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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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Landschaft wurden Stellen eingeräumt, nicht für die "Jungfrauen des Landes,
die Lust hätten, sich darein zu begeben;" auch nicht für die Töchter der Bür¬
ger der Städte, sondern für die Töchter der Bürgermeister.

Die Acten über diesen Vorgang, welche jedenfalls sowol die Motive der Be-
anspruchung als die Motive der Gewährung enthalten müssen, wenn sie an¬
ders nicht verloren gegangen sind, müßten sehr merkwürdige Aufschlüsse über
die Ansichten des damaligen Adels von der Berechtigung zum Besitz des
Klostcrgutes liefern.

Dieser Vergleich zwischen den Mitgliedern der Ritterschaft vom sogenann¬
ten "eingebornen und recipirten Adel" und den Bürgermeistern ist hauptsäch¬
lich in dreifacher Hinsicht höchst merkwürdig, erstens dadurch, das; die Land¬
schaft (die Bürgermeister), welche bis dahin die mißbräuchliche Nutznießung der
Klöster von Seiten der Ritter ruhig mit angesehen, endlich ihres Rechtes ein¬
gedenk wird, über die Verwendung mit zu bestimmen. Zweitens, wie der
Adel von der bis dahin geübten Consequenz, den Nutzen nur für seine Fami¬
lien zu beanspruchen, abweicht, es versteht, die Landschaft von ihrer Pflicht,
das Landescigenthum, die Klöster, zu wahren, abwendig zu machen und die¬
selbe zu vermögen, solche als Domäne des eingebornen Adels und der Bür¬
germeister zu betrachten. Drittens, wegen der ganz absonderlichen Theilung
unter zwei gleichberechtigte Korporationen der Ritterschaft und der
Landschaft, indem sich die letztere mit der Unbedeutendheit von etwa 1 z>.
des Werthes hat abfinden lassen und. der Löwenantheil dem Adel verblieben
ist. Jedenfalls erscheint ein solcher Vergleich der Art, daß er der Vermuthung
Raum gibt, als seien die dabei vorgekommenen Verhandlungen nicht dazu
angethan, "das Licht nicht zu scheuen".

Bei dieser gänzlichen Umwandlung des Landeseigenthums in Privat¬
eigentum einzelner Familien, wie sie co taeto diesen Tag noch besteht, ist
das Aushängeschild auch bis heute nicht verändert. Wie die Klöster durch
die Neversalen von 1572 der Ritter- und Landschaft überwiesen sind, so ist
dasselbe Verhältniß auch in dem landesgrundgesetzlichen Erbvergleich von 1755
als fortbestehend angenommen. Die Verhandlungen über die Klöster werden
auch nach wie vor auf den Landtagen gepflogen, die Beschlüsse im Namen
von Ritter- und Landschaft gesaßt, die Klosterbeamten dort gewühlt, alle hier¬
bei vorkommenden Geschäfte von den aus gemeinsam ständischen Mitteln be¬
soldeten Beamten, als Syndici, Landcssecretäre, Bibliothekare u. s. f. besorgt
und so der Schein bewahrt, als wenn alles noch erhalten wäre, wie es die
Ueberweisungsacte vorschreibt.

Im Landesvergleich von 1755 geschieht der obigen Übereinkunft nur Er¬
wähnung als eines Vertrages, welcher zwischen Ritter- und Landschaft abge¬
schlossen ist, obgleich diese sreundschnftliche Vereinigung, gemeinsam von dem


Landschaft wurden Stellen eingeräumt, nicht für die „Jungfrauen des Landes,
die Lust hätten, sich darein zu begeben;" auch nicht für die Töchter der Bür¬
ger der Städte, sondern für die Töchter der Bürgermeister.

Die Acten über diesen Vorgang, welche jedenfalls sowol die Motive der Be-
anspruchung als die Motive der Gewährung enthalten müssen, wenn sie an¬
ders nicht verloren gegangen sind, müßten sehr merkwürdige Aufschlüsse über
die Ansichten des damaligen Adels von der Berechtigung zum Besitz des
Klostcrgutes liefern.

Dieser Vergleich zwischen den Mitgliedern der Ritterschaft vom sogenann¬
ten „eingebornen und recipirten Adel" und den Bürgermeistern ist hauptsäch¬
lich in dreifacher Hinsicht höchst merkwürdig, erstens dadurch, das; die Land¬
schaft (die Bürgermeister), welche bis dahin die mißbräuchliche Nutznießung der
Klöster von Seiten der Ritter ruhig mit angesehen, endlich ihres Rechtes ein¬
gedenk wird, über die Verwendung mit zu bestimmen. Zweitens, wie der
Adel von der bis dahin geübten Consequenz, den Nutzen nur für seine Fami¬
lien zu beanspruchen, abweicht, es versteht, die Landschaft von ihrer Pflicht,
das Landescigenthum, die Klöster, zu wahren, abwendig zu machen und die¬
selbe zu vermögen, solche als Domäne des eingebornen Adels und der Bür¬
germeister zu betrachten. Drittens, wegen der ganz absonderlichen Theilung
unter zwei gleichberechtigte Korporationen der Ritterschaft und der
Landschaft, indem sich die letztere mit der Unbedeutendheit von etwa 1 z>.
des Werthes hat abfinden lassen und. der Löwenantheil dem Adel verblieben
ist. Jedenfalls erscheint ein solcher Vergleich der Art, daß er der Vermuthung
Raum gibt, als seien die dabei vorgekommenen Verhandlungen nicht dazu
angethan, „das Licht nicht zu scheuen".

Bei dieser gänzlichen Umwandlung des Landeseigenthums in Privat¬
eigentum einzelner Familien, wie sie co taeto diesen Tag noch besteht, ist
das Aushängeschild auch bis heute nicht verändert. Wie die Klöster durch
die Neversalen von 1572 der Ritter- und Landschaft überwiesen sind, so ist
dasselbe Verhältniß auch in dem landesgrundgesetzlichen Erbvergleich von 1755
als fortbestehend angenommen. Die Verhandlungen über die Klöster werden
auch nach wie vor auf den Landtagen gepflogen, die Beschlüsse im Namen
von Ritter- und Landschaft gesaßt, die Klosterbeamten dort gewühlt, alle hier¬
bei vorkommenden Geschäfte von den aus gemeinsam ständischen Mitteln be¬
soldeten Beamten, als Syndici, Landcssecretäre, Bibliothekare u. s. f. besorgt
und so der Schein bewahrt, als wenn alles noch erhalten wäre, wie es die
Ueberweisungsacte vorschreibt.

Im Landesvergleich von 1755 geschieht der obigen Übereinkunft nur Er¬
wähnung als eines Vertrages, welcher zwischen Ritter- und Landschaft abge¬
schlossen ist, obgleich diese sreundschnftliche Vereinigung, gemeinsam von dem


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[0503] Landschaft wurden Stellen eingeräumt, nicht für die „Jungfrauen des Landes, die Lust hätten, sich darein zu begeben;" auch nicht für die Töchter der Bür¬ ger der Städte, sondern für die Töchter der Bürgermeister. Die Acten über diesen Vorgang, welche jedenfalls sowol die Motive der Be- anspruchung als die Motive der Gewährung enthalten müssen, wenn sie an¬ ders nicht verloren gegangen sind, müßten sehr merkwürdige Aufschlüsse über die Ansichten des damaligen Adels von der Berechtigung zum Besitz des Klostcrgutes liefern. Dieser Vergleich zwischen den Mitgliedern der Ritterschaft vom sogenann¬ ten „eingebornen und recipirten Adel" und den Bürgermeistern ist hauptsäch¬ lich in dreifacher Hinsicht höchst merkwürdig, erstens dadurch, das; die Land¬ schaft (die Bürgermeister), welche bis dahin die mißbräuchliche Nutznießung der Klöster von Seiten der Ritter ruhig mit angesehen, endlich ihres Rechtes ein¬ gedenk wird, über die Verwendung mit zu bestimmen. Zweitens, wie der Adel von der bis dahin geübten Consequenz, den Nutzen nur für seine Fami¬ lien zu beanspruchen, abweicht, es versteht, die Landschaft von ihrer Pflicht, das Landescigenthum, die Klöster, zu wahren, abwendig zu machen und die¬ selbe zu vermögen, solche als Domäne des eingebornen Adels und der Bür¬ germeister zu betrachten. Drittens, wegen der ganz absonderlichen Theilung unter zwei gleichberechtigte Korporationen der Ritterschaft und der Landschaft, indem sich die letztere mit der Unbedeutendheit von etwa 1 z>. des Werthes hat abfinden lassen und. der Löwenantheil dem Adel verblieben ist. Jedenfalls erscheint ein solcher Vergleich der Art, daß er der Vermuthung Raum gibt, als seien die dabei vorgekommenen Verhandlungen nicht dazu angethan, „das Licht nicht zu scheuen". Bei dieser gänzlichen Umwandlung des Landeseigenthums in Privat¬ eigentum einzelner Familien, wie sie co taeto diesen Tag noch besteht, ist das Aushängeschild auch bis heute nicht verändert. Wie die Klöster durch die Neversalen von 1572 der Ritter- und Landschaft überwiesen sind, so ist dasselbe Verhältniß auch in dem landesgrundgesetzlichen Erbvergleich von 1755 als fortbestehend angenommen. Die Verhandlungen über die Klöster werden auch nach wie vor auf den Landtagen gepflogen, die Beschlüsse im Namen von Ritter- und Landschaft gesaßt, die Klosterbeamten dort gewühlt, alle hier¬ bei vorkommenden Geschäfte von den aus gemeinsam ständischen Mitteln be¬ soldeten Beamten, als Syndici, Landcssecretäre, Bibliothekare u. s. f. besorgt und so der Schein bewahrt, als wenn alles noch erhalten wäre, wie es die Ueberweisungsacte vorschreibt. Im Landesvergleich von 1755 geschieht der obigen Übereinkunft nur Er¬ wähnung als eines Vertrages, welcher zwischen Ritter- und Landschaft abge¬ schlossen ist, obgleich diese sreundschnftliche Vereinigung, gemeinsam von dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/503>, abgerufen am 22.07.2024.