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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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es, mit Erlaubniß der Herren Verehrer Neugriechenlands, nicht besonders
passen will.

Mylos ist ein Ort, der nur aus einigen Mühlen und Schenken besteht.
Dahinter liegen Gärten mit Gemüsen und hohen Bäumen, daneben streckt
sich ein schilfbewachsener Morast hin, in welchem man den lernäischen Sumpf
erkannt hat. Die große Schlange desselben ist, wie wir wissen, von Herakles
erlegt worden. Der Sumpf aber setzt mit seinem giftigen Odem ihr Mörder¬
werk fort, und keinem Fremden wäre es zu rathen, sich hier länger aufzu¬
halten. Ein Stück hinter Mylos führt die Straße an dem Quell Erasmus
vorüber, dessen Wasser noch heute seinen alten "Ruf bewahrt. Einige hundert
Schritte weiter wendet sich die Chaussee und biegt rechts in ein von hohen
Bergen umschlossenes Thal ein, in welchem man zur Rechten des Weges auf
einem Felsenhügel die Neste einer stumpfen Pyramide gewahrt, die vielleicht auf
ägyptische Kolonisten hinweist.

Von jetzt an beginnt die Straße zu steigen. In zahlreichen Windungen
führt sie in westlicher Richtung an den Bergkämmen hin, die sich hier zwischen
der Hochebene von Tripolitza hinziehen. Die Höhen sind sämmtlich kahl und
öde. Bisweilen trifft man einen kleinen dürftigen Khan, bisweilen einen
Quell, der von der Türkenzeit eine Einfassung erhalten hat. Vier Stunden
von Mylos sieht man in eine Thalmulde hinab, an deren Wänden rechts und
links von der Straße große Dörfer in Bäumen liegen, und deren Boden gut
angebaut ist. Im Norden dieses tiefen Grundes stehen auf schroffem Fels-
abHange Ruinen von gerundeten Thürmen und Mauern, in denen man die.
Reste der Burg von Hysiä finden will. Nachdem die Straße in das Thal
hinabgestiegen ist, beginnt sie bei dem hohen Parthenionberge wieder all-
mählig bergan zu führen, und indem sie dessen höchsten Gipfel, aus dem die
Trümmer der byzantinischen Stadt Muchli liegen, rechts umgeht, tritt sie auf
die große arkadische Hochebene Kinaus. Dieselbe ist gegen vier deutsche Mei¬
len lang und etwa zwei Meilen breit, und biegt, allenthalben von hohen,
rauhen, baumlosen Höhen umgeben, nach mehrern Richtungen hin zu Seiten¬
thälern ein. Äußernder am Nordende der Fläche gelegenen Stadt Tripolitza
stehen auf ihr und an ihren Bergen gegen 20 Dörfer. Sie ist wohlbebaut,
aber der Mangel an Bäumen, an dem sie leidet, nimmt ihr die Anmuth,
welche unsere Phantasie mit dem Namen Arkadien verbindet.

Es dunkelte bereits, als wir in die Ebene hineinritten, und so blieben
wir in dem ersten Khan, den wir trafen. Das Dorf, zu dem er gehört, heißt
Stenos. Es hat eine kleine alte Kirche, neben der man eben eine neue auf¬
zuführen im Begriff war. Die Schule war ganz in der Weise unserer Dorf¬
schulen eingerichtet; auf dem Katheder des Lehrers, eines freundlichen Grau¬
barts mit schneeweißer Fustanella, fanden wir ein neugriechisches Buch über


es, mit Erlaubniß der Herren Verehrer Neugriechenlands, nicht besonders
passen will.

Mylos ist ein Ort, der nur aus einigen Mühlen und Schenken besteht.
Dahinter liegen Gärten mit Gemüsen und hohen Bäumen, daneben streckt
sich ein schilfbewachsener Morast hin, in welchem man den lernäischen Sumpf
erkannt hat. Die große Schlange desselben ist, wie wir wissen, von Herakles
erlegt worden. Der Sumpf aber setzt mit seinem giftigen Odem ihr Mörder¬
werk fort, und keinem Fremden wäre es zu rathen, sich hier länger aufzu¬
halten. Ein Stück hinter Mylos führt die Straße an dem Quell Erasmus
vorüber, dessen Wasser noch heute seinen alten "Ruf bewahrt. Einige hundert
Schritte weiter wendet sich die Chaussee und biegt rechts in ein von hohen
Bergen umschlossenes Thal ein, in welchem man zur Rechten des Weges auf
einem Felsenhügel die Neste einer stumpfen Pyramide gewahrt, die vielleicht auf
ägyptische Kolonisten hinweist.

Von jetzt an beginnt die Straße zu steigen. In zahlreichen Windungen
führt sie in westlicher Richtung an den Bergkämmen hin, die sich hier zwischen
der Hochebene von Tripolitza hinziehen. Die Höhen sind sämmtlich kahl und
öde. Bisweilen trifft man einen kleinen dürftigen Khan, bisweilen einen
Quell, der von der Türkenzeit eine Einfassung erhalten hat. Vier Stunden
von Mylos sieht man in eine Thalmulde hinab, an deren Wänden rechts und
links von der Straße große Dörfer in Bäumen liegen, und deren Boden gut
angebaut ist. Im Norden dieses tiefen Grundes stehen auf schroffem Fels-
abHange Ruinen von gerundeten Thürmen und Mauern, in denen man die.
Reste der Burg von Hysiä finden will. Nachdem die Straße in das Thal
hinabgestiegen ist, beginnt sie bei dem hohen Parthenionberge wieder all-
mählig bergan zu führen, und indem sie dessen höchsten Gipfel, aus dem die
Trümmer der byzantinischen Stadt Muchli liegen, rechts umgeht, tritt sie auf
die große arkadische Hochebene Kinaus. Dieselbe ist gegen vier deutsche Mei¬
len lang und etwa zwei Meilen breit, und biegt, allenthalben von hohen,
rauhen, baumlosen Höhen umgeben, nach mehrern Richtungen hin zu Seiten¬
thälern ein. Äußernder am Nordende der Fläche gelegenen Stadt Tripolitza
stehen auf ihr und an ihren Bergen gegen 20 Dörfer. Sie ist wohlbebaut,
aber der Mangel an Bäumen, an dem sie leidet, nimmt ihr die Anmuth,
welche unsere Phantasie mit dem Namen Arkadien verbindet.

Es dunkelte bereits, als wir in die Ebene hineinritten, und so blieben
wir in dem ersten Khan, den wir trafen. Das Dorf, zu dem er gehört, heißt
Stenos. Es hat eine kleine alte Kirche, neben der man eben eine neue auf¬
zuführen im Begriff war. Die Schule war ganz in der Weise unserer Dorf¬
schulen eingerichtet; auf dem Katheder des Lehrers, eines freundlichen Grau¬
barts mit schneeweißer Fustanella, fanden wir ein neugriechisches Buch über


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[0485] es, mit Erlaubniß der Herren Verehrer Neugriechenlands, nicht besonders passen will. Mylos ist ein Ort, der nur aus einigen Mühlen und Schenken besteht. Dahinter liegen Gärten mit Gemüsen und hohen Bäumen, daneben streckt sich ein schilfbewachsener Morast hin, in welchem man den lernäischen Sumpf erkannt hat. Die große Schlange desselben ist, wie wir wissen, von Herakles erlegt worden. Der Sumpf aber setzt mit seinem giftigen Odem ihr Mörder¬ werk fort, und keinem Fremden wäre es zu rathen, sich hier länger aufzu¬ halten. Ein Stück hinter Mylos führt die Straße an dem Quell Erasmus vorüber, dessen Wasser noch heute seinen alten "Ruf bewahrt. Einige hundert Schritte weiter wendet sich die Chaussee und biegt rechts in ein von hohen Bergen umschlossenes Thal ein, in welchem man zur Rechten des Weges auf einem Felsenhügel die Neste einer stumpfen Pyramide gewahrt, die vielleicht auf ägyptische Kolonisten hinweist. Von jetzt an beginnt die Straße zu steigen. In zahlreichen Windungen führt sie in westlicher Richtung an den Bergkämmen hin, die sich hier zwischen der Hochebene von Tripolitza hinziehen. Die Höhen sind sämmtlich kahl und öde. Bisweilen trifft man einen kleinen dürftigen Khan, bisweilen einen Quell, der von der Türkenzeit eine Einfassung erhalten hat. Vier Stunden von Mylos sieht man in eine Thalmulde hinab, an deren Wänden rechts und links von der Straße große Dörfer in Bäumen liegen, und deren Boden gut angebaut ist. Im Norden dieses tiefen Grundes stehen auf schroffem Fels- abHange Ruinen von gerundeten Thürmen und Mauern, in denen man die. Reste der Burg von Hysiä finden will. Nachdem die Straße in das Thal hinabgestiegen ist, beginnt sie bei dem hohen Parthenionberge wieder all- mählig bergan zu führen, und indem sie dessen höchsten Gipfel, aus dem die Trümmer der byzantinischen Stadt Muchli liegen, rechts umgeht, tritt sie auf die große arkadische Hochebene Kinaus. Dieselbe ist gegen vier deutsche Mei¬ len lang und etwa zwei Meilen breit, und biegt, allenthalben von hohen, rauhen, baumlosen Höhen umgeben, nach mehrern Richtungen hin zu Seiten¬ thälern ein. Äußernder am Nordende der Fläche gelegenen Stadt Tripolitza stehen auf ihr und an ihren Bergen gegen 20 Dörfer. Sie ist wohlbebaut, aber der Mangel an Bäumen, an dem sie leidet, nimmt ihr die Anmuth, welche unsere Phantasie mit dem Namen Arkadien verbindet. Es dunkelte bereits, als wir in die Ebene hineinritten, und so blieben wir in dem ersten Khan, den wir trafen. Das Dorf, zu dem er gehört, heißt Stenos. Es hat eine kleine alte Kirche, neben der man eben eine neue auf¬ zuführen im Begriff war. Die Schule war ganz in der Weise unserer Dorf¬ schulen eingerichtet; auf dem Katheder des Lehrers, eines freundlichen Grau¬ barts mit schneeweißer Fustanella, fanden wir ein neugriechisches Buch über

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/485>, abgerufen am 23.07.2024.