von Normann sich von dieser Ge¬
sellschaft rccipiren ließen und somit jegliche Erörterung über die Sache zwischen
diesen beiden Factoren der Regierung und dem Adel ani g-ela, gelegt
wurde.

Inzwischen hat die Zahl der Mitglieder der Ritterschaft bürgerlichen
Standes so zugenommen, daß die bürgerlichen Ritter schon seit Jahren be¬
deutend mehr Stimmen ins Feld stellen, als die Adeligen, und da die ersteren
auch nach und nach immer mehr den Landtag besuchten, so mußte es ihnen
bald noch klarer werden, daß ihnen viele ihrer landständischen Rechte vom
Adel vorenthalten würden, und namentlich die gegenwärtige Nutznießung der
Klöster eine durchaus ungesetzliche sei. Seit dem Jahre 1838 hat denn auch
aus den mecklenburgischen Landtagen mehr oder minder ein Kampf in der
Ritterschaft obgewaltet, aber das Einzige, was die bürgerlichen Ritter bis
dato errungen haben, ist die passive Wählbarkeit eines ritterschaftlichen De->
putirten in den engern Ausschuß. Dagegen sind alle ihre Bemühungen, das Landes¬
eigenthum, die Klöster, wenn auch nur theilweise wieder ihrer ursprünglichen Bestim¬
mung „der Auferziehung christlicher Jungstauen", entgegenzuführen. bisher fruchtlos
geblieben. Obgleich auf Landtagen alle Beschlüsse in Klostcrsachen im Namen der
ganzen Ritter und Landschaftgefaßt werden, wird denRittern bürgerlichenStandes
jede Mitwirkung an diesen Beschlüssen abgesprochen; bei Abstimmungen wer¬
den ihre Stimmzettel von den adeligen Landmarschällen zurückgewiesen, die
aus den Mitteln der bürgerlichen Ritter mitsalarirten Landesbeamten, die
Syndici, Secrctäre u. s. s. werden zu den Geschäften dieser Gesell¬
schaft adhibirt und es werden mehre Tage hindurch Sitzungen in Klostcr¬
sachen gehalten, während die bürgerlichen Landesvertreter, von den Verhand¬
lungen willkürlich vom Adel ausgeschlossen, Zeit und Geld opfern müssen.
Die Beschwerden hierüber an die Landesherren sind bisher fast gänzlich un¬
beachtet geblieben, wenn man nicht die zwei gleichlautenden Schwerin- und
Strelitzschcn Rcscripte vom Jahre 1841 berücksichtigen will, wovon der Schluß
also lautet:

„So wie Wir daher diesen Besitzstand aufrecht erhalten und schützen wer¬
den, so soll dagegen diese Unsere Entschließung über diese Angelegenheit in
keiner Weise präjudicirlich sein." Wenn nun gleich diese unpräjudicirlichen
Rescripte schon häusig vom Adel hervorgehoben sind als eine Bestätigung
'seiner Ansprüche, so muß es mit der inneren Ueberzeugung von dein vor¬
geblichen Rechte dennoch nicht seine Richtigkeit haben, denn sonst würde man.


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[0508] Das Bollwerk wurde aber noch verstärkt, als endlich einmal das Landes¬ regiment Ende vorigen Jahrhunderts Notiz von der Ausübung der vermeint¬ lichen Vonechte des „eingebornen Adels" nahm, und die mehrjährigen Ver¬ handlungen damit endeten, daß im Jahre 1799 selbst die damals neu in- stallirten Minister von Brandenstein und von Normann sich von dieser Ge¬ sellschaft rccipiren ließen und somit jegliche Erörterung über die Sache zwischen diesen beiden Factoren der Regierung und dem Adel ani g-ela, gelegt wurde. Inzwischen hat die Zahl der Mitglieder der Ritterschaft bürgerlichen Standes so zugenommen, daß die bürgerlichen Ritter schon seit Jahren be¬ deutend mehr Stimmen ins Feld stellen, als die Adeligen, und da die ersteren auch nach und nach immer mehr den Landtag besuchten, so mußte es ihnen bald noch klarer werden, daß ihnen viele ihrer landständischen Rechte vom Adel vorenthalten würden, und namentlich die gegenwärtige Nutznießung der Klöster eine durchaus ungesetzliche sei. Seit dem Jahre 1838 hat denn auch aus den mecklenburgischen Landtagen mehr oder minder ein Kampf in der Ritterschaft obgewaltet, aber das Einzige, was die bürgerlichen Ritter bis dato errungen haben, ist die passive Wählbarkeit eines ritterschaftlichen De-> putirten in den engern Ausschuß. Dagegen sind alle ihre Bemühungen, das Landes¬ eigenthum, die Klöster, wenn auch nur theilweise wieder ihrer ursprünglichen Bestim¬ mung „der Auferziehung christlicher Jungstauen", entgegenzuführen. bisher fruchtlos geblieben. Obgleich auf Landtagen alle Beschlüsse in Klostcrsachen im Namen der ganzen Ritter und Landschaftgefaßt werden, wird denRittern bürgerlichenStandes jede Mitwirkung an diesen Beschlüssen abgesprochen; bei Abstimmungen wer¬ den ihre Stimmzettel von den adeligen Landmarschällen zurückgewiesen, die aus den Mitteln der bürgerlichen Ritter mitsalarirten Landesbeamten, die Syndici, Secrctäre u. s. s. werden zu den Geschäften dieser Gesell¬ schaft adhibirt und es werden mehre Tage hindurch Sitzungen in Klostcr¬ sachen gehalten, während die bürgerlichen Landesvertreter, von den Verhand¬ lungen willkürlich vom Adel ausgeschlossen, Zeit und Geld opfern müssen. Die Beschwerden hierüber an die Landesherren sind bisher fast gänzlich un¬ beachtet geblieben, wenn man nicht die zwei gleichlautenden Schwerin- und Strelitzschcn Rcscripte vom Jahre 1841 berücksichtigen will, wovon der Schluß also lautet: „So wie Wir daher diesen Besitzstand aufrecht erhalten und schützen wer¬ den, so soll dagegen diese Unsere Entschließung über diese Angelegenheit in keiner Weise präjudicirlich sein." Wenn nun gleich diese unpräjudicirlichen Rescripte schon häusig vom Adel hervorgehoben sind als eine Bestätigung 'seiner Ansprüche, so muß es mit der inneren Ueberzeugung von dein vor¬ geblichen Rechte dennoch nicht seine Richtigkeit haben, denn sonst würde man.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/508>, abgerufen am 22.07.2024.