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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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natürlich auch die Zahl der Aspiranten, und es wurde nothwendig, dem An¬
drange zu wehren. Zu diesem Zweck verlangte man ein Einkaufsgeld, welches
im Jahre 1694 auf 60 Tblr. festgestellt ward. Als die Klosterkassen'sich' mehr
füllten, ging man zu Gelddotationcn an die Conventualinnen über; man
setzte "ganze" und "halbe" Hebungen ein. und da man über die Reihensalge
der sich zur Aufnahme Meldenden in ewigen Streit gerieth, so erfand man
die noch jetzt bestehenden Exspectantenlistcn, wonach adelige Kinder weiblichen
Geschlechts gleich nach der Geburt eingetragen und als berechtigt zu einer
Klostcrvcrforgungsstelle angesehen werden. Damit begnügte sich indeß der
Adel in seiner. Unumschränktheit nicht, und am Ende des 17. Jahrhunderts
war man auf dem Irrwege schon so weit gelangt, daß man des Landes
Eigenthum, , die .Klöster, gradezu für reines Privateigenthum des Adels erklärte,
indem man die Behauptung ausstellte, "es habe in Mecklenburg von jeher
unter dem Adel der Ritterschaft Familien gegeben, denen ausschließlich von
allen übrigen Mitgliedern der Ritterschaft die Ausübung der Hauptvorrechte
der Gesammtritterschaft zustande, und so gebühre auch diesen Familien (welche
man Eingebome von Adel nannte) nur allein die Besetzung aller städtischen
Aemter, so wie die Verwaltung und der Nießbrauch der Klöster." Da aber diese
Partei mit der Zeit doch nicht stark genug erschien, die so eroberte Burg gegen
Angriffe zu schützen, so erklärten sich diese "Eingebornen" bereit, unter gewissen
Bedingungen auch andere adelige Mitglieder der Ritterschaft in ihren Bund
aufzunehmen und an den errungenen Bortheilen Antheil nehmen zu lassen.
Dieses Anerbieten wurde von vielen angenommen und ihnen nach Erlegung
zuerst von 2000 THIr.. später gegen eine geringere Summe die Neception zu
obigen Rechten ertheilt, woraus die Benennung der sogenannten "Recipienten"
von Adel in der Ritterschaft entstanden ist.

Wie wenig der Adel in frühern Zeiten selbst von der Rechtmäßigkeit eines
solchen Besitzes überzeugt war, zeigte sich recht deutlich in der ersten Hälfte
des vorigen Jahrhunderts, wo die Landschaft (die Bürgermeister der Städte)
im Jahre 1737 Neigung verspürten, bei den Einkünften der immer fetter wer¬
denden Klöster zu participiren. Trotz der damals als unumstößlich hingestell¬
ten Behauptung, daß die Borfahren der "Eingebornen von Adel in der Ritter¬
schaft" die Klöster gestiftet; die Fürsten Hans Albrecht und Ulrich die drei
Klöster Dobbertin. Malchow und Ribnitz nicht eingezogen, sondern sie jenen
Personen von Adel allein als Eigenthum überwiesen haben und daher die Regel
auch als richtig anerkannt werden müßte, wonach die Klöster t'-z-ceo und
ausschließlich als Bersorgungsanstalt sür die nichtverheiratheten Töchter jener
Familien benutzt würden, fühlten sich die "Eingebornen" und vermöge Kaufs
Recipirten durch den Andrang der Landschaft dennoch bewogen, einen starken
Riß in die bisherigen, so consequent festgehaltenen Besitztitel zu machen. Der


natürlich auch die Zahl der Aspiranten, und es wurde nothwendig, dem An¬
drange zu wehren. Zu diesem Zweck verlangte man ein Einkaufsgeld, welches
im Jahre 1694 auf 60 Tblr. festgestellt ward. Als die Klosterkassen'sich' mehr
füllten, ging man zu Gelddotationcn an die Conventualinnen über; man
setzte „ganze" und „halbe" Hebungen ein. und da man über die Reihensalge
der sich zur Aufnahme Meldenden in ewigen Streit gerieth, so erfand man
die noch jetzt bestehenden Exspectantenlistcn, wonach adelige Kinder weiblichen
Geschlechts gleich nach der Geburt eingetragen und als berechtigt zu einer
Klostcrvcrforgungsstelle angesehen werden. Damit begnügte sich indeß der
Adel in seiner. Unumschränktheit nicht, und am Ende des 17. Jahrhunderts
war man auf dem Irrwege schon so weit gelangt, daß man des Landes
Eigenthum, , die .Klöster, gradezu für reines Privateigenthum des Adels erklärte,
indem man die Behauptung ausstellte, „es habe in Mecklenburg von jeher
unter dem Adel der Ritterschaft Familien gegeben, denen ausschließlich von
allen übrigen Mitgliedern der Ritterschaft die Ausübung der Hauptvorrechte
der Gesammtritterschaft zustande, und so gebühre auch diesen Familien (welche
man Eingebome von Adel nannte) nur allein die Besetzung aller städtischen
Aemter, so wie die Verwaltung und der Nießbrauch der Klöster." Da aber diese
Partei mit der Zeit doch nicht stark genug erschien, die so eroberte Burg gegen
Angriffe zu schützen, so erklärten sich diese „Eingebornen" bereit, unter gewissen
Bedingungen auch andere adelige Mitglieder der Ritterschaft in ihren Bund
aufzunehmen und an den errungenen Bortheilen Antheil nehmen zu lassen.
Dieses Anerbieten wurde von vielen angenommen und ihnen nach Erlegung
zuerst von 2000 THIr.. später gegen eine geringere Summe die Neception zu
obigen Rechten ertheilt, woraus die Benennung der sogenannten „Recipienten"
von Adel in der Ritterschaft entstanden ist.

Wie wenig der Adel in frühern Zeiten selbst von der Rechtmäßigkeit eines
solchen Besitzes überzeugt war, zeigte sich recht deutlich in der ersten Hälfte
des vorigen Jahrhunderts, wo die Landschaft (die Bürgermeister der Städte)
im Jahre 1737 Neigung verspürten, bei den Einkünften der immer fetter wer¬
denden Klöster zu participiren. Trotz der damals als unumstößlich hingestell¬
ten Behauptung, daß die Borfahren der „Eingebornen von Adel in der Ritter¬
schaft" die Klöster gestiftet; die Fürsten Hans Albrecht und Ulrich die drei
Klöster Dobbertin. Malchow und Ribnitz nicht eingezogen, sondern sie jenen
Personen von Adel allein als Eigenthum überwiesen haben und daher die Regel
auch als richtig anerkannt werden müßte, wonach die Klöster t'-z-ceo und
ausschließlich als Bersorgungsanstalt sür die nichtverheiratheten Töchter jener
Familien benutzt würden, fühlten sich die „Eingebornen" und vermöge Kaufs
Recipirten durch den Andrang der Landschaft dennoch bewogen, einen starken
Riß in die bisherigen, so consequent festgehaltenen Besitztitel zu machen. Der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/502>, abgerufen am 22.07.2024.