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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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ursprünglichen Landeseigenthum zu zehren, nur unter den sogenannten "ein¬
gebornen" und von diesen wiederum gnädigst recipirten "adeligen
Familien" und den Bürgermeistern beliebt ist.

Aber alle diese klugen Errichtungen und wohlüberlegten Vorsichtsma߬
regeln konnten es dennoch nicht verhindern, daß der beabsichtigte ruhige Be¬
sitz bisweilen gestört ward. Bon der Zeit des Abschlusses des L. G. G. Erb-
verglciches 1755 bis in die achtziger Jahre wurden von einzelnen nicht'Reci¬
pirten von Adel der Ritterschaft Ansprüche auf Klosterstellcn für ihre Töchter
erhoben (so von den v. Wendessen, v. Berg, v. Wendhausen u. s, f. und
zuletzt von dem Baron v. Langermann-Erlenkamp auf Spitzluhn). die alle da¬
mit endeten, daß die Mitglieder des eingebornen und recipirten Adels in der
Ritterschaft es vorzogen, diese Aspiranten günstig zu bescheiden und ihre Töch¬
ter somit als zum Genuß der Klostcrstellen qualificirt zu erachten, als sich der
Chance genauer Untersuchung des Rechtstitels, über die Besitzergreifung der
Klöster auszusetzen. Inzwischen hatte die Zahl der Mitglieder der Ritter¬
schaft bürgerlichen Standes nach und nach immer mehr, zugenommen und
wurden von diesen auch die Landtage mehr besucht. Natürlich fanden die¬
selben bald heraus, daß die Anmaßungen und Aneignungen sämmtlicher Landes¬
chargen, so wie der Klöster von Seiten des sogenannten "eingebornen und
recipirten Adels in der Ritterschaft" jeder vernünftigen Rechtsbasis entbehrten
und mußte diese Erkenntniß zu großen Differenzen führen. Auf dein Land¬
tage im Jahre 1789 legten mehre bürgerliche Ritter gegen diese Anmaßungen
endlich förmlich"Protest ein, wozu die neue Ueberschätzung dieser Partei, in¬
dem sie es wagte, sich in einem Bortrage an die damals regierenden Groß-
herzoge vom 17. November 1789 sogar "die Eingesessenen von der ein¬
geborenen und recipirten Ril terschaft" zu nennen, noch besonders Ver¬
anlassung gegeben haben mag. Der Gedanke an die große Nevifionscommission,
zu der sich das Volk grade zu der Zeit in Frankreich constituirt hatte, mußte
natürlich auch hier die Gemüther sehr anregen, und das Auftreten der bürger-
lichen Ritter ließ wenigstens die Vermuthung zu, daß dieselben geneigt waren,
Untersuchungen anzustellen, ob die vom sogenannten eingebornen und recipir¬
ten Adel in der Ritterschaft für sich in Anspruch genommenen ursprünglichen
landständischen Rechte, so wie die nicht reversalinäßig verwandten Einkünfte
der Klöster auf einen wirklichen Rechtsgrund basirt wären. In dieser Noth
mußte man nach Mitteln suchen, einem solchen Andrange zu steuern, und man
muß gestehen, daß der Scharfsinn, keine bessere Barrikade erfinden" konnte als
diejenige, welche der Adel in der mecklenburgischen Ritterschaft am 3. Decbr.
1795 vollendete. Diese Verschanzung besteht in einer Vereinigungsacte des
ganzen mecklenburgischen Adels zu dem Zwecke, die Gerechtsame des
Adelstandes aufrecht zu erhalten und vorzüglich den ausschließlichen Besitz "land-


ursprünglichen Landeseigenthum zu zehren, nur unter den sogenannten „ein¬
gebornen" und von diesen wiederum gnädigst recipirten „adeligen
Familien" und den Bürgermeistern beliebt ist.

Aber alle diese klugen Errichtungen und wohlüberlegten Vorsichtsma߬
regeln konnten es dennoch nicht verhindern, daß der beabsichtigte ruhige Be¬
sitz bisweilen gestört ward. Bon der Zeit des Abschlusses des L. G. G. Erb-
verglciches 1755 bis in die achtziger Jahre wurden von einzelnen nicht'Reci¬
pirten von Adel der Ritterschaft Ansprüche auf Klosterstellcn für ihre Töchter
erhoben (so von den v. Wendessen, v. Berg, v. Wendhausen u. s, f. und
zuletzt von dem Baron v. Langermann-Erlenkamp auf Spitzluhn). die alle da¬
mit endeten, daß die Mitglieder des eingebornen und recipirten Adels in der
Ritterschaft es vorzogen, diese Aspiranten günstig zu bescheiden und ihre Töch¬
ter somit als zum Genuß der Klostcrstellen qualificirt zu erachten, als sich der
Chance genauer Untersuchung des Rechtstitels, über die Besitzergreifung der
Klöster auszusetzen. Inzwischen hatte die Zahl der Mitglieder der Ritter¬
schaft bürgerlichen Standes nach und nach immer mehr, zugenommen und
wurden von diesen auch die Landtage mehr besucht. Natürlich fanden die¬
selben bald heraus, daß die Anmaßungen und Aneignungen sämmtlicher Landes¬
chargen, so wie der Klöster von Seiten des sogenannten „eingebornen und
recipirten Adels in der Ritterschaft" jeder vernünftigen Rechtsbasis entbehrten
und mußte diese Erkenntniß zu großen Differenzen führen. Auf dein Land¬
tage im Jahre 1789 legten mehre bürgerliche Ritter gegen diese Anmaßungen
endlich förmlich"Protest ein, wozu die neue Ueberschätzung dieser Partei, in¬
dem sie es wagte, sich in einem Bortrage an die damals regierenden Groß-
herzoge vom 17. November 1789 sogar „die Eingesessenen von der ein¬
geborenen und recipirten Ril terschaft" zu nennen, noch besonders Ver¬
anlassung gegeben haben mag. Der Gedanke an die große Nevifionscommission,
zu der sich das Volk grade zu der Zeit in Frankreich constituirt hatte, mußte
natürlich auch hier die Gemüther sehr anregen, und das Auftreten der bürger-
lichen Ritter ließ wenigstens die Vermuthung zu, daß dieselben geneigt waren,
Untersuchungen anzustellen, ob die vom sogenannten eingebornen und recipir¬
ten Adel in der Ritterschaft für sich in Anspruch genommenen ursprünglichen
landständischen Rechte, so wie die nicht reversalinäßig verwandten Einkünfte
der Klöster auf einen wirklichen Rechtsgrund basirt wären. In dieser Noth
mußte man nach Mitteln suchen, einem solchen Andrange zu steuern, und man
muß gestehen, daß der Scharfsinn, keine bessere Barrikade erfinden" konnte als
diejenige, welche der Adel in der mecklenburgischen Ritterschaft am 3. Decbr.
1795 vollendete. Diese Verschanzung besteht in einer Vereinigungsacte des
ganzen mecklenburgischen Adels zu dem Zwecke, die Gerechtsame des
Adelstandes aufrecht zu erhalten und vorzüglich den ausschließlichen Besitz „land-


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[0504] ursprünglichen Landeseigenthum zu zehren, nur unter den sogenannten „ein¬ gebornen" und von diesen wiederum gnädigst recipirten „adeligen Familien" und den Bürgermeistern beliebt ist. Aber alle diese klugen Errichtungen und wohlüberlegten Vorsichtsma߬ regeln konnten es dennoch nicht verhindern, daß der beabsichtigte ruhige Be¬ sitz bisweilen gestört ward. Bon der Zeit des Abschlusses des L. G. G. Erb- verglciches 1755 bis in die achtziger Jahre wurden von einzelnen nicht'Reci¬ pirten von Adel der Ritterschaft Ansprüche auf Klosterstellcn für ihre Töchter erhoben (so von den v. Wendessen, v. Berg, v. Wendhausen u. s, f. und zuletzt von dem Baron v. Langermann-Erlenkamp auf Spitzluhn). die alle da¬ mit endeten, daß die Mitglieder des eingebornen und recipirten Adels in der Ritterschaft es vorzogen, diese Aspiranten günstig zu bescheiden und ihre Töch¬ ter somit als zum Genuß der Klostcrstellen qualificirt zu erachten, als sich der Chance genauer Untersuchung des Rechtstitels, über die Besitzergreifung der Klöster auszusetzen. Inzwischen hatte die Zahl der Mitglieder der Ritter¬ schaft bürgerlichen Standes nach und nach immer mehr, zugenommen und wurden von diesen auch die Landtage mehr besucht. Natürlich fanden die¬ selben bald heraus, daß die Anmaßungen und Aneignungen sämmtlicher Landes¬ chargen, so wie der Klöster von Seiten des sogenannten „eingebornen und recipirten Adels in der Ritterschaft" jeder vernünftigen Rechtsbasis entbehrten und mußte diese Erkenntniß zu großen Differenzen führen. Auf dein Land¬ tage im Jahre 1789 legten mehre bürgerliche Ritter gegen diese Anmaßungen endlich förmlich"Protest ein, wozu die neue Ueberschätzung dieser Partei, in¬ dem sie es wagte, sich in einem Bortrage an die damals regierenden Groß- herzoge vom 17. November 1789 sogar „die Eingesessenen von der ein¬ geborenen und recipirten Ril terschaft" zu nennen, noch besonders Ver¬ anlassung gegeben haben mag. Der Gedanke an die große Nevifionscommission, zu der sich das Volk grade zu der Zeit in Frankreich constituirt hatte, mußte natürlich auch hier die Gemüther sehr anregen, und das Auftreten der bürger- lichen Ritter ließ wenigstens die Vermuthung zu, daß dieselben geneigt waren, Untersuchungen anzustellen, ob die vom sogenannten eingebornen und recipir¬ ten Adel in der Ritterschaft für sich in Anspruch genommenen ursprünglichen landständischen Rechte, so wie die nicht reversalinäßig verwandten Einkünfte der Klöster auf einen wirklichen Rechtsgrund basirt wären. In dieser Noth mußte man nach Mitteln suchen, einem solchen Andrange zu steuern, und man muß gestehen, daß der Scharfsinn, keine bessere Barrikade erfinden" konnte als diejenige, welche der Adel in der mecklenburgischen Ritterschaft am 3. Decbr. 1795 vollendete. Diese Verschanzung besteht in einer Vereinigungsacte des ganzen mecklenburgischen Adels zu dem Zwecke, die Gerechtsame des Adelstandes aufrecht zu erhalten und vorzüglich den ausschließlichen Besitz „land-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/504>, abgerufen am 22.07.2024.