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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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kraft, den es bildet, wenn man sich das Parthenon oder einen andern Bau
der perikleischen Zeit daneben denkt.

Im Süden der Trümmerstätte steht, von den Wipfeln schöner alter Bäume
beschattet, ein großes gelbes Haus, wo früher der Präsident Capodistrias eine
Zeit lang gewohnt hat, während nach Spiro jetzt eine Erziehungsanstalt für
Gärtner darin ist. Rechts von der Straße ziehen sich nach dem Meere hin
Sümpfe!, welche diese Gegend äußerst ungesund machen.

Von hier fährt man bis Nauplia etwa zwanzig Minuten. Die Stadt
sieht aus der Ferne sehr anmuthig aus und hat regelmäßige Hauptstraßen.
Sie ist bis auf eine kleine Landenge im Südwesten mit einem tiefen Festungs¬
graben umgeben und nur durch ein Thor zugänglich. Ueber ihr ragt auf
hohem Bergvorsprunge das sehr starke Fort Palamidi, vor ihr breitet sich der
Hafen aus, dessen Eingang durch ein kleines, auf einem Klippeneiland gelege¬
nes Kastell vertheidigt wird. Noch sieht man über den Thoren und an ver¬
schiedenen andern Stellen den Löwen von San Marco, unter dessen Aegide
die Werke um die Stadt erbaut wurden. Sonst erinnere ich mich beim Rück¬
blick auf Nauplia an nichts als an vorhanglose oder mit vergilbten Gardinen
verhangene Fenster, Neste von Transparents und Ehrenpforten, mit denen man
einige Wochen vorher das fünfundzwanzigjährige Jubelfest der Ankunft König
Ottos in Griechenland gefeiert, an das häßliche gelbe Haus, das er dann
mehre Jahre bewohnt, schmuzige Läden und Kaffeeschenken, eine Kirche mit
farbenreichen Heiligenbildern und hohen Kandelabern und ein wildes
Getümmel schnurrbärtiger pumphosiger Schiffer am Hafen. Einige von
den letzteren brachten uns mit mehrern Griechen, die ebenfalls nach Tripolitza
wollten, bei ziemlich stürmischem Wetter über die Bai nach Mylos hinüber,
eine Fahrt, bei der es mehre Seekraute gab. Unterwegs belehrte uns Spiro,
daß jenes Klippenfort auf dem Eiland vor dem Hafen zugleich die Bestimmung
habe, dem Scharfrichter von Griechenland zum Aufenthalt zu dienen. Der¬
selbe sei selbst ein todeswürdiger Verbrecher gewesen und müsse hier wohnen,
da er sonst vor der Blutrache der Verwandten der von ihm Guillotinirten
nicht sicher sei -- Angaben, die uns in Athen mit dem Hinzufügen bestätigt
wurden, der Mann müsse, wenn er irgendwo gebraucht werde, von einer
Compagnie Soldaten in den betreffenden Ort escortirt !werden, und er habe
die liebenswürdige Gewohnheit, den abgeschlagenen Köpfen, bevor sie nach
Landesgewohnheit öffentlich ausgestellt würden, die Schnurrbärte zu kräuseln,
damit sie hübsch reputirlich aussähen. Will niemand ein Gedicht machen
auf den Seelenzustand des blutigen Eremiten auf der einsamen Insel? Das
Sujet eignet sich auch gut zum Ausputz eines Romans mit psychologischen
Schlagschatten ii ig. 11-z.n ä'^Iauäs. Es wäre schön, wenn man es
damit aus der Wirklichkeit des modernen Hellas entfernen könnte, in die


kraft, den es bildet, wenn man sich das Parthenon oder einen andern Bau
der perikleischen Zeit daneben denkt.

Im Süden der Trümmerstätte steht, von den Wipfeln schöner alter Bäume
beschattet, ein großes gelbes Haus, wo früher der Präsident Capodistrias eine
Zeit lang gewohnt hat, während nach Spiro jetzt eine Erziehungsanstalt für
Gärtner darin ist. Rechts von der Straße ziehen sich nach dem Meere hin
Sümpfe!, welche diese Gegend äußerst ungesund machen.

Von hier fährt man bis Nauplia etwa zwanzig Minuten. Die Stadt
sieht aus der Ferne sehr anmuthig aus und hat regelmäßige Hauptstraßen.
Sie ist bis auf eine kleine Landenge im Südwesten mit einem tiefen Festungs¬
graben umgeben und nur durch ein Thor zugänglich. Ueber ihr ragt auf
hohem Bergvorsprunge das sehr starke Fort Palamidi, vor ihr breitet sich der
Hafen aus, dessen Eingang durch ein kleines, auf einem Klippeneiland gelege¬
nes Kastell vertheidigt wird. Noch sieht man über den Thoren und an ver¬
schiedenen andern Stellen den Löwen von San Marco, unter dessen Aegide
die Werke um die Stadt erbaut wurden. Sonst erinnere ich mich beim Rück¬
blick auf Nauplia an nichts als an vorhanglose oder mit vergilbten Gardinen
verhangene Fenster, Neste von Transparents und Ehrenpforten, mit denen man
einige Wochen vorher das fünfundzwanzigjährige Jubelfest der Ankunft König
Ottos in Griechenland gefeiert, an das häßliche gelbe Haus, das er dann
mehre Jahre bewohnt, schmuzige Läden und Kaffeeschenken, eine Kirche mit
farbenreichen Heiligenbildern und hohen Kandelabern und ein wildes
Getümmel schnurrbärtiger pumphosiger Schiffer am Hafen. Einige von
den letzteren brachten uns mit mehrern Griechen, die ebenfalls nach Tripolitza
wollten, bei ziemlich stürmischem Wetter über die Bai nach Mylos hinüber,
eine Fahrt, bei der es mehre Seekraute gab. Unterwegs belehrte uns Spiro,
daß jenes Klippenfort auf dem Eiland vor dem Hafen zugleich die Bestimmung
habe, dem Scharfrichter von Griechenland zum Aufenthalt zu dienen. Der¬
selbe sei selbst ein todeswürdiger Verbrecher gewesen und müsse hier wohnen,
da er sonst vor der Blutrache der Verwandten der von ihm Guillotinirten
nicht sicher sei — Angaben, die uns in Athen mit dem Hinzufügen bestätigt
wurden, der Mann müsse, wenn er irgendwo gebraucht werde, von einer
Compagnie Soldaten in den betreffenden Ort escortirt !werden, und er habe
die liebenswürdige Gewohnheit, den abgeschlagenen Köpfen, bevor sie nach
Landesgewohnheit öffentlich ausgestellt würden, die Schnurrbärte zu kräuseln,
damit sie hübsch reputirlich aussähen. Will niemand ein Gedicht machen
auf den Seelenzustand des blutigen Eremiten auf der einsamen Insel? Das
Sujet eignet sich auch gut zum Ausputz eines Romans mit psychologischen
Schlagschatten ii ig. 11-z.n ä'^Iauäs. Es wäre schön, wenn man es
damit aus der Wirklichkeit des modernen Hellas entfernen könnte, in die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/484>, abgerufen am 23.07.2024.